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Themen: die Aufstiegschancen des FSV Mainz – George Best, das Fußballgenie – Reformen in der Schweizer Liga

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Themen: die Aufstiegschancen des FSV Mainz – George Best, das Fußballgenie – Reformen in der Schweizer Liga

Qualität des Nichtgelingens

Andreas Singler (FR 16.7.) widmet sich den Aufstiegschancen des FSV Mainz 05. “Scheitern, wieder scheitern, besser scheitern, heißt es bei Samuel Beckett. Was den Fußball-Zweitligisten FSV Mainz 05 angeht, so dürfte in der Qualität des Nichtgelingens mit dem dramatischen Finale der abgelaufenen Runde wohl das Ende der Fahnenstange erreicht sein. Ein moralisches Recht auf baldige Korrektur der sportlichen Schicksalsgestaltung lässt sich für den drei Mal (1997 bis 2003) als Vierten erst am jeweils letzten Spieltag gescheiterten Club jedoch nicht ableiten. Alles fängt jetzt wieder von vorne an. Wir wollen wieder dabei sein, umreißt Trainer Jürgen Klopp die Ziele für die neue Saison. Dabei sein und dafür sorgen, dass es spannend bleibt. Vorschusslorbeeren als Aufstiegsfavorit, verliehen etwa durch den neuen Osnabrücker Coach Frank Pagelsdorf, lehnt Klopp ab. Nett gemeint, aber blödsinnig, wehrt er die Lobeshymnen des norddeutschen Kollegen ab. Die drei Bundesliga-Absteiger Cottbus, Nürnberg und Bielefeld seien die ersten Aufstiegsanwärter. Für Klopps Saisonziel als zusätzliches Spannungselement hat der neue, 26 Mann umfassende Kader zuletzt im Trainingslager am Chiemsee hart gearbeitet. Die sechs Neuzugänge haben dabei am intensivsten erlebt, wie strapaziös das offensive und auf permanente Bewegung ausgerichtete Mainzer Spielsystem sein kann (…) Der FSV Mainz 05 wird wieder einmal seinen unter Jürgen Klopp gefestigten Ruf als Ausbildungsverein bestätigen müssen, soll eine erneute Saison im Kampf um vordere Plätze in der zweiten Liga gelingen. Dass er Talente voranbringen kann, haben die atemberaubende Entwicklung des gebürtigen Marokkaners Mimoun Azaouagh, des Innenverteidigers Mathias Abel und die gelungene Integration des Stürmertalents Benjamin Auer ins Profigeschäft gezeigt. Alle drei stehen mittlerweile im Kader der deutschen Junioren-Nationalmannschaft.Die Neuzugänge kommen wieder einmal nicht von oben. Ob sie Verstärkungen sind, muss sich weisen.“

Mediengesamtkunstwerk

Adrian Schimpf (SpOn) erinnert an die aktiven Zeiten von George Best. „Best ist am Ball talentiert wie kaum einer zuvor. Dribbelkönig nennen sie ihn, später, als der Alkohol dazu kommt, manchmal auch spöttisch den Fusel-Fummler. So einen Genius treten die minderbegabten Fußballarbeiter seit jeher gerne zusammen, aber Best ist alles andere als ein Sensibelchen. Er führt die Mode ein, mit herunter hängenden Stutzen zu spielen, als wolle er den Tretern sagen: Ich bin schneller weg, als ihr treffen könnt. Und wenn es gar zu arg wird, kann Best gehörig austeilen: Gleich zweimal bricht er im Laufe seines Fußballerlebens die gegnerischen Beine. Wesentlich öfter aber spielt er den Ball durch dieselben, und oft wird der so Getunnelte noch gleich ein weiteres Mal mit demselben Trick düpiert. Einmal zieht er sogar sein rotes Vereinstrikot aus und beginnt damit, wie ein spanischer Matador vor dem Ball zu wedeln, was den lächerlich gemachten Chelsea-Verteidiger bis zur Weißglut reizt. Ein anderes Mal jongliert er das runde Leder mit dem Oberschenkel über den halben Platz. Und lange, bevor Wille Ente Lippens es nachmacht, stoppt er den Ball zur Freude des Publikums mit seinem Hintern. Außerhalb des Fußballplatzes wird Best zum ersten Popstar des Sports, der es von den Back pages auf die Frontseiten der Zeitungen bringt. Modetrends kreierend, von schönen Frauen umlagert, in schnellen Autos unterwegs und auf jeder Party zu Hause wird El Beatle zum Mediengesamtkunstwerk.

Rolf Wesbonk (NZZ 16.7.) berichtet die Reformen im Schweizer Ligafußball. „Wenn schon Veränderungen, dann nicht peu à peu, sondern gleich im grossen Stil und alles auf einen Schlag. Das haben sich die Verantwortlichen der Nationalliga gesagt, als sie die Saison 2003/04 planten – am Mittwochabend beginnt sie schon wieder, als eine der ersten überhaupt auf dem Kontinent. Nach den Vorstellungen der Funktionäre und ihrer Marketingberater heisst die erste Kammer des Schweizer Fussballverbandes fortan Swiss Football League, die Eliteliga erhielt den unsinnigen Namen Super League, die A-Meisterschaft läuft unter der Bezeichnung Axpo Super League, und die ehemalige Nationalliga B segelt unter der Etikette Challenge League. Im Weiteren wurde die oberste Klasse von zwölf auf zehn Mannschaften reduziert, die zweithöchste hingegen von zwölf auf sechzehn Equipen aufgestockt. Verabschiedet wurde auch der seit 1987 bestehende Modus mit Qualifikations- und Finalrunde. Damit gehören der Trennungsstrich sowie die Halbierung der Punktzahl in der Winterpause der Vergangenheit an. Über den Sinn (oder Unsinn) hochgestochener fremdländischer Bezeichnungen für bestens eingeführte (deutsche) Begriffe kann man streiten, nicht aber über die Redimensionierung der Eliteliga. Dieser Schritt war nach dem Verschwinden der Traditionsklubs FC Lugano und Lausanne- Sports sowie der (möglichen) Verbannung des FC Sion in die Erste Liga unausweichlich geworden. Thomas Gulich, Präsident des Grasshopper- Clubs, denkt gar laut darüber nach, ob nicht eine Konzentration von nur acht Vereinen im Schaufenster des hiesigen Fussballs die noch bessere Lösung gewesen wäre. Gespannt darf man auch auf die Auswirkungen des künftigen Modus sein. In der obersten Klasse kommt die simpelste Wettbewerbsform (Doppelrunde mit Hin- und Rückspielen) zur Anwendung. Der letztklassierte Verein steigt ab, der im neunten Rang placierte Klub trägt eine „Belle“ gegen den Zweiten der B-Liga aus. Präsidenten wie beispielsweise der FCZ-Chef Sven Hotz haben sich ein solches Modell aus Gründen des geringeren Drucks auf die Klubführung sowie das Team seit Jahren gewünscht. Etwas komplizierter präsentiert sich die Meisterschaftsformel eine Stufe tiefer. Hier wird eine einfache Runde gespielt (30 Matches), wobei dem Hinspiel unmittelbar der Retourmatch folgt. Die beiden Partien werden nach der Formel des Europacups gewertet und dem Sieger aus den beiden Zusammentreffen zwei Bonuspunkte gutgeschrieben. Damit kann ein Team aus den beiden Vergleichen statt sechs gar acht Punkte gewinnen. Die vom Komitee der Nationalliga eingebrachten Vorschläge zur Lancierung von interessanteren, spannenderen Meisterschaftsmodellen (zum Beispiel die Einführung von Play-offs in einer zweiten Phase des Dauerwettbewerbs) wurden von den Vereinsvertretern strikte abgelehnt. Ob die Klubs damit ein Eigentor erzielt haben, wird sich bald weisen.“

Gewinnspiel für Experten

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