Ballschrank
Themen: Debatte über italienischen Fußball – Stilwechsel in Vigo – Rangers schottischer Meister
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| Donnerstag, 25. März 2004
Juventus ist die Mannschaft dieser Saison
Birgit Schönau (SZ 27.5.) verteidigt den italienischen Fußball. „Während Juventus oder Milan in Manchester den begehrten Pokal erheben werden, dürfen sich die vielen Verlierer wenigstens als moralische Sieger fühlen. Und die Italiener stehen da, wo sie nach Meinung ihrer Kritiker immer stehen: in der Abwehr. Müssen sich jetzt auch noch dafür rechtfertigen, dass sie es so weit gebracht haben. Also Konter: Vielleicht trifft der Vorwurf des Destruktivismus noch für die Nationalelf des Giovanni Trapattoni zu. Der Mann stützt seine eigene Legende auf das verdienstvolle Ausbremsen eines gewissen Pelé irgendwo im Nebel der Zeiten und verlässt sich außer auf die Betonabwehr der Squadra Azzurra gern auf die Unfähigkeit gewisser Schiedsrichter und die Wunderwirkung der Weihwasserflasche in den Taschen seines Maßanzugs. Mamma mia, il Trap! Aber so arbeitet ja in Italien keiner mehr, außer vielleicht noch der Argentinier Héctor Cúper, mit Inter Mailand. Cúper wurde am Wochenende mit der rührenden Klage „Nie ein bisschen Spaß“ aus der Fankurve verabschiedet. Aber hat jemand diesen Trainer derart in die Mangel genommen, als er noch den FC Valencia trainierte? Nie ein bisschen Spaß: Bei Inter mag das stimmen. Für den AC Mailand gilt es schon lange nicht mehr. Der Klub des Großen Kommunikators Berlusconi war früher als alle anderen auf die eigene Fernsehwirkung bedacht – und Catenaccio im Fernsehen, das geht nun wirklich nicht. Sein Trainer Carlo Ancelotti hatte klare Anweisung von oben, spettacolo zu zeigen. In der ersten Phase der Champions League reichte keine andere Mannschaft an Milans Spielfreude heran, schon gar nicht der Altherrenklub aus Madrid, dessen Chefmelancholiker Luis Figo verlauten ließ, in Italien können man wohl Klamotten kaufen, aber nicht Fußball spielen. Figo wurde im Halbfinale in Turin vollends entzaubert von – war es Zambrotta oder Birindelli? Egal, Juventus ist die Mannschaft dieser Saison, eine Squadra wie aus einem Guss, und wer angesichts von Del Piero, Nedved, Trezeguet behauptet, sie würden nur destruktiv arbeiten, der hat nicht hingeschaut (…) Einwurf: Die Abwehr wurde von den Schotten erfunden, anno 1870. Kleine Grätsche: Im übrigen Europa wird Italien traditionell nahezu reflexhaft belächelt. Früher waren es seine militärischen Leistungen, heute ist es die Ersatzhandlung Fußball. „Angsthasenfußball“, sagen manche. Kommt kurz vorm Desertieren. Madonna santa, muss es denn immer nach vorn gehen? Den Gegner kommen lassen, ihn austricksen, ihn mit List und Tücke schlagen, wird das denn nie eine abendländische Tugend?“
Den schönsten Fußball spielen sie in Spanien, den unterhaltsamsten in England
Dahingegen polemisiert Ronald Reng (SZ 27.5.). “Italienischer Fußball ist fantastisch anzusehen. Man darf bloß nicht aufs Spielfeld schauen. Einen meiner besten Nachmittage im Fußballstadion hatte ich vor einigen Jahren beim Spiel ASRom gegen AC Mailand: Was für ein Spektakel, was für eine Leidenschaft – auf den Rängen. Nirgendwo wird Fußball so farbenfroh, so fanatisch zelebriert wie in italienischen Fankurven, ich sah den Zuschauern 90 Spielminuten zu. Aber noch heute, einige Jahre später, bin ich ratlos, wen oder was die italienischen Fans in der Serie A eigentlich feiern: Sich selber? Dass der Eisverkäufer vorbeikommt? Oder tatsächlich, dass ihr Team nach fünf Quer- und drei Rückwärtspässen einen Einwurf an der Mittellinie erkämpft hat? (…) Dabei, welche Ironie, war es ein italienisches Team, das den beeindruckendsten Offensivfußball spielte: das Milan von Trainer Arrigo Sacchi Anfang der Neunziger. Doch sie haben seine Vision verraten. Sacchis revolutionäre Zonendeckung, die Basis seines Angriffsfußballs, verwenden Juventus und Milan heute für ihr destruktives Tun. Der italienische Fußball ist dieses Jahr der erfolgreichste in Europa. Herzlichen Glückwunsch auch. Aber Erfolg im Spitzensport ist ein unberechenbarer Geselle, er kommt und geht. Was bleibt, ist dies: Den schönsten Fußball spielen sie in Spanien, den unterhaltsamsten in England.
AS Roma in der Krise NZZ
Des L‘art- pour-l‘art-Modells überdrüssig
Georg Bucher (NZZ 27.5.) porträtiert Celta Vigo. „Gegenüber der letzten Saison vollzog Celta einen Stil- und Mentalitätswandel. Hatten die „Himmelblauen“ im vierten Jahr unter der Regie des romantisch angehauchten Trainerphilosophen Victor Fernandez das Publikum begeistert, wenn der „Zar“ Alexander Mostowoi fit und inspiriert war, die Champions League aber dennoch verpasst, so breitet sich jetzt oft Langeweile aus. Die Auftritte von Real Madrid und Deportivo lockten nur 24000 Zuschauer an, im Durchschnitt kommen 2000 weniger als letzte Saison, denn die „Afición“ ist von Señor Victors Fussballästhetik gegen Safety-first-Maximen imprägniert worden. Selbst wenn er wollte, könnte der einfacher gestrickte, das Flair eines harten Arbeiters verströmende Miguel Angel Lotina nicht aus seiner Haut. Geprägt haben ihn Erfahrungen in Logroño, Numancia und vor allem in Pamplona, der Aufstieg und mehrere erfolgreich überstandene Abstiegskämpfe, ein Kontext, in dem Spielkultur sekundär war. Weil der Präsident Horacio Gomes des L‘art- pour-l‘art-Modells überdrüssig und zu Ausgabenkürzungen gezwungen war, bekam Lotina mit einem verhältnismässig bescheidenen Gehalt den Zuschlag. Er habe das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, Ineffizienz mit Tristesse bekämpft, sagen die einen, als gewieften Taktiker bewundern ihn andere. Bezeichnend, dass Lotina den selbsternannten Fussballproletarier Jose Ignacio aus Saragossa anheuerte.“
Martin Pütter (NZZ 27.5.) schreibt über das Ende der schottischen Meisterschaft. „Ein Blick nach Schottland am Sonntag hat den Schweizer Klubs der NationalligaA das beste Beispiel über den Sinn und Unsinn einer Meisterschaft geliefert, die von zwei Grossklubs dominiert wird. Keine Schlussrunde im schottischen Fussball war spannender, aber auch einseitiger als diejenige am Sonntag, als die Glasgow Rangers nach dem 6:1 gegen Dunfermline zum 50.Mal den Titel gewannen – und das auf Kosten des Stadtrivalen und Titelhalters Celtic, der sich auswärts gegen Kilmarnock 4:0 durchsetzte. Bei gleicher Punktzahl gab die Tordifferenz den Ausschlag – sie war für die Rangers um einen Treffer besser als jene von Celtic. Hätten die Rangers ihr letztes Spiel daheim gegen Dunfermline nur 1:0 gewonnen, bei einem 2:1-Sieg Celtics in Kilmarnock, hätten die Klubs der „Old Firm“, wie sie in Glasgow genannt werden, bei identischer Punktzahl, identischer Tordifferenz und gleicher Anzahl erzielter Tore am 3.Juni ein Entscheidungsspiel austragen müssen (…) Die Spannung in der Schlussphase tröstete Celtics Trainer Martin O‘Neill auch über das enttäuschende Ende einer Saison hinweg. Die Endspiele im schottischen Ligacup (gegen die Rangers) und am letzten Mittwoch im Uefa-Cup (gegen Porto) verloren, im schottischen FA-Cup schon im Viertelfinal ausgeschieden, dazu nun nicht Meister geworden, das hat dem Nordiren, Spielern und Fans wehgetan. Dennoch sagte O‘Neill, dass dies für ihn die erinnerungswürdigste Saison war, trotz Gewinn des nationalen Trebles vor zwei Jahren und dem Meisterschaftserfolg vor einem Jahr. Es war nämlich eine Spielzeit, in der der schottische Klubfussball gerade wegen Celtic und seiner phantastischen Fans letzte Woche anlässlich des Endspiels im Uefa- Cup in Sevilla wieder auf sich aufmerksam gemacht hatte. Eine Saison, die von zwei Klubs dominiert wird, kann also auch spannend und aufregend sein, kann zudem mit grossem Interesse verfolgt werden, wie die konstant hohen Zuschauerzahlen von Celtic und Rangers sowie die Einschaltquoten bei den Übertragungen beweisen. Es hält einen der beiden dominierenden Vereine auch nicht davon ab, in einem europäischen Wettbewerb weit zu gelangen. Aber der nationalen Konkurrenz, die zuletzt 1985 durch den FC Aberdeen (damals noch trainiert von Alex Ferguson) letztmals die Meisterschaft gewann, bleibt mehr denn je das Nachsehen, die Rolle der Prügelknaben.“
(26.5.)
Über den Abschied Oliver Bierhoffs heißt es bei Birgit Schönau (SZ 26.5.). „Und, was macht man nach drei Toren gegen Juventus? „Man packt so langsam ein.“ Oliver Bierhoff sitzt in seiner Wohnung in Verona, es geht alles ziemlich schnell nach elf Jahren, einem Meistertitel und 103 Treffern in Italien. Vorbei jetzt. Bierhoff, 35, hat seinen Abschied gegeben, am Samstag gegen Juve, und was für einen: Drei Treffer, ganz großer Paukenschlag, sogar die Gazzetta hat Höchstnoten verteilt, und den Hut vor ihm gezogen, ihn einen Signore genannt. Ein Herr im Land der Spieler, die alle nur mit Vornamen nennen, ein „Gentleman“, verbeugte sich gar la Repubblica. Bierhoff weiß das einzuordnen. „Ist ja schon eine Weile her, dass sie mich so gelobt haben.“ Eine gute Weile, seit seinen Torjägerzeiten bei Udinese Calcio, 27 Saison-Treffer, bis heute unerreicht. Dann kamen Milan, die Meisterschaft, die erste Häme. Bierhoff Note ausreichend, zwei Tore hat er gemacht und sonst nichts. Er ließ das immer an sich abgleiten. „Manches kann ich heute besser auf italienisch ausdrücken.“ Zum Beispiel Pazienza, Geduld.“
Gewinnspiel für Experten