Ballschrank
Themen heute
Kommentare deaktiviert für Themen heute
| Donnerstag, 25. März 2004
Themen heute: Reformeifer in Italien – spanischer Tabellenfürer San Sebastian mit erster Saisonniederlage – Ärger in Leeds – Mauerblümchen Klub-WM u.a.
Europas Fußball vom Wochenende: Ergebnisse – Torschützen – Tabellen NZZ
Italien
Reinhard Sogl (FR 1.2.) schreibt über die Reformvorhaben der Serie A. „Radikale Reformpläne sind immer ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Not über die Maßen groß ist. Jetzt ist der italienische Fußball mit seinem Latein so weit am Ende, dass sich zumindest einzelne Vertreter darbender Vereine mal wieder des US-Systems erinnern. In Amiland gibt es in jeder der vier Spielsportarten eigentlich nur eine echte Profiliga, aufgeteilt in mehrere Divisionen. Und sportliche Absteiger gibt es auch nicht. Solche geschlossenen Gesellschaften haben Vorteile. So haben die Sport-Unterhaltungsfirmen eine gewisse Planungssicherheit, weil das Damoklesschwert des Abstiegs nicht über ihnen schwebt. Was wären die Frankfurter Eintracht respektive der potenzielle Investor fürs Waldstadion oder der 1. FC Kaiserslautern froh, könnten sie bei Bau oder Umbau der Arenen auf dauerhafte Erstklassigkeit der örtlichen Fußball-Klubs bauen. Ist ja schließlich nicht jeder Allianz versichert wie die Münchner Konkurrenz (…) Dass US-Verhältnisse im alten Europa nicht allein seelig machend sind, sollten sich auch die italienischen Radikalreformer hinter die Ohren schreiben. Sich an NFL oder NBA zu orientieren, würde auch den Verzicht auf egoistische Einkaufspolitik bedeuten, weil eine gewisse Chancengleichheit Basis der US-Ligen ist. Zudem lassen sich trotz neokapitalistischer Zustände im Sport des Alten Kontinents Traditionen nicht so einfach auf dem Altar des Shareholder value opfern. Bei der Suche nach dem Weg aus der Schuldenfalle sollten Italiener und demnächst gewiss auch Kollegen anderer Länder daran denken, dass auch im US-Sport Pleiten an der Tagesordnung sind. Ausgabenreduzierung fängt nicht bei einer Ligareform, sondern bei der Kürzung von Spielergehältern und Ablösesummen an.“
Peter Hartmann (NZZ 4.2.) berichtet von weiteren Innovationsgedanken in Italien. „Mit dem Verschwinden des Südens von der Fussballlandkarte hat sich letzte Woche auch die Lega befasst und ein Projekt ins Auge gefasst, das nach „sofortiger Einweisung in psychiatrische Behandlung“ (Gazzetta dello Sport) seiner Urheber ruft. Die Serie-B-Klub-Präsidenten Cellino (Cagliari) und Spinelli (Livorno) möchten die Serie A von 18 auf 40 Klubs erweitern, unterteilt in zwei Gruppen mit Play-offs, und sie scheinen Unterstützung zu finden. Hintergrund dieses verzweifelten Rezepts einer Fusion von Serie A und Serie B: Die Serie B ist pleite. Momentan zahlen noch drei Klubs Saläre aus. Laut einem Abkommen von 1997 entrichtet die Serie A (die damals noch als reich galt) an die 20 Klubs der Serie B eine feste Ausgleichszahlung in der Höhe von 160 Millionen Franken, die aus den Mitteln des Fussball-Totos abgezweigt werden. Doch der Gewinn des Wettbetriebs ist auf weniger als 20 Prozent zusammengeschmolzen, das Geld für die Subvention schlicht nicht mehr vorhanden. Eine realistische Überlebenschance für die Serie B wäre das Splitting in zwei regionale Gruppen Nord und Süd. Damit hätte der Süden auch eine ständige Vertretung in der Serie A garantiert. Die Parole im Calcio, der insgesamt mit 1,5 Milliarden Euro verschuldet ist, heisst ab sofort: Rette sich, wer kann. Das Ergebnis könnte eine autonome Premier League nach englischem Muster sein, ohne das Kreuz des Südens.“
England
Die Lage in Leeds kommentiert Martin Pütter (NZZ 4.2.). „Am Wochenende war in Leeds Erleichterung spürbar – weniger über die 0:2-Niederlage der United am Samstagnachmittag gegen Everton als vielmehr wegen der Ereignisse ausserhalb des Spielfelds. Am Freitag um Mitternacht wurde das Transferfenster geschlossen, und am Sonntagabend gab Terry Venables bekannt, dass er seinen Job als Trainer von Leeds United erfüllen werde – zumindest bis zum Ende der Saison. Für den Klub, der vor knapp zwei Jahren die Halbfinals der Champions League erreicht hatte, bedeutete dies zweierlei: Einerseits war damit der Winterschlussverkauf beendet, den der Vorstand zur Deckung der Schulden von über 80 Millionen Pfund (180 Millionen Franken) gestartet hatte, und andererseits blieb der Mann, der als letzte Hoffnung für eine Wende zum Besseren betrachtet wird. Letzter Punkt ist besonders bemerkenswert: Vor rund drei Monaten noch war Terry Venables der Buhmann der Fans, nachdem die Mannschaft nach einer Serie schlechter Resultate in der Tabelle abgerutscht war. Aber da waren die Ausmasse der Probleme hinter den Kulissen und das schlechte Management durch den Chairman Peter Ridsdale noch nicht bekannt. Der Trainer, aber noch vielmehr die Fans sind ungemein sauer auf Ridsdale. Entsprechend wagte er sich in den letzten Tagen nur noch mit Bodyguards an die Öffentlichkeit. Aber immer mehr stellt sich heraus, dass der Mann, der sch vor zwei, drei Jahren noch in der Öffentlichkeit sonnte (und deswegen den Spitznamen „Publicity Pete” erhielt), mehr Anteil am bescheidenen Rendement von Leeds United hat, als er bisher zugab und zugeben wird. Sein krassester Fehler: Er liess Venables, Spieler, Fans und Medien im Dunkeln darüber, wie es um die Situation im Verein wirklich bestellt ist. Letzten Sommer versprach Ridsdale seinem neuen Trainer, der als Nachfolger für den entlassenen David O‘Leary verpflichtet worden war, dass die Mannschaft zusammenbleibe und Rio Ferdinand nicht abgegeben werde. Wenige Wochen später wechselte der englische Nationalverteidiger für 30 Millionen Pfund zum Rivalen Manchester United. In den darauf folgenden Monaten stand dann vor allem Terry Venables im Kreuzfeuer der Kritik, doch mit der Jahreswende änderte sich dies gewaltig.“
Spanien
Georg Bucher (NZZ 4.2.). „Racing Santander hat nie so viele Schlagzeilen geschrieben wie in den letzten Wochen. Das Medienecho verdankt der kantabrische Traditionsklub einem 1963 in Odessa geborenen Selfmademan, der 14-jährig aus der Ukraine nach Amerika ausgewandert und mit Immobiliengeschäften vermögend geworden war: Dimitri Pieterman. Racings Schulden beliefen sich auf über 50 Prozent des Sozialkapitals, es drohte die Auflösung, weil kein Direktionsmitglied für einen dringend benötigten 12-Millionen-Euro-Kredit bürgen wollte. Pieterman übernahm schliesslich für 1,8 Millionen Euro 24,6 Prozent Aktien der Sociedad Deportiva Anonima und leistete zusammen mit dem früheren Präsidenten Santiago Diaz eine Bürgschaft bei der Caja Cantabria. Auch das Unternehmen Numa im Besitz der Supermarktkette Lupa erwarb ein Zehntel Anteile. Die Verbindungen des Mehrheitsaktionärs nach Santander reichen ins Jahr 1992 zurück. Pieterman bereitete sich damals als Dreispringer auf die Olympischen Spiele vor, wurde aber nicht für Barcelona nominiert. Später kaufte er Hotels an der Costa Brava und 1999 den viertklassigen, auf diese Saison promovierten Fussballklub Palamos. Als Präsident, Co- und Konditionstrainer vereinigte er dort die gleiche Machtfülle wie jetzt in Santander auf sich. Der Ausbildner Manuel Preciado und der Technische Direktor Quique Setien, ein Racing-Mythos, traten nach Gesprächen mit dem Chairman zurück. Umgehend wurden aus Palamos der neue Trainer Jesus Cos und vier Spieler eingeflogen. Dass “Chuchi” Cos allenfalls ein Strohmann ist, sah man schon am vorletzten Sonntag in Pamplona. Pieterman, der keine Trainerlizenz besitzt, war als Photograph akkreditiert und gab neben der Bank Anweisungen. Sein Erfolgsrezept, ein museal anmutendes 4:2:4-System, hatte allerdings fatale Folgen (1:3). Mangels Unterstützung aus dem Mittelfeld geriet Racings vorgezogene Abwehrreihe ständig in Verlegenheit, Osasuna hätte auch einen Kantersieg landen können. Kein Grund, die Maximen in Frage zu stellen, will sich Pieterman doch Zeit nehmen und mittelfristig die Champions League anvisieren, obschon der gut in die Saison gestartete Aufsteigerklub in diesem Jahr noch sieglos ist und um den Klassenerhalt bangen muss. Es geht vor allem um positive Stimmungen. Also wurde das Training am Sardinero-Strand vom Vorturner Pieterman vor zahlreichen Schaulustigen und Fernsehkameras als Event zelebriert und den verdutzten Presseleuten hinterher mitgeteilt, man wolle Romario von Fluminense verpflichten (…) Während die Trainervereinigung gegen das neue Feindbild giftet, Medien eine Amerikanisierung des spanischen Fussballs als Schreckensszenario ausmalen und den „Usurpator“ geistesgestört nannten, geniesst Pieterman in Santander einen beträchtlichen Vertrauensvorschuss – notabene als Retter jenes Klubs, der hinsichtlich Trikotwerbung, Fernsehübertragung von Fussballspielen und Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft die Vorreiterrolle auf der Peninsula gespielt hatte.“
Das baskische DuellAthletic Bilbao – Real Sociedad San Sebastian (3:0) taz (I) taz (II)
Weiteres
Wolfgang Hettfleisch (FR 1.2.) kritisiert das Festhalten des Fifa-Präsidenten Blatter an der Klub-WM. „Es ist zunächst nicht recht auszumachen, was sich der Fifa-Boss von einem Vorhaben verspricht, das auf erbitterten Widerstand der europäischen Topclubs trifft. Womöglich kann die Fifa Arsenal, Milan, Real oder die Bayern unter Androhung von Geldstrafen zwingen, beim Turnier der vorgeblich besten Vereinsmannschaften der Welt anzutreten. Doch so weit, um zu gewährleisten, dass besagte Clubs ihre Stars auflaufen lassen, reicht nicht mal der lange Arm des mächtigen Mannes aus dem Wallis. Warum also das Beharren auf der Kopfgeburt, die in Europa weithin Unverständnis hervorruft? Nun, man könnte es mit einer gesunden Portion Missgunst erklären. Neid auf den Europäischen Fußballbund Uefa und dessen Gelddruckmaschine: die Champions League. Der Wettbewerb hat – ungeachtet der bisweilen berechtigen Kritik am mehrfach geänderten Modus – international Maßstäbe gesetzt. In sportlicher wie ökonomischer Hinsicht. Als Real Madrid vorigen Mai in Glasgow Bayer Leverkusen bezwang und den begehrtesten Pott im europäischen Vereinsfußball gewann, sah die Welt zu; als die Corinthians Sao Paulo im Finale der ersten und letzten Club-WM im Januar 2000 im Maracana-Stadion von Rio Vasco da Gama im Elfmeterschießen niederrang, juckte das außerhalb der Grenzen Brasiliens kein Schwein.“
Gewinnspiel für Experten