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Ball und Buchstabe | Bundesliga

Wolfsburgs neue Arena, Homosexualität im Fußball

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Wolfsburgs neue Arena, Homosexualität im Fußball

VfL Wolfsburg – VfB Stuttgart 1:2

Jörg Marwedel (SZ 17.12.) resümiert. „Trainer Wolfgang Wolf. Dessen Name passt zwar zur alten Wolfsburger Folklore wie das grüne Halsband zum Dackel. Doch nun, da mit dem Einzug in die neue Arena ein Kapitel beginnt, das von internationalem Glamour und nie erlebten Erfolgen handeln soll, scheint der alte Wolf seine Schuldigkeit getan zu haben. Das wird auch im Aufsichtsrat der VfL Wolfsburg Fußball GmbH längst so gesehen, weshalb die Wahrscheinlichkeit einer Vertragsverlängerung nach dem neuerlichen Rückschlag gegen null tendiert und die Spekulationen wieder zu blühen beginnen; etwa die, dass der schon vor Jahresfrist umworbene Jürgen Röber bald das Kommando übernehmen soll, der wiederum der ambitionierten Berliner Hertha nicht mehr gut genug erschien. Fest steht jedenfalls, dass es den Herrschaften in Wolfsburg nach nun bald fünf Jahren mit Wolf nicht mehr zügig genug vorangeht – wenn es überhaupt vorangeht (…) Gescheitert waren die ungeduldigen Wolfsburger an einem VfB-Ensemble, das trotz seiner Jugend und zunächst ohne seinen grippegeschwächten Regisseur Krassimir Balakov in mittlerweile 34 Saison-Pflichtspielen eine verblüffend ökonomische und abgeklärte Spielweise entwickelt hat.“

Frank Heike (FAZ 17.12.). „Wer das Plakat in der Fanecke für die Meinung einer Minderheit hielt, wurde beim Verlesen der Aufstellung eines Besseren belehrt. Unser Trainer ist . . . , rief der Animateur in sein Mikrophon, und die Antwort war: ein Pfeifkonzert. Ähnliches hatte Wolfgang Wolf schon bei der offiziellen Eröffnung der neuen Volkswagen-Arena am Freitag erleben müssen. Und nun, beim Fußballdebüt in dem wunderschönen Stadion, war das erste, was er beim Blick auf die mit 8.000 Anhängern in Grün und Weiß prall gefüllte Fantribüne sah, ein Bettlaken mit der Aufschrift: Neues Stadion, neuer Trainer. Und das wohlgemerkt vor einem Spiel, das bei positivem Ausgang den VfL auf Rang fünf hätte überwintern lassen. Als die Wolfsburger am Sonntag abend gegen den VfB Stuttgart dann aber 1:2 verloren hatten, wurden die Pfiffe laut und lauter. Beim Aufsichtsrat der VfL Fußball GmbH und beim Geldgeber VW wird man das genau vernommen haben – hier sitzen einige Gegner Wolfs, während Manager Peter Pander ein uneingeschränkter Befürworter des nüchternen, 45 Jahre alten Coachs ist. Andere würden die vielen Mißtöne rund um den seit viereinhalb Jahren hier arbeitenden Trainer vielleicht lässig als Kakophonie bezeichnen, in Sachen Wolf muß man aber sagen: Wahrscheinlich wird im Sommer 2003 ein anderer die sportliche Verantwortung über die Wölfe haben. Nach fünf Jahren an der Aller dürfte es zu einer gütlichen, sauberen Trennung kommen. Aus Wolfs Worten kann man den möglicherweise bevorstehenden Abschied schon heraushören. Fünf Jahre seien eine lange Zeit, sagte er und deutete an, daß eine Vertragsverlängerung auch aus seiner Sicht alles andere als selbstverständlich wäre.“

Frank Heike (FAS 15.12.) skizziert die Perspektiven des Vereins. „In 17 Monaten Bauzeit ist es dem VfL Wolfsburg gelungen, ein wirklich schönes Fußballstadion zu errichten, das den hohen Zielen des Klubs angemessen erscheint, ohne dabei überdimensional zu wirken. Die Zukunft, so will es der Geldgeber Volkswagen, kann nur heißen: Champions League. Neunzig Prozent des Vereinsanteils von 27 Millionen Euro Baukosten kommen über die VfL GmbH aus dem Säckel des Sponsors, der begriffen hat,daß der Fußballverein mit dem VW-Logo auf der Brust eine Marke ist, di den provinziellen Unternehmensstandort in Europa aufwerten könnte. Ausreden wird es ab heute keine mehr geben, denn der Rahmen in der Arena neben Mittellandkanal und Autostadt gibt viel mehr her als das, wofür der VfL bisher stand- solides Mittelmaß vor 15.000 Zuschauern im schrecklichsten Stadion der Liga. Doch nicht nur das Stadion gehört zum ehrgeizigen Businessplan der Wolfsburger. Sie wollen in fünf Jahren die europäische Meisterrunde erreicht haben. Zuerst holte man in Roy Präger ein Bonbon für die Fans zurück. Dann kam der Star. Stefan Effenberg hat dem VfL tatsächlich ein neues Selbstwertgefühl eingeimpft. Nun wehrt sich die seit je heimstarke Mannschaft plötzlich auch auswärts. In der Winterpause werden die Wolfsburg noch einmal nachlegen.“

1. FC Kaiserslautern – Hertha Berlin 2:1

Martin Hägele (SZ 17.12.) berichtet von Scharmützeln. „Die Hand von Hertha-Manager Dieter Hoeneß formte einen Tennisball nach. So dick, sagte er, sei die Hand von „Jolly“ Sverisson geschwollen. Die Allroundwaffe der Berliner, wahlweise als Stopper oder Mittelstürmer, Kampfschwein im Mittelfeld und zur Not auch noch Torwart eingesetzt, wird sich wohl noch beim Weihnachtsurlaub auf Island erinnern, wie er sich diese Verletzung auf dem Berg der Roten Teufel eingehandelt hat. Reservist Sverisson musste Balljunge spielen in der Schlussphase der letzten Vorrunden-Partie, wie übrigens auch sein Sportdirektor, nur dass Hoeneß bei seinem Bemühen, Bälle von der Berliner Ersatzbank aus zu finden, mehr Glück hatte. Sverissons Weg auf der Suche nach einem Ball kreuzte sich dagegen mit dem Lauterer Torwarttrainer Gerry („Tarzan“) Ehrmann sowie dem verletzten Mario Basler. Als sich Sverisson im Gerangel mit diesen beiden endlich die Kugel geschnappt hatte, trat Ehrmann voll gegen seine Hand – und nur dank des Einsatzes einiger Besonnener wurde vermieden, dass sich der Assistenztrainer des FCK, Basler sowie der als vorbildlicher Sportsmann bekannte Sverisson zur besten Sendezeit im deutschen Fernsehen verprügelt hätten. Kenner der Pfälzer Fußballszene werden nun anmerken, dass diese Catch-Einlage nicht aus dem Rahmen gefallen sei. Brüder im Geist waren der alte Torwart und der in die Jahre gekommene Basler schon immer. Und mit Fairness hatte es nichts zu tun, dass sich die Balljungen im Fritz-Walter- Stadion in der 87. Minute im Regen aufgelöst hatten – Sekunden, nachdem Harry Koch den Elfmeter auch in der Wiederholung im Netz hinter Kiraly versenkt hatte. Mit Kollegialität noch viel weniger, aber was will man von solchen Menschen auch verlangen – erst recht, wenn deren berufliche Existenz auf dem Spiel steht?“

Hartmut Scherzer (FAZ 17.12.). „Die rechtzeitige und zeitgemäße Besinnung auf Tradition und Tugenden des 1. FC Kaiserslautern verhinderte auch, daß die Lichter so kurz vor Weihnachten im Pfälzer Kult- und Chaostheater ausgingen. Mit dem mythischen Fritz-Walter-Wetter, mit leidenschaftlicher Kampfbereitschaft jedes Spielers und einem endlich wieder turbulenten Happy-End nach alter Betzenberg-Art wurde im Lauterer Regen schon verschüttet geglaubtes Lauterer Erbgut wiederentdeckt. Der gottesfürchtige Lincoln leitete das glückliche Ende für die Roten Teufel ein und brachte die Herthaner beim Stand von 1:1 nach den Toren von Vratislav Lokvenc und Pal Dardai in Rage. Der Brasilianer holte drei Minuten vor Schluß im Sturzflug über den Hechtsprung des Berliner Torhüters Gabor Kiraly den Elfmeter heraus, den Herthas Kapitän Marko Rehmer ebenso wie Manager Hoeneß (So einen Elfmeter haben wir noch nie gekriegt) als Unrecht empfand. Der Berliner Trainer Stevens wunderte sich indes nicht weiter über das typische Betzenberg-Finale: Das habe ich hier oft genug erlebt. Der 1. FC Kaiserslautern hat wieder ganze Kerle, wie die beiden Kochs. Harry Koch, der Kapitän, verwandelte im zweiten Anlauf, erst unten links dann oben rechts, ungerührt den Elfmeter. Der Franke in der Pfalz zeigte wegen der Wiederholung keine Nerven, sondern genoß doppelte Freude. Koch, der Verteidiger, hatte auch den härteren Schädel als Kapitänskollege Rehmer. Das Zusammenkrachen ihrer Köpfe hatte Folgen. Rehmers blutende Stirn wurde gerade verbunden, als sein Gegenspieler Lokvenc mit dem Kopf das 1:0 erzielte. Der andere Koch, Torwart Georg, verhinderte mit drei tollen Paraden einen früheren Ausgleich und späten Rückstand.“

Hintergründe aus der Bundesliga

Stefan Hermanns Michael Rosentritt (Tsp 14.12.) ziehen ein Zwischenfazit. „Auffällig ist, dass sich das Abschneiden deutscher Vereine in den internationalen Klubwettbewerben umgekehrt proportional zu den Leistungen der Nationalelf verhält. Als der FC Bayern 1996 den Uefa-Cup gewann, begann für den deutschen Vereinsfußball die erfolgreichste Phase, die in der Frage gipfelte: Wozu brauchen wir eigentlich noch die Nationalmannschaft? Bei der WM 1994 und 1998 schied die deutsche Elf jeweils im Viertelfinale aus, bei der EM 2000 war nach der Vorrunde Schluss. Demgegenüber standen seitdem deutsche Klubs neunmal in Endspielen um internationale Titel. 1997 holte Schalke den Uefa-Cup. Dortmund gewann die Champions League und wurde Weltpokalsieger. Nach der verkorksten WM 1998 standen die Bayern 1999 im Finale der Champions League, nach der desaströsen EM 2000 gewannen die Bayern 2001 die Champions League und wurden Weltpokalsieger. Dass ein Turnier wie eine Fußballweltmeisterschaft nachwirken werde, hatte Völler seiner Mannschaft bereits in der Finalnacht von Yokohama prophezeit. Nur nicht wie. Dass ein Spieler wie Miroslav Klose imSpeziellen eine ganz schwere Zeit vor sich habe, sagte Völler dem erfolgreichsten deutschen WM-Torjäger offen ins Gesicht. „Miro, ab jetzt wird sich vieles ändern.“ Dass Klose aber in ein solches Loch fallen würde, ahnte der Teamchef nicht. Mal abgesehen von zwei Treffern im DFB-Pokal beim Uhlenhorster SC Paloma, erzielte Klose in der Bundesliga bisher drei Tore – zuzüglich eines Eigentores. Damit reiht er sich ein in eine Riege von Spielern, bei denen das große asiatische Turnier nachwirkt. Etwa Oliver Kahn. Während er bei der WM noch als „King-Kahn“ oder „Titan“ verehrt worden war, erreicht derselbe Herr in derselben Funktion nicht mehr seine Bestform. Ebenso wenig wie die Dortmunder Torsten Frings und Sebastian Kehl. Und erst die Leverkusener. Carsten Ramelow und Oliver Neuville spielen nicht wiedererkennbar. Abgeschwächt gilt das auch für Bernd Schneider. Im WM-Finale konnte es der Mittelfeldspieler mühelos aufnehmen mit den südamerikanischen Ballartisten. Die internationale Presse nannte ihn den „deutscher Brasilianer“. Was würde sie wohl heute schreiben?“

Michael Horeni (FAS 15.12.) beschreibt Situation und Wesen der Dortmunder Brasilianer. “Auf einem gigantischen Poster über vier Stockwerke hinweg ist ein Profi der Borussia abgebildet. Es ist ein Brasilianer. Aber um wenn es sich handelt, ist nicht zu erkennen. Die Haut des Spielers ist braun. Das übermenschlich große Foto auf der Rückseite des Nordtribüne des Westfalenstadions zeigt jedoch nur die Brust, den Hals, das Kinn. Das symbolische Bild ohne Kopf, das die Dortmunder als Zeichen ihrer Investitionspolitik von sich geben, spiegelt ungewollt auch ziemlich genau die Wirklichkeit der vier brasilianischen Profis in Dortmund wieder. Die Namen Amoroso, Dede, Ewerthon und Evanilson gelten zwar spätestens mit dem Titelgewinn beim deutschen Meister als Synonym für importierte Spiel- und Lebensfreude. Aber obwohl der Klub mit dem Quartett aus Südamerika im Untertitel längst als Borussia do Brasil firmiert, sind die Menschen, die aus Brasilia, Diamantina, Minero und Sao Paulo nach Dortmund kamen, für deutsche Fans noch immer weitgehend gesichtslos geblieben. Und auch die Brasilianer wissen von Deutschland auch nach einigen Jahren in Alemanha so gut wie nichts. Deutsche Zeitungen liest selbst der wache Dede nicht, und wenn der Fernseher eingeschaltet wird, dann kommt nur Südamerika ins Haus. Sechs brasilianische Sender hat Dede eingefangen, deutsches Programm läuft nicht. So bleibt es der deutschen Wirklichkeit verwehrt, sich zwischen Trainingsplatz, Bundesliga, Champions League und brasilianisches Wohnzimmer zu schieben. Von einer Wirtschaftskrise in Deutschland hat Dede daher auch nichts gehört, und wer weiß, wie er sie einschätzen würde, da er aus einem Land kommt, wo der Fußball nicht Spielzeug, sondern für viele noch Sprungbrett aus dem Elend ist, und ein Wechsel nach Europa nicht nur einen neuen Arbeitsplatz bedeutet, sondern eine Traumreise ins Wirtschaftswunderland (…) Wenn über die 22 Brasilianer, die derzeit die Bundesliga bereichern, berichtet wird, geht das gewöhnlich nicht ohne ein gehöriges Maß an Folklore ab. Das kommt auch gut an. So wird seit Jahren die Geschichte von Dedes erstem Wintererlebnis fortgeschrieben, als er ratlos auf der Geschäftsstelle anrief, weil er glaubte, sein Auto sei kaputt. Tatsächlich war nur die Windschutzscheibe zugefroren. Gerne wird auch jene Anekdote erzählt, um Dedes Fortschritte im für Brasilianer nicht nur metereologisch kühlen Deutschland zu beschreiben, als er seinen Landmann Ewerthon fast schon philosophisch in die neue Welt einwies: Wenn um drei Uhr Training ist, dann ist um drei Uhr Training. Der brasilianische Klub bei Borussia Dortmund ist etwas fürs Herz seiner Mitglieder, aber längst keine Verbindung auf Dauer. So weit gehen die Sentimentalitäten unter den Bedingungen des Profifußballs dann doch nicht, daß für importierte heimatliche Gefühle die Karriereplanung zurückstehen würde. Es ist aber kein typisch brasilianisches oder gar schon ein typisch deutsches Wohlstandsleben, das Dede und Co. führen, sondern ein Leben, wie es die Fußball-Millionärsnomaden aus Südamerika oder Afrika überall auf dem alten Kontinent angenommen haben. Das Herz hat seinen Platz in der Vergangenheit, aber die praktische Vernunft kennt nur die neuen Herausforderungen. Und wenn die Bundesliga an diesem Sonntag zur Ruhe kommt, dann nehmen sie ganz selbstverständlich den nächsten Flug nach Brasilien und kehren so spät wie möglich wieder zurück in ihr Arbeitsleben, wo sie den anderen Teil ihrer Identität aus dem Winterschlaf wecken müssen.“

Philipp Selldorf (SZ 17.12.). „Dass Böhme noch in der Kabine raucht, wäre vor den Mitspielern ein verzeihliches Laster, wenn er nicht auf dem Spielfeld seinen Eigensinn zum destruktiven Egoismus steigern würde. Und zum Vorwurf, dass er sich fernab von Schalke – in Steinhagen bei Bielefeld – ein Haus bauen ließ und deshalb mehr Zeit auf der Autobahn als auf dem Trainingsplatz verbringt, was der Regeneration seiner andauernden Muskelverletzungen nicht dienlich ist, gesellt sich neuerdings sogar die Anklage der Werksspionage. Vor dem Spiel gegen Bayer Leverkusen (0:1) soll er sich allzu ausgiebig mit seinem alten Mannschaftskollegen aus Jenaer Tagen, Bernd Schneider, unterhalten und dabei Details der Schalker Taktik verraten haben. Möglich, dass er mit Schneider schon bald ganz offiziell die Taktik abstimmt – Bayer 04 soll an einer Übernahme Böhmes sehr interessiert sein.“

Joachim Mölter (FAZ 14.12.) portraitiert Roque Santa Cruz. „Noch ist Giovane Elber den absoluten Zahlen nach erfolgreichster Torjäger von Bayern München mit zehn Treffern. Doch der Brasilianer hat seit sechs Wochen keinen Grund mehr zum Jubeln gehabt und auswärts überhaupt noch nicht in dieser Saison. Außerdem ist Elber einer, der seine Tore bevorzugt dann schießt, wenn sowieso viele fallen und sie nicht so ins Gewicht fallen. Santa Cruz hingegen ist der Mann für die letzten, die entscheidenden Tore. Er hat das 5:4 erzielt gegen Schalke, im Elfmeterschießen des DFB-Pokals, und das 1:0 gegen Wolfsburg in der Bundesliga. Fast immer, wenn der FC Bayern mit einem Tor Differenz gewann, hat Santa Cruz einmal getroffen (…) Dabei sah es lange so aus, als würde Santa Cruz, der im Juli 1999 als 17 Jahre altes Talent für fünf Millionen Euro Ablöse vom paraguayanischen Meister Olimpia de Asunción zum FC Bayern kam, den deutschen Rekordmeister nach Ablauf seines Vertrages bestenfalls als 22 Jahre altes Talent wieder verlassen. Hitzfeld ließ den Stürmer auch dann auf der Bank sitzen, wenn er fit war; erst die Intervention von Klubchef Franz Beckenbauer bewegte den Trainer vergangene Saison dazu, Santa Cruz mehr einzusetzen. Der beklagte sich nie: Man kann auch auf der Bank lernen. In dieser Spielzeit wäre er sicher öfter aufgelaufen eingedenk seiner guten Leistungen bei der WM im Sommer. Aber schon dort endete sein Auftritt vorzeitig wegen einer Leistenverletzung – im verlorenen Achtelfinalspiel Paraguays gegen Deutschland. Inzwischen sind alle Blessuren ausgeheilt, er hat Claudio Pizarro den Stammplatz im Angriff abgenommen, weil er ballsicherer ist und sich in den Dienst der Mannschaft stellt, wie Hitzfeld erklärt. Mittlerweile ist es auch beschlossene Sache, daß Santa Cruz‘ Vertrag in der Winterpause um zwei Jahre bis 2006 verlängert wird.“

Philipp Selldorf (SZ 14.12.) auch. „Wie soll man sein Spiel beschreiben? Es ist von Kraft geprägt. Santa Cruz ist 1,89 Meter groß, ein Athlet. Er hat ein unglaubliches Ballgefühl. Wenn er sich auf ein Solo einlässt, was er seltener tut als in den ersten seiner fast vier Jahre in München, sieht das aus, als ob er sich mit Gewalt durchtankt – weil seine Finten und Ballführung so filigran sind, dass man es kaum erkennt. Bayern-Spieler wie Mehmet Scholl, die täglich mit ihm trainieren, behaupten, dass keiner besser den Ball beherrscht als Santa Cruz (…) Bei den Bayern wird ihm in der Rolle als erstem Angreifer, eher früher als später, Giovane Elber Platz machen. Die Ansicht hat sich nun auch bei Trainer Ottmar Hitzfeld durchgesetzt, der etwas Anlauf brauchte, um zu den Bewunderern aufzuschließen – und den Druck der Bayern-Chefs. Franz Beckenbauer hat besonders heftig nachgeholfen.“

Bertram Job (FR 14.12.) porträtiert Marcel Witeczek. “Als dieser Mann mit dem bezahlten Fußball anfing, gab es wahrscheinlich noch Säbelzahntiger. Na ja, es mag auch kurz danach gewesen sein. Jedenfalls erinnert sich Marcel Witeczek noch sehr genau an gewisse prähistorische Umstände seiner ersten Jahre als Bundesliga-Profi. Im Trainingslager haben wir ARD, ZDF und WDR 3 gesehen, weiter gab es nichts, erzählt er. Heute dagegen ist aus dem europäischen Fußball längst eine daily soap geworden und aus der Aufmerksamkeit blanke Hysterie. Die Jungs werden schnell hochgelobt und dann wieder fallen gelassen, sagt Marcel Witeczek. Dabei klingt er ungefähr doppelt so alt wie er jetzt aussieht. Witeczek? Irgendwie haben all diese Medienmenschen ihn fast schon vergessen. Aber in seiner 17. Saison ist der 34-jährige Profi noch immer Stammspieler, mehr oder weniger. Und wenn er am Samstag im Trikot von Borussia Mönchengladbach beim SV Werder Bremen aufläuft, wird das sein 408. Pflichtspiel in der ersten Bundesliga sein. Damit ist der stille schnelle Junge aus Oberhausen beinahe schon im Club der Fichtel, Dietz und Schumacher, wo man fast automatisch zur Legende erklärt wird. Aber seltsam: so spricht man von Marcel Witeczek trotzdem (noch) nicht. Und so wird man viel-leicht auch nie von ihm sprechen. Das könnte daran liegen, dass er selbst bis heute kaum Aufmerksamkeit außerhalb des Spielfelds provoziert. Fußballspielen aber kann er noch immer kompletter als die meisten seiner Berufskollegen. Und das ist nicht zuletzt die Folge einer erstaunlichen Rotation, die er bei der Borussia durchlebt. Seit 1997 hat er am Bökelberg außer Torwart schon jede Position gespielt – zuletzt als freier Mann vor der Abwehr. Da tauscht man Perspektiven wie andere Trikots.“

Markus Völker (taz 14.12) berichtet über Homosexualität im Fußball. „Frank Rost, Torwart von Schalke 04, beantwortet die Frage, ob Bundesligaprofis der gleichgeschlechtlichen Liebe anhängen, mit: Nein – außerdem dusche ich immer mit dem Arsch zur Wand. An Stammtischen kursiert der Witz, woraus eine ideale Abwehr bestünde: Aus Schwulen, denn die können von hinten richtig Druck machen. Die Suche nach dem etwas anderen Profi wird bisweilen mit detektivischem Eifer betrieben. Keine Fußballrunde, die das Thema noch nicht aufgegriffen hätte. Bestimmt ist es der Wörns, spricht der nicht so tuckig? Oder Ricken, bei dem hat man doch nie etwas von einer Freundin gehört? In 29 Jahren Bundesliga hat sich noch kein Spieler öffentlich geoutet. Wohin der Ball auch rollt, alles Heteros. Tatsächlich? Es ist viel geschrieben worden über den Fußball als Sex-Surrogat. Etwa dergestalt: Beim Torschuss kommt es nach langem Vorspiel zum Orgasmus, die andere Mannschaft wird – der Ball dringt ins Tor – vergewaltigt. Diese Szene begleiten die Fans der Vergewaltiger mit heftigen Umarmungen, die Vergewaltigten mit vor Hilflosigkeit überkochender Frustration. Solch ein Entwurf ist eindeutig nicht heterosexuell (…) Duldete der Fußball vornehmlich einen Homo, wenn danach ein ludens oder sapiens folgte, darfs jetzt auch schon mal ein sexueller sein – wie die Wahl von Corny Littmann zum Präsidenten des FC St. Pauli unterstreicht. Littmann wusste schon in den 90ern das homophobe Gehabe der männerbündischen Szene zu konterkarieren. Gefragt, ob er einen schwulen Kicker kenne, meinte er, er habe gerade mit einem geschlafen. 1991 veranstaltete der Fernsehsender Premiere eine Diskussion über Homosexualität im Sport. FC-Profi Paul Steiner, der mit Sätzen wie Schwule sind für Fußball viel zu weich aufgefallen ist, bestritt in der Runde, dass unter Bundesligaspielern – und erst recht unter denen des 1. FC Köln – Männerliebe verbreitet sei. Theatermacher Littmann verstörte Steiner daraufhin aufs Heftigste. Er sei schon mit einem Spieler der damaligen FC-Mannschaft im Bett gewesen, behauptete Littmann. Steiner soll danach nur noch im Stile Rosts geduscht haben. Anderswo mag es ja todschick anmuten, ein bisschen wärmer als der große Rest zu sein. Nicht so im Fußball, der sich hermetisch wie eine Tauchglocke abschottet. Und sitzt wirklich ein Artfremder mit im Boot, ist er zu kunstvoller Mimikry genötigt, um der Norm zu entsprechen.“

Portrait Bernd Hoffmann (neuer Vorstandschef beim Hamburger SV) SZ

Zur Situation beim HSV Tsp

Mattias Wolf (FTD 17.12.). „Über Geld redet er nicht, sagte Jörg Neubauer. Dabei könnte der Spielerberater von einem Akt der Solidarität sprechen. Doch er weiß nur zu genau: Das würde ihm, dem knallharten Geschäftsmann, ohnehin keiner glauben. Wie auch immer, Neubauer hat auf viel Geld verzichtet Mehr oder weniger freiwillig. Er gehört zu drei Spielerberatern, die ihre Rechnungen an Energie Cottbus auf Bitten des Vereins reduziert haben. Das ist eine Neuigkeit in Zeiten, in denen zwar über Gehaltsverzicht von Spielern gesprochen wird – aber dass nun auch die Agenten folgen, die mächtigen Strippenzieher dieser undurchsichtigen Branche, das hätte kaum einer für möglich gehalten. Doch das Notopfer von Cottbus hat nichts mit Mitgefühl für einen kleinen Verein zu tun, dem derzeit 1,5 Mio. Euro im Etat fehlen, bis Ende der Saison womöglich 2,5 Mio. Euro. Auch hier haben Berater für simple Vertragsverlängerungen, – „nur ein einziges Telefonat“ – wie Vereinssprecher Ronny Gersch sagt, 40 000 Euro Provision kassiert. Von Transfers ganz zu schweigen. Da streicht ein Berater als festen Satz bis zu 60 Prozent von der Ablösesumme und dem Jahresgehalt des Spielers ein. Das ergibt bisweilen Millionensummen. So wurde jüngst ein Fall aus Kaiserslautern bekannt: Für die Vermittlung der eher unbekannten Profis Markus Anfang, Christian Timm und Selim Teber kassierte deren Berater Roger Wittmann im Juni 1,2 Mio. Euro. Von marktgerechten Preisen kann da in einer kriselnden Branche nicht mehr die Rede sein.“

„Korrupte Figuren beherrschen angeblich den englischen Transfermarkt“ SZ

Zum Abschied von MSV-Interimstrainer Bernard Dietz meint Richard Leipold (FAZ 16.12.). “Sechs Zweitligaspiele, fünf Siege: Auf seinem Spezialgebiet als Übergangstrainer hat Dietz abermals ganze Arbeit geleistet. Sogar er selbst hatte seinen Spaß. Es war eine tolle Zeit. Für Walter Hellmich, den Präsidenten des MSV Duisburg ist Dietz der größte Fußballer in der hundertjährigen Vereinsgeschichte. Obwohl er nie Profitrainer werden wollte, zeigt der frühere Kapitän der Nationalelf auch auf der Bank von Zeit zu Zeit Größe. Wenn die Oberen ihn in höchster Not bitten, als Übungsleiter einzuspringen, bis sie einen passenden Nachfolger gefunden haben. Wie vor drei Jahren beim VfL Bochum, so hat er in dieser Saison bei seinem Stammverein in einem trüben Herbst bis zur Winterpause die Aufgabe des Teamchefs übernommen. Als Mann des Volkes verkörpert Dietz, was viele Fans sich wünschen, zumal im Ruhrgebiet. Er spricht die Sprache der Spieler und der Anhänger. Ich bin wohl eine Sympathiefigur oder was weiß ich. Und er ist immer er selbst geblieben: ein einfacher Mann, der dem Fußball einen Wohlstand verdankt, den er zu schätzen weiß, aber nicht um jeden Preis ins Unermeßliche steigern will. Wenn ich als Cheftrainer mehr Geld verdiene, kann ich auch nicht mehr Koteletts essen. (…) Ohne persönliche Ambitionen scheint Dietz prädestiniert dafür, Spielern die Orientierung zurückzugeben. Er besitzt offenbar eine pädagogische Gabe jenseits der Schulweisheit. Das genügt ihm. Ein Fußball-Lehrerdiplom hat er nie erworben, um sich vor Angeboten zu schützen, wie er sagt. Sie kamen dennoch. Und er konnte sie nicht ablehnen. In Bochum zwang ihn seine Loyalität als langjähriger Angestellter dazu, den Chef zu spielen, in Duisburg kamen Gefühle hinzu. Der MSV ist mein Schicksal, sagt er, dieser Verein ist meine Fußballheimat. Das wird auch so bleiben, wenn am 3. Januar ein ausgebildeter Fußball-Lehrer seinen Dienst antritt. Norbert Meier, einst in Mönchengladbach als Nothelfer gescheitert, kommt auf Empfehlung von Dietz. Der frühere Bremer Nationalspieler ist seinem Vorgänger nicht nur für dessen Votum im Auswahlverfahren dankbar, sondern auch für die sportliche Basis, die Dietz in der kurzen Zeit geschaffen hat. Warum will ein Mann mit seinen Fähigkeiten nicht der Chef bleiben? Die Antwort liegt in ihm selbst, nicht wie häufig kolportiert in den verlotterten Sitten des Profigeschäfts. Dietz will nach seiner körperlichen Unversehrtheit nicht auch noch seine Seele an den Fußball verlieren. Sein Knie ist in achtzehn Jahren Berufsfußball so stark geschädigt worden, daß er fürchtet, irgendwann ein künstliches Gelenk zu brauchen. Die Seele läßt sich nicht so einfach restaurieren, deshalb will Dietz sich nicht dem Profigeschäft ausliefern.“

Interview mit Dortmunds Manager Meier FAS

„Waldhof droht nicht nur sportlich das Aus“ SZ

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