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Bundesligahintergründe, Fußball in Italien, England, Schottland, Österreich
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| Donnerstag, 25. März 2004Bundesligahintergründe aus München, Bremen, Hamburg, Berlin und Bochum – Auslandsfußball aus Italien, England, Schottland und Österreich – Zweite Liga, diplomatische Differenzen zwischen Dortmund und London?
Vor dem Spiel BVB – Arsenal
Über die plötzlich prekäre Situation von Arsenal London schreibt Christian Eichler (FAZ 30.10.). „Siegesserien bergen eine Gefahr: Daß man das Verlieren verlernt. Die bewährten Techniken des kleinen Krisenmanagements, zwischendurch mal eine Niederlage verdauen oder auch zwei, das gehört zum täglichen Brot von Fußballprofis und -trainern. Wenn man aber zu lange nicht verloren hat, dann bringt die erste Niederlage meistens ein paar Verwandte mit. Als Arsenal London zehn Monate in England ungeschlagen war, äußerte Trainer Arsène Wenger ungewohnt übermütig das Gefühl, „eine ganze Saison lang ungeschlagen bleiben zu können“. Eine einzige Aktion in der 90. Minute, ein frecher Schuß des 16jährigen Wayne Rooney von Everton, reichte, dem Meister das Gefühl der Verletzlichkeit zurückzugeben. Drei Tage später verlor Arsenal an Wengers 53. Geburtstag auch in der Champions League, 1:2 gegen Auxerre, und die Verunsicherung war spürbar: Die Serie war von gestern, und plötzlich war sie eine Last. Das spielerisch verwöhnte Publikum im Highbury-Stadion reagierte ungehalten auf die karge Kost gegen Auxerre (…) Wenn Tritte in den Hintern aufmunternde Wirkung hätten, dann wäre David Seaman der aufgeweckteste Spieler Englands. Nach seiner Pannenserie in wichtigen Länderspielen ist er zur öffentlichen Witzfigur auf der Insel geworden – und zur Belastung für Arsenal. Vom strauchelnden Torwart geht eine zunehmende Verunsicherung seiner Verteidiger aus, und eine Ermutigung an gegnerische Stürmer, es einfach mal zu versuchen.“
Richard Leipold (FAZ 30.10.) berichtet. „In diplomatischen Kreisen hätte es geheißen: Matthias Sammer war irritiert. Vor dem Spiel zwischen dem deutschen und dem englischen Fußballmeister hatte der britische Boulevard das Zeichen zum Angriff gegeben. Alte Ressentiments wurden hervorgekramt; als Hauptschuldigen hatte sich das Blatt News of the World kurioserweise Matthias Sammer ausgesucht, den notorischen Verkünder reiner Fußball-Lehre. Gerade ihm, der im Umgang mit den Medien oft spröde wirkt, so häßliche Worte unterzuschieben, empfand der Trainer von Borussia Dortmund als dreist. Sammer staunte mächtig, was er alles über die Profis des FC Arsenal London gesagt haben soll, die an diesem Mittwoch zum Spitzenspiel der Vorrundengruppe A im Westfalenstadion antreten. Er spreche zwar „ein paar Brocken Englisch“, sagte Sammer, aber für soviel Bosheit reichten sie nicht. „Ich wüßte gar nicht, in welcher Sprache ich so ein Interview gegeben haben sollte.“ Die Zeitung News of the World hatte verbreitet, Sammer sinne nach dem 0:2 in London, der bisher einzigen Saisonniederlage, „auf Rache“. Viele seiner Spieler seien mit dem Wunsch nach Hause zurückgekehrt, „die Arroganz aus den Gesichtern einiger Arsenal-Profis herauszuschlagen“. Das Blatt zitiert Sammer mit den Worten: „Es wäre gerecht, wenn wir gewinnen, weil wir gespürt haben, daß bestimmte Leute sich der Täuschung schuldig gemacht haben – nicht nur um Freistöße herauszuholen, sondern auch um meine Spieler in Verruf zu bringen.“ Nach diesem Prolog sahen sich Sammer und die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit vorübergehend in die Defensive gedrängt. Das diplomatische Corps des BVB war gefordert. „Es ist bedauerlich, daß solche Methoden angewandt werden, um die Beziehungen zu belasten“, sagte Pressesprecher Josef Schneck. In einem Telefongespräch mit seiner Londoner Kollegin habe er klargestellt, daß Sammer die ihm unterstellten Sätze nicht geäußert habe.”
Aus der Bundesliga
Daniel Pontzen (Tsp 29.10.) meint. „Besonders ärgerlich aus Sicht der Bayern ist die Tatsache, dass Kahns Paradigmenwechsel vom Musterprofi zum Teilzeit-Rebell zeitlich zusammenfällt mit der ohnehin diffizilen Umstrukturierung der Mannschaft. Die Metamorphose vom Team der Effenberg-Ära zu den generalüberholten Ballack-Deisler-Superbayern bereitet weit mehr Mühe als erhofft. In der Champions League stolperten die Münchner von einer Enttäuschung zur nächsten – und auch das letzte restlos überzeugende Bundesligaspiel liegt Wochen zurück.“
Martin Hägele (NZZ 29.10.) schreibt über den Aufschwung von 1860 München. „Dass diese Mannschaft zwei Gesichter besitzt, ist allerdings gar nicht schlimm. Die „Löwen” machen derzeit einen Entwicklungsprozess durch: Ein paar Routiniers und grosse Namen kämpfen beharrlich gegen das Verfallsdatum ihrer grossen Karrieren an: „Icke” Hässler, bester Spieler der Euro 1992; Davor Suker, Topscorer der WM in Frankreich, Daniel Borimirow, einer der letzten „Überlebenden“ aus der goldenen Generation Bulgariens. Diese Mittdreissiger können nicht mehr so Gas geben wie im Sommer ihrer Laufbahn, doch vor und hinter ihnen baut sich allmählich ein Mannschaftsgerüst auf (…) Sicherlich wird der Betrachter vergebens nach der ganz grossen spielerischen Linie suchen, die diesen Klub in den sechziger Jahren ausgezeichnet hat. Damals bot er den spektakulärsten Fussball Deutschlands und stürmte 1965 in den Europacup-Final der Cup-Sieger. Momentan leiden die Nachfolger von Brunnenmaier, Grosser, Küppers, Patzke oder Heiss, nicht zu vergessen Torhüter-Idol und Schlagersänger Radenkovic, unter dem Schatten des FC Nobel, der im für sie etwas zu weitläufigen Olympiastadion auf sie fällt. Deshalb ist es auch kein Zufall, dass Pacults Kader ausgerechnet zu einer Phase Konjunktur hat, in der es in Hitzfelds Star-Ensemble kriselt. So profitiert der Kleine von den Fehlern des Grossen in der Stadt. Denn gerade jene Werte, die dem FC Bayern in der Vergangenheit und in jüngster Zeit seinem „weissen Ballett“ angehängt wurden, lassen sich nun ein paar Strassen weiter besichtigen. Die Sechziger haben eine interessante Mischung entwickelt aus Können, Kampf und Glück. Wie lange aber dauert der Traum?“
Roland Zorn (FAZ 30.10.) kommentiert die Rücktrittsankündigung des HSV-Vorstandsvorsitzenden Werner Hackmann. „Der dürre Mann, der traurig wie kaum jemand sonst in der deutschen Fußballszene dreinschauen kann, geht lieber von sich aus, als sich weiter mit dem Führungspersonal seines geliebten Klubs und mit einem Teil der Anhängerschaft herumzuärgern. Allerdings muß er sich auch eine Reihe von Vorwürfen gefallen lassen, die vorzugsweise im Sportlichen begründet sind. So hat es der Verein mit dem dritthöchsten Etat aller Bundesligaklubs in den vergangenen Jahren nicht verstanden, seine Leistungen in der Bundesliga kontinuierlich zu steigern. Im Gegenteil: Wer den Tabellen-Dreizehnten heute sieht, kommt zu dem Urteil, daß diese auswärts noch sieg- und punktlose Mannschaft trotz zahlreicher Personalinvestitionen in den vergangenen Jahren günstigenfalls auf mäßigem Niveau stagniert. Hackmann selbst verspielte dazu viel Autorität, als ihm im Sommer vom Aufsichtsrat ein neuer Manager anstelle von Holger Hieronymus präsentiert wurde: Bei der Einstellung von Dietmar Beiersdorfer wirkte der Vorstandsvorsitzende am Ende passiv mit. Auch bei den nachträglichen Diskussionen um die vier Millionen Euro teure Verpflichtung des Argentiniers Cristian Ledesma spielte Hackmann eine Rolle, die nicht auf Führungsstärke deutet.“
Carsten Harms (Welt 30.10.) meint zum selben Thema. „Alleingänge, einsame Entscheidungen, ein umstrittener Führungsstil und eine einseitige Informationspolitik werden ihm seit Jahren vorgehalten. Entscheidend an Vertrauen aber verlor er erst kürzlich, als er es trotz einer persönlichen Gegenüberstellung nicht schaffte, festzustellen, ob Cheftrainer Kurt Jara, dessen Assistent Manfred Linzmaier oder der zuvor vom Aufsichtsrat geschasste Sportchef Holger Hieronymus entscheidend für den Transfer des ungeliebten Argentiniers Cristian Ledesma verantwortlich war. Pech für Hackmann, dass bekannt wurde, dass die nichtssagende Pressemitteilung zu diesem ultimativen Treffen schon am Tage zuvor formuliert worden war.“
Jörg Marwedel (SZ 30.10.) dazu. „Es entbehrt nicht der Ironie, dass Hackmann, laut FAZ ein „Ränkeschmied erster Ordnung“, ausgerechnet in jenen konspirativen Einzelgesprächen, in denen er die von ihm angestrebte Vertragsverlängerung im Winter vorantreiben wollte, erkennen musste, dass es zur nötigen Mehrheit im Aufsichtsrat nicht reicht. Das wiederum verwundert nicht wirklich angesichts der vielen Irritationen, die es zwischen ihm und den Kontrolleuren bereits gegeben hat. Die jüngste stammt aus dem Sommer, als das Gremium gegen Hackmanns Wunsch dem Sportchef Holger Hieronymus kündigte, der Vorstandschef danach über Gespräche mit Hieronymus’ Nachfolger Dietmar Beiersdorfer erst aus der Presse erfuhr und schließlich ihm selbst mitgeteilt wurde, er arbeite bis zur vertagten Entscheidung über seine eigene Zukunft „auf Bewährung“. Dies alles waren auch Retourkutschen auf frühere Alleingänge des „Geheimniskrämers“ Hackmann.“
Zur Führungsstrategie des SV Werder Bremen lesen wir von Frank Heike (FAZ 26.10.). „Klaus Allofs, der 45 Jahre alte ehemalige Nationalspieler, arbeitet seit drei Jahren als Sportdirektor des SV Werder Bremen. Er hat in seiner Amtszeit derart gewinnbringend und clever verpflichtet und verkauft, daß er aus dem langen Schatten seines Vorgängers Willi Lemke getreten ist. Der schuftete 18 Jahre in verantwortlicher Position. Ohne Lemke wäre der SV Werder wohl nicht das geworden, was er heute ist. Als ernstzunehmender Rivale der Bayern geht Werder in die Spiele an diesem Samstag gegen Borussia Dortmund und am übernächsten Sonntag gegen Bayern München. Schnell hat eine historische Gleichsetzung die Runde an der Weser gemacht – bei Werder laufe es mit dem Gespann Schaaf/Allofs ja so gut wie damals unter Rehhagel/Lemke, als Bremen zweimal Meister wurde (…) Zur Zeit, da es sportlich so gut läuft, denkt der Manager über die Zukunftssicherung des abseitig gelegenen Standortes Bremen nach. Das größere, attraktivere Stadion ist ein Baustein, die Umwandlung des Klubs in eine GmbH und Co. KgaA ein nächster. Der Börsengang sei kein Thema – „der Aktienmarkt liegt ja am Boden“ –, aber eine Ausgründung als Kapitalgesellschaft sei sinnvoll. „Es kann nicht sein, daß ein Etat von 40 Millionen Euro von einem Verein verwaltet wird.“ Keine Frage, Klaus Allofs arbeitet daran, sich genauso verdient um den Fußballstandort Bremen zu machen wie einst der „clevere Willi“.“
Jan Christian Müller (FR 26.10.) meint zu den Ambitionen des nordischen Klubs. „Dass der SV Werder aber nach den goldenen 80er und frühen 90er Jahren unter Rehhagel dennoch inzwischen wieder regelmäßig in die Uefa-Cup-Ränge gelangt, verdankt der Klub auch seinem weitsichtigen Nachwuchskonzept (…) Den Unterschied aber machen andere aus, eingekaufte Fachkräfte: Johan Micoud, der ablösefrei aus Parma verpflichtete Franzose, ist nach Ansicht der euphorisierten Fans besser als Frings, eleganter in jedem Fall; der Grieche Charisteas vorgeblich antrittsschneller, kopfballstärker und schussgewaltiger als der zu Bayern München abgewanderte Claudio Pizarro. Schon reden sie auf den Stehrängen vom „grün-weißen Ballett“.“
Friedhard Teuffel (FAZ 26.10.) über Hertha BSC. „Im Grunde haben die Berliner nämlich zwei Vorbilder. Sie möchten so erfolgreich Fußball spielen wie der FC Bayern München und so gute Verbindungen nach Südamerika haben wie Bayer Leverkusen. Früher war der Beiname der Hertha einmal „alte Dame“, heute wäre der Verein am liebsten eine verspielte brasilianische Señora. Das Maskottchen des Klubs heißt Herthinho, und für diese Saison haben die Berliner den dritten und vierten Brasilianer verpflichtet, Nené und den Weltmeister Luizão. Manager Dieter Hoeneß denkt darüber nach, einen Vertrag mit einem Kooperationspartner in Brasilien zu schließen, um frühzeitig und damit preiswert an die besten Spieler heranzukommen.“
Richard Leipold (FAS 27.10.) porträtiert den Bochumer Paul Freier. „Leistungsträger und Nationalspieler: mit dreiundzwanzig Jahren hat er mehr erreicht als je zuvor ein Profi des VfL Bochum in diesem Alter. Der Trainer, die Kollegen, die Fans – alle überschlagen sich mit Lob für den Rechtsaußen (…) Freier weiß Kunst und Kampf so selbstverständlich, so leichtfüßig zu verbinden, daß der Cheftrainer (Neururer, of) des VfL Bochum ins Schwärmen gerät, obwohl er gern den Eindruck erweckt, als wären in seiner Mannschaft alle gleich wichtig (…) „Ich weiß, wo ich herkomme, ich brauche keinen Luxus“, sagt Freier. Man ist geneigt, ihm auch diesen, in der Wohlstandsgesellschaft Fußball so einstudiert wirkenden Satz zu glauben. Aber auch Freier dürfte es eines Tages schwer fallen, den Verlockungen des großen Geldes zu widerstehen. Beim VfL Bochum ist es Tradition, daß die Besten irgendwann gehen (müssen) – um dem Klub die Lizenz zu sichern und die eigene Chance auf Ruhm und Reichtum zu ergreifen.“
Ausland
Richard Becker (FAZ 29.10.) zur 1:5-Niederlage Athletic Bilbaos. „Schlimmer als das Ergebnis war die Art und Weise, wie es zustande gekommen war. Das muß vor allem einen wie Heynckes wurmen, der Ordnung und Disziplin zu den absoluten Maximen seiner Arbeit zählt. Damit hat er sich in Spanien auf den Stationen Bilbao, Teneriffa und Madrid seinen guten Namen gemacht, um den er jetzt fast schon fürchten muß. Denn von Ordnung und Disziplin ist im Spiel von Athletic derzeit nichts zu spüren und zu sehen (…) Was derzeit Athletic Bilbao fast noch härter trifft als der Abstiegsplatz, ist die führende Position des ewigen baskischen Rivalen Real Sociedad San Sebastián.“
Birgit Schönau (SZ 29.10.) über das hitzige römische Stadt-Derby. „Der passive Fußball, das sagen die Experten, diene der Entladung von Stress und Aggressionen. Weswegen allwöchentlich Heerscharen von Männern und ein paar Frauen in die Stadien strömen, auf dass sie sich auf den Rängen austoben und als friedfertige Menschen nach Hause gehen. Es sei denn, eine Niederlage in den letzten fünf Minuten hat zur neuerlichen Ausschüttung von Stresshormonen geführt, was wiederum der vor dem Stadion wartenden Polizei gehörige Arbeit bescheren kann. In Rom, wo man vor vielen tausend Jahren die Volksbelustigung großen Stils erfand, kann man die kollektive Katharsis heutzutage täglich im Straßenverkehr und – sehr viel weniger gefährlich für Leib und Leben – zweimal pro Jahr beim Derby verfolgen. Diesen Sonntagabend gab es, im selbstverständlich ausverkauften Olympiastadion, Lazio – Roma zu sehen; der römische Zweikampf endete 2:2.“
Birgit Schönau (SZ 28.10.) über den 3:2-Sieg Chievo Veronas über den AC Milan. „Chievo, das Dreamteam der Fußball-Romantiker, die Rache des ursprünglichen Fußballs an den Milans dieser Welt, war nach dem Höhenflug der vergangenen Saison ziemlich unsanft auf dem harten Boden der Provinzler- Wirklichkeit gelandet. Der rasante Kombinationsfußball, das atemberaubende Flügelspiel, das reibungslos funktionierende Kollektiv – alles so selten wie die fliegenden Esel, für die sie sich in Chievo so gern halten. Bis es am Samstag gegen die neuen Himmelsstürmer der Serie A ging, den AC Mailand. Nur zwei Tore hatte Milan bislang kassiert, dafür 17 erzielt, war von Sieg zu Sieg an die Tabellenspitze geflogen, nicht ohne nebenher die vorzeitige Qualifikation in die Zwischenrunde der Champions League zu erledigen, auf Kosten der Bayern. In Verona waren die Helden aus Mailand müde und Chievo spielte derart auf, dass ihnen endgültig Hören und Sehen verging.“
Dirk Schümer (FAZ 28.10.) über den Auftritt Oliver Bierhoffs. „”Finire in bellezza “ – in Schönheit abschließen –, so lautete das sehr italienische Motto des inzwischen 34 Jahre alten Ästheten. Er meinte damit freilich seine Fußballkunst und nicht so sehr die bleibende Erscheinung, die er im Stile eines Dressman auf der persönlichen Internetseite präsentiert: frisch geföhnt, lächelnd auf einer Parkbank. Der Wechsel von AS Monaco zum italienischen Underdog bescherte ihm dann allerdings nicht einmal den ersehnten Stammplatz, sondern auch hier eine Bank, nämlich die für Ersatzspieler reservierte (…) Trotz des Sieges bleibt zweifelhaft, ob diese Spielzeit viele Erfolgserlebnisse für Bierhoff, der bei Chievo auf einen guten Teil seiner Bezüge verzichten muß, bereithält. Die Himmelsstürmer, die ein mittelständischer Kuchenfabrikant in die Serie A hochbrachte, mußten im Uefa-Pokal bereits ihre erste große Enttäuschung verkraften und schieden sogleich daheim gegen Roter Stern Belgrad aus. Wie sein deutscher Kollege Carsten Jancker, der von Bayern München zum friaulanischen Provinzklub nach Udine wechselte, ist Bierhoff nicht mehr der gefeierte Zugvogel früherer Italientage, sondern ein in Frage gestellter Stürmer, der sich auch bei einem kleinen Verein mühselig gegen Jüngere durchsetzen muß. Nicht einmal seine Standard-Rückennummer 20 war für ihn frei. Bierhoff spielt als 21. Mann, fast ein wenig abseits vom umtriebigen Vereinsgeschehen – ein geschätztes, aber für die Zukunft des Klubs nicht mehr maßgebliches Auslaufmodell. Ob er sich das so vorgestellt hat? Bei den Italienern, die ihn bei Ascoli und Udinese in unteren Ligen beginnen und dann eindrucksvoll in die höchsten Sphären stürmen sahen, genießt er noch immer eine beachtliche Wertschätzung. Die renommierte Tageszeitung Corriere della Sera rühmte erst jüngst in einem Leitartikel über die kränkelnde deutsche Wirtschaft den strebsamen und klugen Universitätsabsolventen Bierhoff als leuchtende Ausnahme.“
Peter Hartmann (NZZ 29.10.) beschreibt den Tabellenführer der Serie A. „Die hoch bezahlte Squadra, die ihren einzigen wirklichen Star, den bizarren Ronaldo, los geworden ist, tritt auf wie eine Handwerkerbrigade ohne klare Order und Arbeitsordnung. Sie kämpft, packt und tritt zu, sie beisst und kratzt, aber ein Publikumsvergnügen ist das nicht. Hector Cuper, der von Spiel zu Spiel die Aufstellung wechselt und zwischen Dreier-Abwehrkette mit Fünfer- Mittelfeld und herkömmlichem 4:4:2-System hin- und herspringt, ist der am harschesten kritisierte Trainer Italiens. Doch Inter bleibt in der Serie A nach sechs Runden auf der Flucht nach vorn und liegt nach dem mühsam erackerten 2:0-Sieg gegen Bologna drei Punkte vor dem Stadtrivalen AC Milan in Front.“
Über die neue Aufgabe von Christoph Daum in Wien heißt es bei Josef Kelnberger (SZ 26.10.). „Ob er noch das alte Feuer hat? Ein fußballerisches Modell für ein modernes Österreich soll er in diesem Käfig erschaffen, für ein Österreich, das sich, politisch, jetzt schon lustig macht über das rot-grüne Deutschland und seine Schulden, das Karriere machen will in Europa. Das sei doch wohl zu dick aufgetragen, diese Analogie, wird Daum später sagen. Aber das ist es keine Spur. Seinen Auftraggebern ist die Mission bitterernst (…) Austria Wien soll zu einer österreichischen Version von Bayern München werden, und Österreich im Jahr 2010 Weltmeister. Deshalb finanziert Stronach nicht nur Austria, sondern subventioniert auch die halbe österreichische Liga, baute außerdem für viel Geld ein Ausbildungszentrum in der Nähe von Wien.“
„Rapid unterliegt der Austria und kämpft gegen Matthäus“ SZ
Vereinsportrait Excelsior Rotterdam NZZ
„Polens Fußball im Würgegriff der Hooligans“ NZZ
Europäischer Fußball: Resultate – Torschützen – Tabellen NZZ
„Die Uefa unterstützt eine Aktionswoche gegen fremdenfeindliche Übergriffe auf dem Platz und auf den Rängen“ SZ
Eine erneute Pleite setzte es für die Gunners aus dem Londoner Norden, diesmal gegen die Rovers aus Blackburn. Als zweifacher Torschütze durfte sich dabei Arsenals Edu eintragen: In der 6. Minute als Schütze eines Eigentores und in der 45. Minute als Schütze des Ausgleich. Brat Friedel, Blackburns US amerikanischer Torhüter und der Schütze zum 1:2, Dwight Yorke waren allerdings die Garanten für den Sieg in Highbury. Spielbericht
In der Times beteuerte Arsene Wenger, Arsenal befinde sich in keiner Krise.
Im Duell der Tabellennachbarn konnte sich Southhampton gegen Fulham durchsetzen, nachdem Southhamptons Stürmer James Beattie durch einen Hattrick die 0:2 Fürhung von Fulham in eine 3:2 Führung umwandeln konnte. Näheres
Liverpool vs. Tottenham 2:1
Im Spitzenspiel des Spieltages konnte Liverpool durch einen 2:1 Sieg in Anfield seine Tabellenführung behaupten. Matchwinner war einmal mehr Michael Owen, der durch einen Elfmeter Treffer in der 86. Minute den Sieg für die Reds sicherte. Mehr
Manchester United vs Aston Villa 1:1
Einen Dämpfer erhielt ManU gegen das Team aus Birmingham, nachdem der Schwede Mellberg Villa in der 35. Minute in Führung brachte und Old Trafford bis zur 77 Minute warten mußte, ehe Forlan für United den Ausgleich erzielte. mehr
Scottish Premier-League
Motherwell vs. Livingston
Im Duell der Tabellennachbarn feierte Livingston im Fir Park einen Kantersieg. Durch den zweiten Erfolg nacheinander bestätigte Livingston damit den Aufwärtstrend, Motherwell hingegen konnte nach dem Sieg gegen Celtic nun schon sechs Spiele in Folge nicht für sich entscheiden. mehr
Rangers vs. Kilmarnock 6:1
Einen weiteren Kantersieg feierten die Rangers in im Ibrox Park durch das 6:1 gegen Kilmarnock. Das Ergebnis hätte noch viel höher ausfallen können
Zweite Liga
Jens Kirschneck (FR 26.10.) über den Zweitligaklub LR Ahlen. „Fast zu rasant verlief der Aufstieg des altehrwürdigen, aber maroden westfälischen Bergmannsklubs TuS Ahlen, nachdem sich der Kosmetikunternehmer und Selfmade-Millionär Helmut Spikker Anfang der 90er Jahre seiner angenommen hatte. Spätestens die Fusion mit zwei kleineren örtlichen Vereinen und die Umbenennung in LR (Leichtathletik- und Rasensport) Ahlen – praktischer Weise auch der Name von Spikkers Firma LR-International – etablierte eine bis dato unbekannte Art der Verknüpfung von Sport und Sponsoring und ließ manchen klammen Traditionsklub vor Neid erblassen. Heute befindet sich Ahlen bereits in seinem dritten Zweitliga-Jahr, doch nach einem guten Saisonstart mit zwei Siegen in den ersten beiden Partien geht inzwischen die Angst um (…) Besonders stolz war man im Umfeld des Vereins auf die Verpflichtung des Leverkusener Talents Michael Zepek – einer, an dem selbst Juventus Turin oder Real Madrid mal Interesse gehabt hatten, so raunten die Ahlener Fans, müsste doch als Erfolgsgarant für LR eine Bank sein. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Zepek erwies sich als solider Zweitligaakteur, nicht mehr und nicht weniger. Angesichts der Tatsache, dass der talentierte 21-Jährige sich in Leverkusen nicht hatte durchsetzen können, konnte dies auch keine wirkliche Überraschung sein. Dass LR Ahlen sich die Dienste von U 21-Nationalspielern wie Zepek und dem früheren Schalker Christian Mikolajczak gesichert hat, ist Teil einer langfristigen Strategie, die auf junge Spieler und systemorientierten Fußball setzt, und mit der „in vier bis fünf Jahren“ (Trainer Rapolder) der Sprung in die Bundesliga geschafft werden soll. Von einem Aufstieg bereits in dieser Saison, das zur Ehrenrettung, hatte im Verein selbst niemand gesprochen. Dass es aber so schlecht laufen würde, damit hatte auch keiner gerechnet.“
Im Rahmen der Verpflichtung von Uwe Reinders (neuer Trainer bei Eintracht Braunschweig) erinnert Jan Christian Müller (FR 26.10.) an „dessen Nationalmannschaftskarriere kaum begonnen hatte, als sie schon wieder beendet war: Reinders zog sich beim Tischtennisspielen im spanischen WM-Camp der Nationalmannschaft unter Jupp Derwall einen Kreuzbandriss zu. Der Hallodri hatte sich im Kreis der neuen Kameraden wegen seiner geselligen Art schnell eingelebt. Dass er es vor 20 Jahren überhaupt geschafft hat, in letzter Minute noch für Derwalls Kader nominiert zu werden, verdankt Reinders seinem sonnigen Gemüt. Es war die Zeit, als der Stürmer wegen seiner hohen Spielschulden keinen Einlass mehr in die norddeutschen Spielcasinos erlangte, als er sich also in einer persönlich tiefen Krise befand, die manch anderen auch sportlich in die Tiefe gezogen hätte. Zocker Reinders aber spielte statt dessen den Fußball seines Lebens – und verdiente bald darauf in Bordeaux genug Geld, um seine Finanzen wieder zu sortieren.“
Christoph Ruf (taz 26.10.) erläutert das Renommee der Niedersachsen. „Mancher, der heute in der Kurve steht, war noch nicht geboren, als Zebecs Leber die dort gereichten Getränke endgültig zum Verhängnis wurden. Und dennoch strahlt die Vergangenheit der Eintracht mehr Anziehungskraft aus als die vergleichsweise glänzende Gegenwart der unmittelbaren Konkurrenz. Dass die Eintracht trotz jahrelanger Agonie der beliebteste Verein zwischen Magdeburg und Hannover geblieben ist, lehrte die Nachbarn aus Wolfsburg bereits das Fürchten, als der Zuschauermagnet noch zwei Ligen unter den Grün-Weißen gegen Aue und Verl kickte. Auch im neunten Jahr der Drittklassigkeit passierten in der zurückliegenden Saison im Schnitt 11.922 Fans die Stadiontore – das Bundesliga-Team aus der VW-Stadt lockte gerade einmal 800 Zuschauer mehr an. An solch kleine Triumphe klammert man sich derzeit in Braunschweig. Trotz der gewaltigen Zuschauerzuspruchs wird es jedoch auch der neue Trainer Uwe Reinders schwer haben, ein Team zu formen, das bei der erforderlichen Aufholjagd bestehen kann.“
Jörg Marwedel (SZ 28.10.). „Früher, als den FC St. Pauli noch ein „negatives Vereinskapital“ von etlichen Millionen Mark drückte, wurde eine Mitgliederversammlung schon mal im schrägen Kulturtempel „Schmidts Tivoli“ auf der Reeperbahn abgehalten. Bei dem einen oder anderen Gläschen Bier tröstete das warme, plüschige Ambiente über die Sorgen des permanenten Existenzkampfes hinweg. Inzwischen präsentiert sich der Klub auf anderer Bühne. Kühl wirkt der Saal 2 im Hamburger Congress Centrum, wie geschaffen für die Betriebsversammlung einer größeren Firma. Das Bier ist alkoholfrei. Und als Präsident Reenald Koch am Freitagabend die 1226 erschienenen Mitglieder begrüßt, tut er das als Vorsitzender eines Klubs, der sich, so Koch, „vom Armenhaus der Liga“ in ein „gesundes mittelständisches Unternehmen“ verwandelt hat (…) Die neuen Zeiten passen nicht allen. Die Abteilung Fördernde Mitglieder (AFM) hat gleich acht Abwahlanträge gegen Präsident Koch eingebracht. Beim „etwas anderen Klub“ wird über Grabenkämpfe, Indiskretionen, Schlammschlachten und „Machenschaften“ gestritten. „AFM – Abteilung für Meuterei“, zischt einer. Und als AFM-Chef Holger Scharf ein Mitglied, das ihn unter Gejohle als „Lügner“ und „Selbstdarsteller“ brandmarkte, nicht ausreden lässt, wird ihm von Versammlungsleiter Karsten Marschner kurzerhand das Mikrofon abgedreht (…) Dem St.Pauli-Theater ging es noch nie so gut, nur das Programm war schon viel besser.“
Oke Göttlich (FR 29.10). „Am Ende spielte ein Schifferklavier zur Verabschiedung des Ehrenrats-Vorsitzenden Harald Stender. Da sangen sie davon, dass der FC St. Pauli niemals untergehen wird. Das mag wahr sein, ist aber nicht sicher, zumindest dann nicht, wenn die Jahreshauptversammlungen des Kiezklubs auch in Zukunft eine ähnliche Niveau-Untergrenze erreichen wie jene vom Freitag. Die endete damit, dass der Versammlungsleiter sich gezwungen sah, das verbale Hauen und Stechen vorzeitig zu beenden. Zum eigentlich spannendsten Zeitpunkt.“
Weiteres
Sehr lesenswert das Boris-Becker-Portrait von Christian Eichler (FAZ 25.10.). „Oft war vor dem Prozeß die Frage diskutiert worden, ob ein Becker vor Gericht einen „Promi-Bonus“ erhielte (oder eher einen „Malus“). Solche Diskussionen sind die Folge falscher Lektüre: zuviel Klatschpresse, zuwenig Grundgesetz. Dieses sagt in Artikel drei: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Und ebenso deutlich in Artikel zwei: Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Ohne ihn nun tragisch überbewerten zu wollen: Der Fall Becker erlaubt manchen Denkanstoß über die schwierige Sache mit der Gleichheit und der Freiheit. Eine unterhaltungslustige Gesellschaft, die ihrem jungen, unvergleichlichen Idol immer so nah wie möglich sein wollte, so nah, daß ihm oft kaum noch ein Freiraum fürs Private blieb, fürs Ungestörte, das eine Voraussetzung für die verfassungsmäßige Entfaltung der Persönlichkeit ist – dieselbe Gesellschaft geht auf das nicht mehr so junge Idol, wenn es erst ein gescheiterter Held ist, auf brutale Distanz. Im Gedränge der Fotografen im Saal A 101 des Münchner Landgerichts wirkte Boris Becker bei Prozeßbeginn am Mittwoch wie im Käfig, gleichzeitig bedrängt und isoliert, beglotzt wie ein erlegtes Tier (…) Auf dem Gipfel der Vergöttlichung wird Sportlern die Illusion vermittelt, daß sie alles machen könnten, und alles wäre gut. In dieser Phase der öffentlichen Vernarrtheit, ja Verliebtheit in eine Figur erscheint noch jeder Fehler als Charakterstärke, jede Dummheit als folgenlos. Später, wenn die Emotion, die Faszination schwindet, steht ein großer Teil des Publikums kühler, nüchterner, mancher bald gleichgültig, mancher gar hämisch, andere mit der Bitterkeit enttäuschter Liebe vor dem öffentlichen Menschen und seiner öffentlichen Kehrseite. Auch Boris Becker, mit siebzehn die größte Sensation der deutschen Sportgeschichte, verfiel der großen Illusion, daß er immer alles tun könnte und es gut würde oder wenigstens folgenlos bliebe. Nun, mit zweimal siebzehn, ist er in der Lebensphase angelangt, in der die Rechnungen kommen. Er wird sie begleichen. Vielleicht wird er für die Deutschen dann sogar irgendwann ein ganz normaler früherer Sportler sein: Weißt du noch, damals in Wimbledon? Aber sehr wahrscheinlich ist das nicht.“
Friedhard Teuffel (FAZ 26.10.) betreibt Sozialwissenschaft. „Türkische Mädchen sind im organisierten Sport fast nicht zu finden. Vielleicht zeigt das Verhältnis zwischen türkischen Mädchen und dem Sport wie kaum ein anderes die Probleme, die dieses Land mit der Integration ihrer Zuwanderer hat. Es legt offen, welche Parallelgesellschaften bestehen und wie schwierig es ist, kulturelle Barrieren zu überwinden. Nach einer Studie des Sportwissenschaftlers Professor Klaus-Peter Brinkhoff aus den neunziger Jahren waren achtzig Prozent aller türkischen Mädchen noch nie Mitglied in einem Sportverein. In Berlin leben mehr als elftausend türkische Mädchen, die zwischen sechs und siebzehn Jahre alt sind, fünftausend von ihnen wohnen in den Stadtteilen Neukölln und Kreuzberg. Manchmal melden die Verbände eine Kuriosität, etwa eine Fußballmannschaft in Berlin, in der nur türkische Mädchen spielen. Doch solche Erfolge sind selten. Die Fußballmannschaft hat sich schon wieder aufgelöst. Muß sich der Sport deshalb Vorwürfe gefallen lassen? Sind Vereine nicht bereit oder fähig zur Integration, sind Übungsleiter auch in multikulturellen Stadtvierteln nicht auf andere kulturelle Hintergründe vorbereitet? Oder liegt es doch an den Mädchen selbst, an ihren Familien, ihrer Kultur, ihrer Religion? In der Tat berufen sich viele muslimische Familien auf den Koran, wenn sie ihre Töchter von Sportvereinen und sogar vom Schulsport fernhalten (…) In den türkischen Familien gibt es zwar keine grundsätzlichen Vorbehalte gegenüber dem Sport. Gerade die Söhne dürfen ohne weiteres zum Fußball gehen. Doch Sport ist kein Wert an sich. Türkische Familien lernen Sport nicht als Spaß an der Bewegung kennen, als sozial verbindendes Element, als Gesundheitsförderung. Sportangebote für Mädchen gibt es in der Türkei nur in großen Städten. Türkische Mädchen wachsen meist in einem behüteten Umfeld auf, ohne annähernd die Entfaltungsmöglichkeiten der Jungen zu haben. Den Familien sei der Sport suspekt mit all den Körperkontakten und dem gemeinsamen Duschen. Auch an liberaler eingestellte türkische Familien komme sie kaum heran, um die Tochter zum Sport zurückzuholen.“
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