Ballschrank
Themen der letzten Tage
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| Donnerstag, 25. März 2004
Themen der letzten Tage: Abschluss des Lizenzstreits zwischen Frankfurt und Unterhaching, Saisonvorbereitung der Bayern, Stuttgarter Finanzloch, Affäre Tøfting u.a.
Unter den Lizenzstreit setzt Gerd Schneider (FAZ 19.7.) einen Schlussstrich. „Was noch bleibt, ist das diffuse Gefühl, dass in Jahren wirtschaftlicher Dürre und widriger Umstände auch die Führungsfiguren überfordert sind. Selbst in der noch immer blühenden Fußballbranche. Auch die DFL-Führung verpasste die Gelegenheit, in der Causa Haching entschlossen aufzutreten und Profil zu zeigen. Die Chance ist vertan. Es wird Zeit, dass der Ball rollt. Und dass die Oberen der Vereine und Verbände wieder dorthin zurückkehren, wo sie hingehören: in den Hintergrund.“
Volker Kreisl (SZ 18.7.) zum selben Thema. „Je länger dieses Lizenzverfahren dauerte, desto stattlicher wurde die Reihe der populären Argumente, die gegen das Vorgehen der SpVgg Unterhaching sprachen. Über allem schwebte der Vorwurf, der Klub sei sportlich abgestiegen und hätte damit kein Recht, sich juristisch zur Wehr zu setzen. Darunter bauschten sich weitere Gründe gegen den Kleinklub. Der Klub gefährde Autonomie, ja Fortbestand des deutschen Profi-Fußballs. Ferner verschleppe er das Lizenzverfahren und die Saisonplanung, spiele auf Zeit. Überhaupt: Was Unterhaching vorzubringen habe, sei biederer Formalismus, Paragraphenreiterei (…) Die SpVgg Unterhaching hat mit dem Angriff des Schiedsgerichtsurteils neues Terrain betreten. Die Substanz ihrer Argumente hat sich als unzureichend erwiesen, doch der Klub hatte das Recht, es zu versuchen.“
Wolfgang Hettfleisch (FR 18.7.) meint. „Nein, so sieht keine knappe Punktniederlage aus. Was Unterhaching im Bemühen, der Frankfurter Eintracht den vakanten Platz in der zweiten Liga noch streitig zu machen, gestern vor dem Frankfurter Oberlandesgericht hinnehmen musste, war ein klassischer Knock out (…) Nun, da das misslungen ist, sollte man am Hachinger Sportpark die Scherben zusammenkehren und die klare Niederlage anerkennen. So was zeugt von Größe.“
Die Talentförderinitiative des DFB kommentiert Thomas Klemm (FAZ 17.7.). „Vor allem Profis wie Ballack, Schneider und Jancker, die in den Kinder- und Jugendschulen der DDR ihre Ausbildung genossen haben, gelten als Aushängeschilder für das erweiterte Talentförderprogramm. Die Vereinbarkeit von Schul- und Fußballausbildung bleibt indes eine heikle Herausforderung. Zwar haben die Kultusminister bereits im April betont, dass die Schulen ihren Beitrag leisten werden. Doch gilt es bei dem Anliegen, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen, am Ort Schulleiter und Eltern begabter Kicker zu überzeugen. Fraglich bleibt auch, inwieweit der Nachwuchs von heute den Fußball von morgen voranbringt. Noch scheitern viele Talente beim Sprung aus der Jugend zu den Erwachsenen. Aber wohin auch immer sich der deutsche Fußball entwickelt: Den Weg als Ziel erkannt zu haben ist allemal ein großer Fortschritt.“
Über die Erwartungshaltung beim FC Bayern schreibt Philipp Selldorf (SZ 19.7.). „Während sich überall in Europa die Klubs auf dem Rückzug vom Größenwahn befinden, fühlen sich die Münchner so mächtig und wichtig wie nie zuvor. Gern hören sie, wie in Italien der Ligavorsitzende Galliani den FC Bayern als beispielhaft gelungenes Unternehmensmodell preist, und in der Gesellschaft der Sponsoren Telekom und Audi wähnt sich der Klub in die Elite der Deutschland AG aufgenommen. Eine Saison lang hat sich der Rekordmeister eine Pause bei der Produktion von Rekorden gegönnt (…) Wie Regen prasseln diese Maximalforderungen auf Ottmar Hitzfeld ein, und so gerät der Trainer in die Defensive, noch bevor ein Ball von Belang gespielt ist. Während des Freundschaftsspiels in Weinheim hatte sich Uli Hoeneß aus München beim Veranstalter nach dem Ergebnis erkundigt. Süffisant meldete der Stadionsprecher den 9.500 Besuchern: „Herr Hoeneß versteht nicht ganz, warum es noch 1:1 steht.““
Claudio Catuogno (SZ 18.7.) skizziert das Berufsbild eines Spielerberaters. „Das Interesse der Manager an erfolgreichen jungen Sportlern ist ein grundlegend anderes als das von Schulen, Vereinen oder Verbänden. Für sie hat Sport nichts mit Ehrenamt zu tun, nichts mit Prävention oder Integration – und nur wenig mit sozialer Verantwortung. Manager müssen mit Talenten ihr Geld verdienen. Hart formuliert heißt das: Der Sportler wird zur Anlageinvestition.“
Die Ursache der Stuttgarter Finanzmisere hat Thomas Kistner (SZ 17.7.) im Auge. „Wer genug Machtbewusstsein hat, muss auch in Krisenzeiten nicht fürchten, als Scharlatan erster Güte entlarvt zu werden. Im Fall des deutschen Zukunftsstrategen MV liegen die Dinge ja so, dass er für eine Guinessbuch-reife Vertragsposse verantwortlich ist, die ernste Debatten über seine Qualifikation als Amtsträger eher erübrigt. Als Chef des VfB Stuttgart hat MV dem Klub ein Ei ins Nest gelegt, dem just ein kleiner Pleitegeier entschlüpft. Der Vertrag von Altstar Balakov verlängert sich dank MVs unitärem Verhandlungsgeschick um jeweils ein Jahr, sofern der Bulgare einen Fitnessnachweis von einem Arzt seiner Wahl vorlegt – und dann sind weitere drei Millionen Euro Jahresgage fällig. Hätte MVs Sozialplan Schule gemacht, wäre der deutsche Fußball so pleite, dass der DFB die WM 2006 schon jetzt versteigern könnte.“
Wolfgang Hettfleisch (FR 17.7.) beschreibt die finanzielle Potenz des englischen Liga-Dritten. „Dass die Gesetze der Branche für Manchester nicht zu gelten scheinen, liegt nicht nur am erfolgreichen Wirtschaften des Klubs. Sportartikel-Hersteller Nike lässt sich eine auf 13 Jahre vereinbarte strategische Allianz mit Vorzeige-Werbeträger United Schwindel erregende 470 Millionen Euro kosten, was den Amerikanern für diesen Zeitraum auch die weltweiten Merchandisingrechte für rote Hemden und anderen Klub-Zierat eintrug (…) Der Klub bleibt vorerst als einziger von den Zwängen der angeschlagenen Branche befreit. Das aber funktioniert nur, so lange sich sportlicher Erfolg einstellt. Niederlagen der Krösusse sind wirtschaftliche Fehlschläge und werden andernorts mit unverhohlener Schadenfreude quittiert werden. It’s lonely at the top!”
Die Affäre Tøfting, dem wegen Körperverletzung eine Haftstrafe droht, beschreibt Frank Heike (FAZ 17.7.). „Die Affäre Tøfting ist das große Thema in den dänischen Medien. Das hat vor allem mit der unglaublichen Wendung Tøftings vom Opfer zum Täter innerhalb von nur drei Wochen zu tun. Noch am 5. Juni steht Tøfting aus ganz anderen Gründen im Mittelpunkt. Das dänische Boulevardblatt „Se og Hør“ erscheint zum Spiel gegen den Senegal mit einer Geschichte, die auf ewige Zeiten für Niveauverlust und Schamlosigkeit der bunten Blätter stehen wird: Auf einer ganzen Seite wird genau beschrieben, unter welch schrecklichen Umständen Tøfting im Alter von 13 Jahren seine Eltern in Aarhus verloren hat. Der grausame Fall, in dem der Vater die Mutter tötet und dann sich selbst das Leben nimmt, ist in Dänemark seit zehn Jahren bekannt, aber es gibt ein Stillhalteabkommen der Medien. Niemand hat es gebrochen, bis „Se og Hør“ kam. Die Ereignisse überschlagen sich: Die dänischen Spieler verlesen am 5. Juni in Daegu vor den Augen der Welt eine Pressemitteilung und verhängen einen Boykott gegen das Blatt. Doch jetzt wollen alle Tøftings Geschichte hören, auch im Ausland. In Dänemark nehmen Supermärkte „Se og Hør“ aus den Regalen. Am selben Tag entlässt das Medienhaus den Chefredakteur. Eine Debatte über die verlorene Moral des Journalismus bricht los. Eine Woche später erscheint das Heft mit einem über die ganze Breite gedrucktem „Entschuldigung“. Man habe nicht daran gedacht, dass die drei Kinder des Ehepaares Tøfting, sieben, acht und zwölf Jahre alt, vom Schicksal ihrer Großeltern noch gar nicht gewusst haben könnten. Stig Tøfting, Täter und Opfer.“
In einem sehr lesenswerten Artikel erinnert Christian Eichler (FAZ 19.7.) an die erste Sommerolympiade der Nachkriegszeit. „Helsinki 1952: Man war noch nicht wieder wer. Aber man war wieder da. Die Rückkehr zu Olympia findet Friedel Schirmer „noch wichtiger als Bern 1954“, als den Gewinn der Fußball-WM. Der Zehnkämpfer und Fahnenträger beschreibt eine unbeschwerte Stimmung, die so gar nicht zum Bild passt, das man im Rückblick auf die ersten Spiele des Kalten Krieges erwartet. Es scheint, als hätte die Welt in Helsinki den ganz normalen Nachkriegsalltag geübt. Und der war, bei allem Wahnsinn, eine Erholung gegen das, was sie gerade hinter sich hatte (…) „Anständig benehmen!“ hatte die deutsche Mannschaftsführung den Athleten eingeimpft. Die Aufgabe, nicht anzuecken, war weniger schwierig als sechs Monate zuvor bei den Winterspielen in Norwegen, das die deutsche Besatzung nicht vergessen hatte. „Viele Auslandsstarts waren problematisch“, erinnert sich Ulzheimer. „Dabei war man sich keiner Schuld bewusst.“ 400-Meter-Läufer Karl-Friedrich Haas erlebte auf Auslandsreisen, dass man „in manchen Geschäften und Lokalen als Deutscher rausgeworfen wurde“. In Finnland war Russland der Feind und Deutschland der Freund, der 1917 den Aufstand gegen die Besatzer mit einem Freikorps unterstützt hatte. Als Schirmer die Fahne an der Haupttribüne vorbeitrug, stimmte die Kapelle den Marsch „Alte Kameraden“ an (…) Viele hatten ein Recht, den Deutschen keinen Sieg zu gönnen. Und diese, als spürten sie das, gewannen zwar 24 Medaillen, aber zum ersten und letzten Mal bei Sommerspielen keine goldene. Dass man nur in den kaum technisierten Sportarten konkurrenzfähig war, vor allem bei den Läufern, so wie es heute die Länder der Dritten Welt sind, war das Spiegelbild eines immer noch halbzerstörten Landes.“
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