Ballschrank
Von wegen „Friede im Osten“
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| Donnerstag, 25. März 2004Erlebnisbericht eines Stadionbesuchers – von wegen „Friede im Osten“: Union und Energie erschaffen ein neues Derby – Said Gaddafi, der neue Liebling Perugias u.a.
Offenbar normaler Stadionbesucher und ohne Pressekarte, berichtet Christian Eichler (FAZ 11.8.) seinen samstäglichen Ausflug ins Westfalenstadion. „Bundesliga tropical, Anpfiff zum Selbstversuch. Man nehme: Sandalen, leichte Baumwolle, Mütze, Sonnenbrille, dazu das Nötigste im Beutel. Viertel vor drei, Eingang Süd, Westfalenstadion Dortmund. Der schwitzende Ordner sieht den Beutel. Späht hinein. Zieht etwas hervor. Damit, sagt er triumphierend, damit kommen Sie hier nicht rein. Ein Corpus delicti: Klappmesser? Schlagstock? Schalke-Schal? Nein, Plastikflasche, Wasser, 1,5 Liter. Willkommen beim angeblich heißesten Samstag in vierzig Jahren Bundesliga. Flüssigkeit wird reichlich empfohlen. Aber Wasser, nein, damit kommen Sie hier nicht rein. Nur wenn Sie herzkrank sind, präzisiert unsere Ordnungskraft. Und wenn man es wäre? Dann hätten Sie es ja schon vorher gesagt. Dieser Logik entziehen wir uns, indem wir die Flasche tapfer schon am Eingang leeren, Zug um Zug, depotbildend wie ein Kamel vor der Wüste. Wir finden uns in guter Gesellschaft: reichlich ertappte Wasserträger, hastig trinkend. Drinnen, versichert der Ordner unseres Vertrauens, gebe es genug Wasser. Leider wird man aber beim Anstehen im Gedränge vor den Getränkeständen fast so viel Flüssigkeit verlieren, wie man erwirbt. Und kurz vor der Pause wird es am für uns zuständigen Ausschank heißen: Wasser alle, nur noch Getränke mit Zucker oder Alkohol (…) Ach Fußball, du wärmst die Herzen. Doch will man das bei 35 Grad? Das der Wetterlage Angemessene wäre ein Spielchen, das, wie Radioreporter gern sagen, so dahinplätschert. Fußball als Freibad. Doch Borussia Dortmund hat viel im Süden eingekauft. Das zahlt sich aus im tropischen Ruhrgebiet und bringt Zug in den Sommerfußball. Der Ghanaer Addo bereitet zwei Tore vor, der Argentinier Fernandez eins, der Brasilianer Amoroso schießt eins. Den Rest besorgen zwei besonders sonnige Tschechen. Die Gäste dagegen spielen, als hätte in ihrem Wolfsburger Dienstbus die Klimaanlage nicht funktioniert. 4:0! Das heißt: viermal anstrengender Torjubel. Mehr an körperlicher Leistung ist an so einem Tag auch dem vorbildlichsten Dortmund-Fan nicht abzuverlangen.“
Die Scheibe vom Brot nehmen lassen
Ein herrlicher Artikel: Javier Cáceres (SZ 12.8.) sah den 1:0-Sieg von Energie Cottbus bei Union Berlin. „Als sich Tomislav Piplica, die Augen hinter rosafarbenen Sonnengläsern versteckt, den Weg zum Mannschaftsbus des FC Energie Cottbus bahnte, riefen ihm die Köpenicker Vips Schimpfwörter hinterher; die meisten begannen mit A, die zweitmeisten mit W. Piplica, 34-jähriger Torwart bei Energie, zuckte kurz, doch es blieb bei drohenden Blicken. Und bei einem letzten Gruß an die Fans des 1.FC Union Berlins, die nicht ganz zu Unrecht im Rufe stehen, ehrlichen Fußball zu schätzen (es bleibt ihnen in dieser Saison nichts anderes übrig): Piplica ballte die rechte Faust, reckte sie in die Höhe, stolz und triumphierend. Natürlich galt die Geste dem 1:0-Erfolg seiner Mannschaft. Doch der wahre Triumph Piplicas bestand darin, ein neues Derby begründet zu haben. „Friede im Osten“, hatte ein Berliner Blatt am Vorabend der Zweitliga-Veranstaltung getitelt und mit einigem Recht darauf verwiesen, dass bei vergangenen Duellen zwischen Union und Energie vergleichsweise wenige Auffälligkeiten zu beobachten waren. Dieser Frieden aber wurde am Sonntag aufgekündigt, es wurde bei jeder passenden Gelegenheit nicht nur der Ball malträtiert, sondern auch der Gegner – mit dem Resultat eines durchaus amüsanten Kaleidoskops der Hässlichkeiten. Christian Beeck, Kapitän und Verteidiger des FC Energie, fasste Vorsätze und Geschehen ebenso hübsch wie treffend zusammen: „Wir haben versucht, möglichst nah am Rande der Legalität Fußball zu spielen.“ Und Unions Trainer Miroslav Votava echauffierte sich seinerseits über die „verschlafene“ erste Halbzeit seiner Elf: „Da war überhaupt keine Hektik im Spiel.“ (…) In ultimative Rage kam Unions Anhang und Belegschaft durch Piplicas spielverzögerndes Jonglieren des Balles, als das Spiel sich zum Ende neigte. Was nach Schlusspfiff zu beobachten war, wies einerseits nahe Verwandtschaft zum Pogo-Tanz auf und wirkte andererseits wie ein unhöfliches Einander-die-Meinung-geigen, Lustig wurde es, als Piplica aus dem Reigen ausscherte, um quer über den Platz Richtung Energie-Fanblock zu stampfen: Erst stellte sich ihm Votava in den Weg, später dann auch Geyer, mit erhobenem Zeigefinger („das gehört sich nicht“); Piplica konterte beide mit Umarmungen. Votava konnte sich noch wehren und den Provokateur erzürnt zurückstoßen; Geyer hingegen war entwaffnet: Piplica drückte ihm einen Kuss an den Hals. Ansonsten brachte der Abend vor allem einen Monolog Votavas in der Pressekonferenz, der Trapattonis famoser Strunz-Rede nicht unähnlich war. Vor allem blieb ein Gelöbnis Votavas haften: „Das soll die letzte Niederlage gewesen sein in der Alten Försterei.“ Ein gewagter Schwur, immerhin wartet Union in diesem Kalenderjahr noch auf den ersten Heimsieg. Den Nerv der Vips hatte Votava damit getroffen; dieses und seinen Verdruss darüber, „dass wir uns hier immer… die Scheibe vom Brot nehmen lassen“, hatten sie live verfolgen können. Es folgte tosender Beifall, und er war dem großen Theater, das in Köpenick geboten wurde, mehr als angemessen.“
Christoph Bertling (FTD 12.8.). „Um Vitamine braucht sich Schalkes Manager Rudi Assauer diese Saison keine Sorgen zu machen. Seit einigen Wochen parkt pünktlich um acht Uhr ein Kleintransporter vor der Geschäftsstelle des Fußballklubs. Dakin Faretin beliefert die Mitarbeiter reichlich. Faretin ist der Onkel von Hamit Altintop. Und seit sein 20-jähriger Neffe in Königsblau angreift, lässt es sich der türkische Gemüsehändler nicht nehmen, den Klub kostenlos mit Bananen, Äpfeln und Grapefruits zu beliefern. Genau genommen ist Stürmer Hamit Altintop somit auch kein Neuzugang auf Schalke. Seit Jahrzehnten leben die Altintops im Dunstkreis von Schalke 04. In Gelsenkirchen-City sind sie allerorts bekannt. Das Obstgeschäft liegt nur einen Kilometer von der Arena entfernt. Auch Hamit wohnt mit seiner 60-jährigen Mutter nur wenige Hundert Meter von seinem neuen Arbeitsplatz entfernt. Schalkes Späher entdeckten ihn trotzdem sehr spät. Dabei ließ Hamit Altintop in den letzten Jahren wahrlich keine Gelegenheit aus, sich als potenzieller Stürmerstar vorzustellen. Für Furore sorgte er bisher immer im Doppelpack – mit seinem Bruder Halil, der nur zwölf Minuten später geboren wurde und diese Saison beim 1. FC Kaiserslautern anheuerte. In der Regionalliga waren die Zwillinge nicht zu halten. Sie schossen über Jahre für Wattenscheid Tore am Fließband. Der Trainer Hannes Bongartz verhinderte dabei mögliche Allüren seiner Musterschüler. Gerne nannte er die Zwillinge seine „Pastorentöchter“, weil sie nicht robust genug auf dem Feld agierten.“
Gaddafi bewegt sich vorzugsweise im Hubschrauber
Birgit Schönau (SZ 12.8.) widmet sich Perugias neuem Liebling Gaddafi. „Anfang Juli hatte Präsident Gaucci sein Schloss zur Verfügung gestellt, um den Sohn des libyschen Revolutionsführers Presse und Society zu präsentieren. Es war ein rauschendes Fest. Der ganz in Weiß gekleidete Petrol Boy wurde hofiert wie ein Märchenprinz aus 1001 Nacht, soll er doch Glanz bringen in die Provinzstadt Perugia – mehr noch als seinerzeit der Japaner Hidetoshi Nakata. In Nakatas Gefolge waren japanische Journalisten in die kleine Hauptstadt der Region Umbrien geströmt, auf ihrem Fuß folgten die Reisegruppen. Bald war Perugia in Japan genauso bekannt wie Rom und Mailand, und Nakatas rotweißes Trikot wurde im Fernen Osten ein Bestseller. Perugia zehrt noch heute von Nakata, der zum AS Rom verkauft wurde, später zu Parma ging und nun von Lazio Rom umworben wird. Der Sponsor der Umbrer ist der japanische Autoriese Toyota, bemerkenswert für einen Klub, der noch nicht einmal ein überdachtes Stadion hat. Und wer weiß, was Gaddafi noch verspricht. Fußballerisch, na ja. „Der will halt ein bisschen Spaß haben hier“, sagt Fausto Breghi, der Mann an der Klubbar. „Kann er sich ja leisten, so ein Schnuppern in der Serie A.“ Und was passiert, wenn Perugia gegen Juventus Turin antritt, in deren Verwaltungsrat Al Saadi Gaddafi als zweitgrößter Aktionär nach der Agnelli-Familie sitzt? Teammanager Di Chiara lächelt amüsiert. „Das Match gegen Juventus ist für uns auch sportlich ein wenig . . . delikat. Daher ist der Einsatz von Ingenieur Gaddafi eher unwahrscheinlich.“ Geschichten jedenfalls gibt es schon genug. Dass Gaddafi im Südtiroler Trainingslager am späten Samstagabend partout seinen Bart stutzen lassen wollte und so lange nach einem Frisör rief, bis der kam und selbstredend ein fürstliches Trinkgeld kassierte. Dass er sich, die Leibwächter bei Fuß, vorzugsweise im Hubschrauber bewegt und tausende von Euros darauf verschwendet, das Flugpersonal untätig warten zu lassen – wenigstens die Unpünktlichkeit des Libyers ist bereits legendär. Beim Klub übersehen sie das. „Ein korrekter Junge, voller Respekt“, beschreibt Präsident Luciano Gaucci seinen neuesten Coup, der Perugia einen nie dagewesenen Andrang der Weltpresse bescherte.“
Liebe Freistößler!
Sie sehen die Sportschau? Ihnen kocht beim Abspann die Galle über, in dem die „Hermes House Band“ die Fußball-Hymne „Football´s coming home“ glatt bügelt?! Sie fassen sich an die Stirn, wenn Sie die neue kicker-Werbung („Papi, wo liegen die Färöer?“ „Frag Mami, die räumt doch immer alles weg!“) sehen?! Dann geht es Ihnen wie mir. in höchstens zehn Zeilen, was Sie davon halten. Wir veröffentlichen die schönsten Zuschriften.
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