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| Donnerstag, 25. März 2004
Themen: Start heute in eine reduzierten Wettbewerb – „Jahrhundertchance“ (NZZ) für VfB Stuttgart – konservatives Leitbild des VfB Stuttgart – schottische Woche für deutsche Vertreter – FAS-Interview mit KH Rummenigge
Weniger Spiele, weniger Geld, besserer Sport
Roland Zorn (FAZ 16.9.) freut sich auf eine verdichtete, weil reduzierte Champions League. „Weniger Spiele, weniger Geld, besserer Sport: Auf diese Wunschformel reduziert, begrüßen die Urheber der jüngsten Reform in der Champions League den renovierten Modus (…) Daß Deutschland von diesem Dienstag an nur mit zwei Klubs – Bayern München und VfB Stuttgart – zum europäischen Abenteuerspielplatz aufbricht, weist auf den Qualitätsverlust der Bundesliga hin. Borussia Dortmund hätte es als Dritter im Bunde schaffen können, schien aber wie so viele Starter in der sogenannten Königsklasse so sehr auf die immer noch üppigen Einnahmemöglichkeiten fixiert, daß die auf eine Bringschuld verpflichtete Mannschaft in den entscheidenden Momenten der Qualifikation verkrampfte. Würde in Zukunft bei allen Diskussionen über die Champions League wieder mehr über den Sport und weniger über den Reibach geredet, es käme dem Wettbewerb zugute. Wie es ist, mit dem Blick auf die falschen Etiketten in eine richtig spannende Konkurrenz zu starten, weiß auch der FC Bayern so gut wie kaum jemand: Im Vorjahr tänzelten die Münchner als weißes Ballett auf die große Bühne und kippten prompt aus den Latschen. In diesem Jahr will der deutsche Rekordmeister auf traditionelle Weise Fuß fassen.“
Günstiger Zeitpunkt, um einige der Etablierten zu überholen
Martin Hägele (SZ 16.9.) berichtet die Vorfreude in Stuttgart. „Überall in der Stadt sieht man stolze Hinweise auf die neue große Fußball-Welt, für die Gruppenspiele hätte man das Stadion aufstocken können, einen solchen Run auf Karten hat man im Roten Haus des VfB noch nie erlebt. Der Boom um seine junge Mannschaft erinnere ihn an Borussia Mönchengladbach vor dreißig Jahren, sagt Trainer Magath, an jene Epoche, in der Hennes Weisweiler mit seiner Fohlen-Elf um Günter Netzer, Jupp Heynckes und Berti Vogts auf dem Bökelberg die schönste deutsche Fußball-Romanze geschrieben hat. „Wir haben eine Riesenchance“, sagt Magath, „denn diese Konstellation ist äußerst selten: Die Mannschaft ist erfolgreich und kommt zudem sympathisch rüber.“ Das Bild des VfB steht in strengem Kontrast zur höher eingeschätzten Konkurrenz aus Dortmund, Berlin oder von Schalke 04. Es könnte ein günstiger Zeitpunkt gekommen sein, um einige der Etablierten zu überholen und sich aus dem Windschatten heraus für die Rolle der zweiten Kraft hinter dem FC Bayern zu bewerben. Ein solches Manöver aber kann nur gelingen, wenn sich die Stadt Stuttgart mit der Wirtschaftskraft des mittleren Neckarraums hinter dem VfB versammelt – „sonst wird alles nur eine schöne Episode bleiben“, warnt Magath. Er kennt mittlerweile die Stuttgarter Fußball-Geschichte und auch die Mentalität der Kundschaft. Ähnliche Umbruch-Situationen hat der Verein schon mehrmals verschlafen. Dass der VfB 1984 und 1992 den Meistertitel gewonnen hat, ist nur noch den Statistikern erinnerlich (…) Warum konnten die Kicker mit dem roten Brustring nie nachhaltig die Herzen einer außer-schwäbischen Fan-Gemeinde sich erobern? Warum schuf die Sundermann-Wundermann-Zeit (Aufstiegsjahr 1977) nichts Dauerhaftes, und warum verebbte die republikweite Schwärmerei für das Magische Dreieck (Balakov, Elber, Bobic) nach dessen Zerfall so schnell? Wieso ging von einem Klub, der Weltmeister, Europameister und Publikumslieblinge wie Jürgen Klinsmann, Guido Buchwald und Matthias Sammer prägte, nicht eine anhaltende Faszination aus? Erwin Staudt, der neue Vorstandsvorsitzende, war erschüttert, als er jene Tabellen sah, die die Attraktivität der Erstligisten einordnen. VfB Stuttgart: Platz 13, sowohl bei den Dauerkarten als auch bei den Mitgliederzahlen. Im Gottlieb-Daimler-Stadion verkehre vorwiegend ein Operetten-Publikum, behauptet der Sportpsychologe Gunter A. Pilz in seiner Ferndiagnose aus Hannover. In und um Stuttgart aufgewachsene Sportsfreunde führen den Menschenschlag vom Bruddler als Stimmungstöter an, der an allem etwas auszusetzen hat.“
Was Magath derzeit auch anfaßt, es gelingt ihm
Michael Ashelm (FAZ 16.9.) beschreibt die Machtfülle des Stuttgarter Trainers Magath. „Seit Monaten versucht der Fünfzigjährige, der den wirtschaftlich angeschlagenen Klub in kurzer Zeit sportlich an die nationale Spitze heranführte, seine Position als Teammanager zu stärken. Erst übernahm er nach dem Ausscheiden von Rolf Rüßmann den Job des Managers. Als der VfB die Saison überraschend als Ligazweiter abschloß und die Teilnahme an der europäischen Meisterliga in der Tasche hatte, kokettierte der Stratege mit einem Wechsel zu Schalke 04. Alles, um seinen Preis für die Stuttgarter nach oben zu treiben und weitere Befugnisse zu erhalten. Für eine großzügige Prämienregelung legte sich Magath im Namen der ganzen Mannschaft mit dem Finanzdirektor Ulrich Ruf an – am Ende ebenfalls mit durchschlagendem Erfolg. Die Verantwortlichen des Klubs sehen den Multi-Magath derweil mit Gelassenheit. Ich finde es wichtig, daß eine Führungskraft mitdenkt und sich überall einsetzt, sagt Präsident Erwin Staudt. Der Wirtschaftsmanager könnte sich eine noch engere Bindung an den Teammanager vorstellen, der für schöne Fußballträume in Stuttgart sorgt. Wenn sich die Profisparte des VfB demnächst vom e.V. zur Kapitalgesellschaft wandelt, schließt Staudt nicht aus, Magath in den Vorstand der Kommanditgesellschaft auf Aktien zu nehmen. Unterdessen sendet der Präsident auf Magaths jüngste Forderung nach einem Fünfjahresvertrag schon einmal positive Signale aus. Ich bin bereit, darüber nachzudenken, sagte Staudt am Montag dieser Zeitung. Was Magath derzeit auch anfaßt, es gelingt ihm.“
Bürohengst Ruf als grösster Bremser des sportlichen Fortschritts
Die NZZ (16.9.) sieht eine „Jahrhundertchance“ für den VfB. „Nach dem wahrscheinlichsten Grund für die mangelnde Identifikation mit dem VfB aber traut sich keiner zu fragen, weil der Ehrenvorsitzende Mayer-Vorfelder unter „Tabuthema“ läuft. Als „ewige Vergangenheitsbewältigung“ hat Magath den Aspekt „MV“ jetzt in einem Interview umschrieben, über ein Vierteljahrhundert hat der heutige DFB-Präsident den VfB wie kein anderer Klubchef personifiziert. Dessen Bedürfnis nach Zuneigung sowie seine Art, den Sonnenkönig zu spielen, haben Parteigänger, Lakaien und Schleimer angezogen, liberale Zeitgenossen und viele Andersdenkende dagegen abgestossen. Die warten nun ab, welchen Kurs die neue Führungsriege einschlägt. Noch fehlt ein klares Bekenntnis zu einem Stil, etwas, was über die Floskel Champions League hinausgeht. Was zum einen damit zusammenhängt, dass der ehemalige IBM-Vorstand Staudt auf neuem Terrain erst einmal vertraut werden muss. Andererseits verteidigt Finanzchef Ruf, der Prototyp des Vereinskassiers, der mit der Schatulle schläft, sein hart erarbeitetes Herrschaftswissen. Es fällt auf, wie Magath in den vergangenen Monaten und Wochen immer heftiger Rufs konservative Denkweise kritisiert und den Bürohengst als grössten Bremser des sportlichen Fortschritts geoutet hat. Denn die ehrgeizigen Ziele des Teammanagers könnten schnell zur Makulatur werden und sogar als arroganter Spruch auf den Verursacher zurückschlagen, wenn nicht bald etwas passiert in Sachen Vermarktung und neue Sponsoren und Partner erschlossen werden. Das ist zwar nicht Magaths Geschäftsbereich. Er aber mahnt trotzdem. Weil er nicht zusehen will, wie die Chefs der anderen Abteilungen die grösste Expansionschance des VfB in dessen 110-jähriger Geschichte wie eine Serie von Familien-Geburtstagen aussitzen. Und es zum Kapitel Champions League schon bald nur noch heissen könnte: „Weisst du noch, gegen Manchester?““
Wir brauchen international eine starke deutsche Präsenz
FAS-Interview mit Karl-Heinz Rummenigge
FAS: Am Mittwoch startet der FC Bayern München gegen Celtic Glasgow in die Champions League – nach zehnmonatiger internationaler Abstinenz. Hatten Sie Entzugserscheinungen?
KHR: Das war schlimm genug und keine angenehme Zeit.
FAS: Es hat sich in dieser Saison einiges geändert in der Champions League. Zum Beispiel werden die Einnahmen aus den Fernsehgeldern sinken. Statt der 65 Millionen Euro jährlich wie bisher von RTL zahlt Sat.1 nur noch 28 Millionen Euro. Muß der FC Bayern nun besser sparen?
KHR: Natürlich ist mit weniger Einnahmen zu rechnen. Was ich gehört habe, kann man davon ausgehen, daß es 25 bis 30 Prozent weniger sein werden. Aber unser Vorteil ist, daß wir dieses Mal als deutscher Meister in die Champions League sind. Außerdem ist Dortmund ausgeschieden. In der vergangenen Saison haben wir als Meisterschaftsdritter nur 20 Prozent bekommen, jetzt bekommen wir 55 Prozent aus dem Pott. Damit können wir das ganz gut kompensieren. Was den FC Bayern angeht, wird also die absolute Zahl nicht geringer sein als im vergangenen Jahr.
FAS: Dann sind Sie also ganz froh, daß Borussia Dortmund nicht dabei ist und mit Bayern und dem VfB Stuttgart nur noch zwei deutsche Mannschaften in der Champions League vertreten sind?
KHR: Finanziell gesehen ja, aber sportlich gesehen nein. Wir brauchen international eine starke deutsche Präsenz. Und da fehlt so ein Klub wie Dortmund natürlich (…)
FAS: Die finanziellen Schwierigkeiten von Borussia Dortmund sind eine Lappalie im Vergleich zu denen der hochverschuldeten Klubs in Spanien und Italien. Das solide Wirtschaften hat nun offensichtlich die Bundesliga für ausländische Spitzenspieler wieder attraktiver gemacht, trotz geringerer Verdienstmöglichkeiten. Denn man kann sich darauf verlassen, daß in jedem Monat das Geld pünktlich auf dem Konto ist. Rechnen Sie damit, das Gehaltsniveau im Fußball könnte so weit sinken, daß sich der FC Bayern irgendwann auch Spieler wie Raul oder Ronaldo leisten kann und leisten mag?
KHR: Da bin ich ehrlich gesagt skeptisch. Die Topklasse ist weiterhin extrem gefragt. Wir sprechen da von einer anderen Dimension. Im Falle Beckham ist das eine Ablösesumme von 35 Millionen Euro plus ein Gehalt von fünf, sechs, sieben Millionen Euro pro anno. Hochgerechnet auf vier Jahre, ist das ein Investitionsvolumen von insgesamt rund 60 Millionen Euro. Und eines hat dieses Jahr wieder gezeigt: Es gibt immer einen Verrückten, der die Dinge nicht beruhigen läßt. In diesem Jahr war es dieser Russe aus Chelsea. Solange es immer so einen wie Abramowitsch gibt, werden sich zumindest für die Topspieler die Ablösen und Gehälter nicht beruhigen. In der Mittelklasse haben sich die Preise schon beruhigt, gnadenlos sogar. Makaay hätte uns vor ein paar Jahren nicht 18 Millionen Euro gekostet, sondern 50 oder 45, weil es einen anderen Wettbewerb gab, einen irrationalen. Diese Irrationalitäten werden jetzt weniger, aber wir kommen nicht komplett zum Stillstand.
FAS: Es wird ab dem kommenden Jahr ein europaweites Lizenzierungsverfahren geben. Wenn es mit rechten Dingen zuginge, dürften dann kaum mehr italienische und spanische Klubs in der Champions League spielen.
KHR: Die nationalen Verbände sollen ja lizenzieren, und da ist die große Frage, inwieweit sie alles umsetzen, ob der spanische Verband zum Beispiel tatsächlich bereit ist, Klubs aus der Primera Division die Lizenz zu verweigern. Das ist für mich auch eine Nagelprobe für die Uefa, inwieweit sie dafür Sorge tragen kann, daß der Wettbewerb wieder fair gestaltet werden kann. Denn im Moment gibt es eine Wettbewerbsverzerrung höchsten Ranges. Wir spielen in der Champions League mit Klubs, die finanziell machen dürfen, was sie wollen.
Christian Eichler (FAZ 16.9.) warnt die beiden deutschen Vertreter vor der schottischen Woche für. „Die letzte schottische Saison nahm einen typischen Ausklang: der Rest der Liga als Schießbude. Am 38. Spieltag entschied zwischen den in Punkten und Tordifferenz gleichauf liegenden Glasgowern, wem gegen die chancenlose Konkurrenz der höhere Sieg gelang: Celtic gewann 4:0, Rangers 6:1. Dieses eine Tor mehr reichte zum fünfzigsten Meistertitel. Beide lagen 34 Punkte vor dem Dritten, dem FC Dundee. (…) Mehr denn je ist der Europapokal für die großen Gefangenen der schottischen Liga wie ein Freigang in der wärmenden Sonne des großen Fußballs. In der letzten Saison konnte Celtic mit dem Vorstoß ins Uefa-Cup-Endspiel den Schotten einige Anerkennung zurückgewinnen. Die Videos und Aufzeichnungen, die Trainer Martin O‘Neill beim Viertelfinalerfolg gegen den VfB Stuttgart gewonnen hatte, hat er nun seinem Rangers-Kollegen Alex McLeish zur Verfügung gestellt. Die europäische Aufgabe solidarisiert sogar die größten Rivalen. McLeish weiß, wie man Deutsche schlägt. Er gehörte dem FC Aberdeen an, der unter dem legendären Trainer Alex Ferguson als bisher letztes Team in Schottland die Dominanz der Old Firm durchbrach und 1983 den Europapokal der Pokalsieger gewann. Im Viertelfinale gegen Bayern München brach er Dieter Hoeneß die Nase und schoß ein Tor. Letzten Mittwoch saß er in Dortmund auf der Tribüne und stimmte nach der Niederlage der schottischen Nationalelf in das Klagen einiger Spieler über die abstoßende Schauspielerei der Deutschen ein. Im Mittelpunkt der Schauspielkritik stand der Neu-Bayer Tobias Rau, der mit seiner Oscar-Form (so die englische Zeitung Daily Telegraph) den Platzverweis von Maurice Ross provoziert habe. Doch McLeish weiß das Gejammer zu relativieren, indem er die Naivität britischer Teams auf internationaler Bühne beklagt. Kollege O‘Neill bewies diese sympathische Naivität, als er sich über die nicht immer sportliche Spielweise des FC Porto im Uefa-Cup-Finale bitter beklagte – als wäre es dort nicht um einen Pokal, sondern um einen Fairplay-Preis gegangen. Letzteren übrigens gewannen die vorbildlichen Fans des FC Celtic. Schottland mag noch eine Insel der Seligen sein, auf der man auch 36 Jahre nach dem ersten Europapokalsieg von Celtic nicht wissen will, daß im Fußball manchmal auch mit unfeineren Methoden gewonnen wird. Doch geschundene Fouls, weggeschlagene Bälle, vorgetäuschte Verletzungen, das ist einfach nicht schottische Art, und so werden sie wie immer mit offenem Visier ihre Chance suchen.“
Gewinnspiel für Experten