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Rüssmann entlassen, Kahn in Spanien, Baisse in Leeds
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| Donnerstag, 25. März 2004Rüssmann entlassen – Ozeanien mit festem WM-Startplatz – Homosexualität und Fußball – Kahn in Spanien – Baisse in Leeds – Quadratschädel
„Der VfB Stuttgart ist die Überraschung der Saison – auch in der Winterpause“, lesen wir von Michael Horeni (FAZ 20.12.) bezüglich der Trennung des Vereins von Manager Rolf Rüssmann. „Wer derart unpopulistisch entscheidet, muß schon gute Gründe haben, um die Basis nicht nachhaltig zu verärgern. Denn was in die fußballtechnische Bilanz des westfälischen Managers im Schwabenland fällt, kann sich allemal sehen lassen: Die Mannschaft erreichte über den langen Umweg UI-Cup das Achtelfinale des Uefa-Pokals, in der Bundesliga überwintert der VfB auf Rang fünf, mit jungen Spielern wie Torjäger Kevin Kuranyi glaubt Rudi Völler sogar bald die Nationalmannschaft zu stärken – und nicht zuletzt haben die Fans in Stuttgart den Fußball und den VfB für sich wiederentdeckt. Jetzt ist vor allem von dürftigen Konzepten, mangelnder Teamarbeit und fehlender Kommunikation die Rede. Die Begründungen für die Entlassungen sind einzeln betrachtet zwar nicht gerade spektakulär, aber in der Summe dennoch stark genug, wenn dadurch das Vertrauensverhältnis Schaden genommen hat. Rüssmann fehlte es zudem an starkem Rückhalt auch bei Felix Magath, der sich vom Manager längst emanzipiert hat und mittlerweile als Erfolgstrainer fast allein im Glanze steht – zudem wird es dem Einzelgänger Magath sicher gut gefallen, seinen Einfluß beim VfB ohne Rüssmann fürs erste noch ein bißchen weiter steigern zu können.“
Martin Hägele (SZ 20.12.) meint dazu. „Damit holt ihn sein beruflicher Werdegang ein: der 52-Jährige hat beim VfB Stuttgart ähnliche Fehler gemacht wie seinerzeit auf dem Bökelberg. Er riss alles an sich. Er wusste alles besser. Er eröffnete täglich neue Baustellen – doch keine schloss er ab. So verprellte er Mannschaft, Mitarbeiter, Präsidium und Sponsoren – und wurde isoliert. Niemand in der VfB-Zentrale wollte mehr mit ihm arbeiten (…) Rüssmann dürfte sich mit den sportlichen Erfolgen der vergangenen zwei Jahre, vor allem aber mit der Perspektive und dem Image der „Jungen Wilden“ gerechtfertigt haben. Er sieht dies genauso als sein Werk an wie als das von Felix Magath. Und ist es nicht sein Verdienst, dass der Trainer sein Image korrigieren konnte und nun als neue große Figur der Branche dasteht? Rüssmann kann nicht oft genug jene Hilfestellung reklamieren, die ihm an der Entwicklung Magaths zur Trainer-Persönlichkeit zukommt. Man werde seinen Beitrag zur Geschichte des VfB schon noch würdigen, er werde das Haus aufrecht verlassen, er sei letztlich über die vielen Neider gestürzt, er sei ein Opfer der „schwäbischen Seilschaften“ – das ist seine Version zum Abschied. Womit der Westfale nicht falsch liegt. Dass die Klub-Politik in der Loge des Hauptsponsors Debitel gemacht wird, wo ehemalige und gescheiterte Führungskräfte, zum Teil arbeitslose Profis, das große Wort führen dürfen, kann den neuen Aufsichtsräten um Dieter Hundt, die Weltkonzerne oder zumindest gediegene schwäbische Unternehmen repräsentieren, nicht gefallen. Und wenn es kritisch wurde, hat Präsident Manfred Haas höchst selten Flagge gezeigt. Die unangenehmen Aufgaben, vor allen Dingen die unappetitlichen Aufräumarbeiten im Büro seines Vorgängers Gerhard Mayer- Vorfelder, haben Haas und Co. gern dem Präsidiumskollegen Rüssmann überlassen. Weil der unbeleckt von all den MV-Affairen war.“
Von Jürgen Ahäuser (FR 20.12.) lesen wir. „Geblendet von der vermeintlichen eigenen Machtfülle hat Rüssmann offensichtlich übersehen, dass hinter seinem Rücken die Spätzle-Connection des Vereins für Bewegungsspiele bereits die Messer wetzte. Alter Filz, das weiß jeder, der sein Haus renoviert, klebt besonders hartnäckig. In diesem Dunstkreisverschlechterte sich das Verhältnis zum VfB-Boss zunehmend. Zuletzt haben der Manager und der Präsident nur noch über die örtlichen Zeitungen miteinander kommuniziert. Der ehemalige Vorstopper hat es außerdem versäumt, sich mit dem neuen Aufsichtsratschef zu arrangieren. Der Präsident des Arbeitgeberverbandes, Dieter Hundt, hat dem zum Solistentum neigenden Rüssmann nun ein denkbar schlechtes Zeugnis ausgestellt. Trotz – oder gerade wegen – der Ämterhäufung habe der Geschasste weder ein überzeugendes sportliches noch ein brauchbares Marketingkonzept auf den Weg gebracht.“
Andreas Burkert (SZ 20.12.). „Rüssmann hat ganz offensichtlich erneut den Fehler begangen,jede Entscheidung nur mit einer Person abzusprechen: mit sich selbst. Die in der freien Welt umstrittene Regierungsform der Autokratie indes findet inzwischen selbst im traditionellen Machtgewerbe Bundesliga immer weniger Anhänger. Sie richtet nur noch dort Schaden an, wo anstelle Fachpersonals ein fulminantes Kompetenzvakuum wirkt. In Kaiserslautern drohtein solches Nichts eine ganze Region in den Abgrund zu reißen. So weit haben sie es die Stuttgarter wohl nicht kommen lassen wollen. Leider ist ihnen mit Magath nur noch ein Experte verblieben. Rudi Gutendorf, der globetrottende Trainerguru, hat einmal über den jungen Profi Rüssmann gesagt, der habe „Bügeleisen an den Beinen“. Er trägt sie wohl auch anderswo.“
Roland Zorn (FAZ 19.12.) schreibt über die Wahl zum Spieler des Jahres. „Ehrentage sind schon lange nicht mehr die schönsten Feiertage. Gern werden bei dieser Gelegenheit falsche Entscheidungen beklagt oder Gerechtigkeitslücken ausgemacht – so etwa von Motorsportfans oder Michael Schumacher selbst, wenn der Serienweltmeister der Formel 1 bei den Wahlen zu Deutschlands Sportlern des Jahres wieder einmal nicht als Erster am Ziel ist. Am Samstag in Baden-Baden könnte es aufs neue so weit sein, daß der motorisch-notorisch auf der Überholspur heimische Schumi vom Votum deutscher Sportjournalisten ausgebremst wird. Beliebt ist an Wahlabenden auch die ausgezeichnete Gelegenheit, von oben herab schlechte Noten zu verteilen. Dieser Versuchung wollte Kahn in Madrid nicht widerstehen, denn er schien außer auf Ronaldo auch auf den Moment gewartet zu haben, wieder einmal noch mehr Respekt einzufordern. Angeblich, so sieht es der Vielflieger, wird Oliver Kahn im Ausland mehr als in Deutschland geschätzt. Eine Wahrnehmung, die darauf deutet, daß es Spitzensportlern der allerersten Gehalts- und Preisklasse zunehmend schwerfällt, Momente ohne athletischen Beweisdruck zwanglos zu genießen. Daß in Madrid wenigstens der leibhaftige Kahn auftrat, war schon ein Fortschritt. Als der Schlußmann bei der letzten Sportlerwahl im beschaulichen Baden-Baden auf Platz zwei hinter dem Radprofi Erik Zabel landete, grüßte er per Zuschaltung aus einem Hotel auf Mallorca. Und war dabei in guter Gesellschaft, da aus der gesamten Urlauber-Mannschaft des erstplazierten FC Bayern nur der an einem Kreuzbandriß leidende Hasan Salihamidzic an Krücken vorbeigehumpelt kam.“
Walter Haubrich (FAZ 20.12.) war bei der Madrider Jubiläumsfeier. „Nicht nur das Wetter verdarb den Madridern die ganz große Freude an der Jubiläumsfeier. Entgegen dem Versprechen der Fifa, am großen Fußballfest werde sonstwo auf der Welt kein Fußball gespielt, fanden in mehreren Ländern Europas sogar offizielle Spiele statt. Die spanischen Zeitungen schimpfen in ihrem Ärger weiter auf Oliver Kahn, der zu den dummdreisten Witzen des Moderators der Fifa-Gala, des Spaniers Prats, nicht lächeln wollte und Ronaldo dessen Verspätung von einer Stunde zur gemeinsamen Pressekonferenz übelnahm und deshalb zu nächtlicher Stunde die spanische Hauptstadt verließ, um auf Mallorca Golf zu spielen, statt wie versprochen bei der Weltelf im Tor zu stehen. So beklagt sich El País. Dieses Blatt weiß offenbar wenig über den deutschen Torhüter, schreibt seinen Namen falsch und hält ihn für einen geborenen Bayern, der früher bei Borussia Dortmund gespielt habe.“
Ralf Itzel (taz20.12.) berichtet. “Wegen ihrer Kopflastigkeit werden die Deutschen in Spanien gern als cabezas cuadradas , als viereckige Köpfe, verunglimpft. Dieses Bild hat die Sportzeitung Marca für Oliver Kahn bemüht, nachdem der die Hundertjahrfeier Real Madrids umdribbelt hatte. Der Kapitän der DFB-Elf war eigentlich als Torhüter der Weltauswahl eingeplant, die am Mittwochabend gegen die Madrilenen antrat. Doch Kahn hatte schon am Morgen das Weite gesucht. Um acht Uhr bestieg er den Air Europa Flug 9009 Richtung Mallorca, um mit ein paar Kollegen von Bayern München Golf zu spielen. Eine Verletzung wurde als Grund vorgeschoben, in Wahrheit war Kahn die Sache einfach zu blöd geworden. Am Dienstag hatte er den dritten Preis in der Wahl zum Weltfußballer des Jahres erhalten, doch schon die vorgezogene Pressekonferenz nervte. Fünfzig Minuten musste er warten, weil sich Sieger Ronaldo verspätete. Und dann ärgerten ihn auch noch die spanischen Journalisten. Warum sind Sie immer so mürrisch?, wollte einer wissen. Am Abend bei der zähen Preisverleihung stand er dann mit finsterer Mine neben den feixenden Zidane und Ronaldo: die eine Hand in der Hosentasche vergraben, die andere mit dem Pokal Richtung Boden baumelnd. Er sah aus wie einer, der sich spät nachts noch aufraffen muss, den Müll runterzutragen. Real-Legende Emilio Butragueño versuchte später noch, den Fänger zum Bleiben zu bewegen. Vergeblich. So hat sich Kahn in Madrid wieder ein paar Freunde mehr gemacht, die sich schon auf das nächste Gastspiel der Bayern freuen (…) Nach der Partie gab es noch einen Lichtbildvortrag mit Höhepunkten aus der Vereinsgeschichte, durften die 50.000 Zuschauer bis neun zählen (die Anzahl der gewonnenen Europapokale der Landesmeister) und Präsident Florentino Pérez sein Missionarsdenken verbreiten: Die Werte Real Madrids stünden für eine bessere Welt, sagte er. Oder so ähnlich. Fifa-Boss Joseph Blatter wurde pflichtschuldigst ausgepfiffen, und als Reals Ronaldo den goldenen Ball für Europas Fußballer des Jahres entgegennahm, skandierten die Fans den Namen des Teamkollegen und Lokalhelden Raúl. Kurzum: Golfspielen auf Mallorca war klar der bessere Plan“
Sven Astheimer (FR 19.12.) hat erfreuliches zu berichten. „Pisa zum Trotz: Der deutsche Nachwuchs ist international konkurrenzfähig. Anmerkung Nummer eins: Dieses Gütesiegel gilt für Fußball, nicht für Mathematik. Anmerkung Nummer zwei: Es wird dieser Tage häufig von Leuten vergeben, die mit Fug und Recht als befangen bezeichnet werden könnten. So glaubt etwa Bundestrainer Michael Skibbe, dass sich die Lage seit der für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) so katastrophal verlaufenen EM 2000 dramatisch verbessert hat. Ulli Stielike, zuständig für das Team 2006, wollte nach dem unterhaltsamen 3:3 gegen die Schotten in Mainz gar das Fundament für eine Zukunftsvision über den Rasen traben gesehen haben. Und sein Kollege, der ehemalige DFB-Trainer Berti Vogts, meinte ausnahmsweise mal ganz unbescheiden zur deutschen Mannschaft: Er habe so viele Talente gesehen – so schlecht kann ich gar nicht gearbeitet haben. Er scheint also da zu sein, der Aufschwung unter Deutschlands Kicker-Talenten. Er sieht aus wie der Stuttgarter Kevin Kuranyi, wie Benjamin Lauth von den Münchner Löwen und wie Daniel Bierofka aus Leverkusen; oder wie die anderen jungen Himmelsstürmer der Bundesliga-Hinrunde, die irgendwann ihre Chance bekamen und rotzfrech drauflos spielten. Die so erfolgreich den Aufstand der Milchgesichter probten und dabei Alte vom Kaliber des Torschützenkönigs Martin Max auf die Bank verwiesen. Soweit herrscht noch Einigkeit. Aber schon bei der Frage nach den Ursachen des Baby-Booms sind sich die Experten uneins. Für Stielike gab die Pleite beim Bundesliga-Vermarkter Kirchmedia und die damit verbundene Kürzung des Fernsehgeldes den Ausschlag für eine neue Personalpolitik in den Klubs. Wir können Kirch ja dankbar sein. Wer weiß, ob wir sonst heute über diese jungen Spieler reden würden. Für Skibbe dagegen ist die Verjüngungskur der Liga ein Produkt jahrelanger Nachwuchsarbeit in DFB und Vereinen: Die Talente spielen, weil sie die nötige Qualität haben. Und das trotz wachsender ausländischer Konkurrenz. Zumindest letzteres ist klar belegbar. Der deutsche Fußball habe einen gewissen Lernprozess durchgemacht, räumt DFB-Jugendkoordinator Bernd Barutta ein. Man könnte auch sagen, die Entwicklung wurde ein wenig verschlafen. Während die englischen Klubs beispielsweise gegen Ende der 90-er Jahre mit großem finanziellem Aufwand Jugendzentren aufbauten, über die in Spanien der FC Barcelona oder der FC Valencia bereits verfügten, vertraute der DFB noch auf sein Sichtungssystem mit Lehrgängen in Duisburg.“
Uwe Marx (FAZ 19.12.). „Vogts und Deutschland, das ist und bleibt eine verkrampfte Beziehung – besonders, wenn er in Deutschland ist. Angesprochen auf einige hoffnungsvolle Talente in der Mannschaft von Trainer Uli Stielike, sagte er trotzig: So schlecht kann ich also gar nicht gearbeitet haben. So schlecht, wie viele seit seiner Entlassung als Bundestrainer im September 1998 und seinem gescheiterten Engagement bei Bayer Leverkusen sagen, meint er. Vogts demonstriert trotzig, daß er nach einem kurzen Intermezzo als Nationaltrainer Kuweits bei den Schotten jenen Frieden gefunden habe, der ihm in Deutschland verwehrt blieb. Hier wurde zuletzt zwar berichtet, er habe nicht den besten Stand bei den großen Klubs aus Glasgow, den Rangers und Celtic, weil er zu wenig Rücksicht auf deren Interessen nehme. Aber Vogts versichert, das sei alles falsch. Es gebe keinerlei Probleme. Bleibt als einsamer Zeuge also sein Vorgänger Craig Brown, der an ihm eine gewisse Halsstarrigkeit und fehlende Flexibilität kritisiert hatte. Deutlich besser versteht sich Vogts da schon mit seinem Assistenten Tommy Burns, über den er während des Spiels mit seiner Mannschaft kommuniziert: Der Chef sitzt, einen Schal im Schottenmuster um den Hals, neben seinem Freund, früheren Profikollegen und zweiten Assistenten Rainer Bonhof auf der Bank. Burns gibt auf Anweisung am Spielfeldrand die Kommandos. Vogts war immer schon ein Freund der Arbeitsteilung.“
Dem Fußballverband Ozeaniens hat die Fifa nun einen festen WM-Startplatz zugesagt. Alexander Hofmann (FAZ 19.12.) meint dazu. „In Australien traf die frohe Botschaft allerdings einen Sport, der sich im Chaos befindet. Der Präsident ist kürzlich zurückgetreten, weil die Verbandsspitze die dringend notwendigen Reformen nicht absegnen wollte. Zu den Spielern der heimischen Liga kommen kaum noch Zuschauer. Der von ethnischen Konflikten zerrissene Verband ist praktisch pleite. Eine Regierungskommission untersucht dubiose Vorkommnisse. Es bleibt fraglich, ob der WM-Startplatz die als schlafender Riese bezeichnete Sportart endlich zum Leben erwecken wird. Auch in Zukunft werden mit Sicherheit alle Nachwuchstalente nach Europa abwandern, wenn sich ihnen die Gelegenheit bietet. Fußball ist in Australien und Neuseeland in erster Linie immer noch der Sport der eingewanderten Kontinentaleuropäer. Dem größten Teil der angelsächsischen Bevölkerung ist das merkwürdige Spiel immer noch suspekt. Kricket und Rugby dominieren die Schlagzeilen, auch wenn die letzte WM in Japan und Korea für sensationelle Fernseheinschaltquoten sorgte. In manchen Vereinen wird beim Training kaum englisch gesprochen, sondern griechisch, kroatisch oder serbisch. Der frühere DDR-Auswahltrainer Bernd Stange, der zwei Jahre lang den Spitzenclub Perth Glory betreute, bescheinigte selbst den besten Vereinen höchstens unteres Zweitliganiveau. Die australische Nationalmannschaft stellt eine Ausnahme da. Mit ihren erfahrenen Profis aus den europäischen Ligen dürften sie sich kaum blamieren.“
Christoph Biermann (SZ 19.12.). „Offensichtlich ist Homosexualität in den Kurven das letzte Tabu, seitdem die Zahl der rassistischen Beschimpfungen deutlich abgenommen haben. Stephan Meyer-Kohlhoff von den Hertha-Junxx, einem der ersten bekennend homosexuellen Fanklubs in Deutschland, sagt: „Das Wort ‚schwul‘ wird beim Fußball als Platzhalter für alles benutzt, was einem nicht passt.“ Das gilt auch für die Akteure. „Ihr schwulen Säcke, ich bringe euch alle um“, polterte während eines Spiels Achim Steffens, Trainer des 1.FC Magdeburg. Damit Fußball nicht eine der letzten Enklave der Schwulenfeindlichkeit bleibt, hat das Bündnis Aktiver Fußball-Fans (Baff) den weltweit ersten Forderungskatalog gegen sexuelle Diskriminierung und Homophobie im Fußball vorgestellt (…) Inzwischen deutet trotz der laut vorgetragenen Schwulenfeindlichkeit in den Stadien einiges darauf hin, dass auch die letzte Bastion vor dem Fall steht. In diesem Sommer ließ sich David Beckham für das englische Schwulenmagazin Attitude als männliches Pin-Up fotografieren und bekannte: „Mir gefällt es, dass ich männliche Verehrer habe. “ Auch sorgte es für überraschend wenig Wirbel, als in Corny Littmann beim FC St. Pauli erstmals ein offen Homosexueller zum Präsidenten eines deutschen Profiklubs gewählt wurde. Das war vor gut zehn Jahren noch anders, als Littmann in einer Fernsehdiskussion den Kölner Profi Paul Steiner („Schwule sind für Fußball viel zu weich“) damit verblüffte, mit einem seiner Mitspieler im Bett gewesen zu sein. Wer das gewesen sein sollte, behielt Littmann allerdings für sich.“
Ludger Schulze (SZ 19.12.). „Dass die Japaner reizende Gastgeber sind, dürfte – abgesehen von ein paar englischen Hooligans – keinem Besucher der zurückliegenden Fußball-WM entgangen sein. Dieses Lächeln, diese Hilfsbereitschaft, diese Verbeugungen! Jetzt allerdings fangen sie an, etwas zu übertreiben mit der Gastfreundschaft, die Herren von der Gemeindeverwaltung Miyazaki: Nur weil die deutsche Fußball-Nationalmannschaft dort von Ende Mai dieses Jahres bis Mitte Juni ihr Trainingslager absolvierte, hat man ihr dort aus Dankbarkeit ein Denkmal hingestellt (…) Wofür der Aufwand? Weil die Kicker ihre Leibesübungen unter Ausschluss der heimischen Bevölkerung absolvierten? Weil, wie der deutsche Delegationschef Bernd Pfaff bei der Enthüllung überraschend sagte, Miyazaki „die zweite Heimat“ der Nationalelf geworden ist? Weil sie sich damals in einem Hotelturm hermetisch von der Außenwelt abschottete? Da wäre eine Gedenk-Mauer zweck mäßiger gewesen. Und überhaupt, welche Bedeutung haben eigentlich Denkmäler in der Regel? Stellt man sie nicht auf, um an berühmte Leute zu erinnern, die längst das Zeitliche gesegnet haben? Lebendige Leute wollen kein Denkmal sein.“
In Leeds sind viele Träume geplatzt, schreibt Martin Pütter (NZZ 20.12.). „Der Blick ein Jahr zurück: Das „annus horribilis“ mit dem Strafprozess wegen schwerer Körperverletzung gegen die Spieler Lee Bowyer (freigesprochen) und Jonathan Woodgate (sehr milde Strafe) schien sich dem Ende zuzuneigen. Doch 48 Stunden nach der Urteilsverkündigung folgte der nächste Schlag. Der Trainer David O‘Leary veröffentlichte sein Buch „Leeds United on Trial“ (Leeds United auf der Anklagebank), in dem der Ire fast unverhüllt die beiden Spieler kritisierte. Dieses Jahr wurde alles aber nur noch schlimmer. Auf ein sang- und klangloses Ausscheiden im FA-Cup gegen Cardiff City im Januar (verbunden mit Ausschreitungen) folgte im Februar das Out im Uefa-Cup, im März liess O‘Leary die Affäre um Bowyer und Woodgate (der sich einen Monat später den Kiefer brach) nicht ruhen, und im Mai begannen die Transfergerüchte um Rio Ferdinand. Als O‘Leary öffentlich bekannt gab, dass der englische Nationalverteidiger gehen müsse, um die Schulden des Vereins zu senken, war der Ire seinen Job schnell los (worauf er Klage auf Entschädigung einlegte). Venables wurde im Juli sein Nachfolger und erklärte, dass Ferdinand nicht verkäuflich sei – zwei Wochen später war der Abwehrspieler für eine Ablösesumme von 30 Millionen Pfund (71 Mio. Franken) zum Erzfeind Manchester United transferiert. Im August stand Leeds United nach zwei Spielen sogar an der Tabellenspitze, doch von da an ging’s kontinuierlich bergab. Die Spieler selber führen die Gründe für die ungenügenden Leistungen auf die Situation im Hintergrund zurück.“
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