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Heynckes neuer Schalke-Trainer – milde Lizenzvergabe der DFL

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Heynckes neuer Schalke-Trainer – milde Lizenzvergabe der DFL

Heynckes neuer Schalke-Trainer – milde Lizenzvergabe der DFL

Michael Horeni (FAZ 18.6.) erkennt eine “kluge Wahl Assauers”. “Sorgenkinder brauchen Strenge: Dieses längst eingemottete pädagogische Erziehungsideal ist in der Bundesliga noch immer aktuell. Jupp Heynckes hat acht Jahre nach dem spektakulär gescheiterten Versuch, der Frankfurter Eintracht Seriosität einzuhauchen, nun einen zweiten Fall vor sich, einen schwer erziehbaren Bundesligaprofi zu disziplinieren: Schalke 04 glaubt sich beim Trainer von Athletic Bilbao in den kommenden Jahren jedenfalls genau an der richtigen Adresse, wenn es darum geht, eine außer Rand und Band geratene Mannschaft mitsamt einem aufmüpfigen Nationalspieler Jörg Böhme zur Räson zu rufen (…) Auf der Iberischen Halbinsel wird er für seine Gradlinigkeit geschätzt und mit dem passenden Personal ausgestattet. Die Schalker Herausforderung dagegen hat Frankfurter Dimensionen. Im Ruhrpott treffen mit Heynckes und Schalke zwei Gefühlswelten aufeinander. Mehr noch: Der Klub sucht nach einem verlorenen Jahr auch sein inneres Gleichgewicht, das ihm in der vergangenen Saison weder Manager Assauer noch die Trainerneulinge Neubarth und Wilmots wiederbringen konnten. Heynckes wird beweisen müssen, ob ihm seine alte Heimat mit ihren selbstdarstellerischen Eigenheiten nach über zehn Jahren im professionell disziplinierten Süden nicht längst fremd und unerreichbar geworden ist.“

Besonders seine Auffassung zum Thema Disziplin hat gefallen

Richard Leipold (Tsp 18.6.) sieht das ähnlich. “Heynckes erfüllt sämtliche Kriterien des Anforderungsprofils, das Schalkes Manager Rudi Assauer für den neuen Trainer entworfen hatte. „Er hat einen hervorragenden Eindruck hinterlassen“, sagt er. „Zum einen waren wir von seiner Fußball-Philosophie überzeugt, zum anderen hat uns besonders seine Auffassung zum Thema Disziplin gefallen.“ Eine Fülle von Verstößen gegen die Ordnung, auf dem Platz und abseits des Rasens, hat Schalke in der abgelaufenen Saison die Qualifikation für den Uefa-Pokal gekostet. Die Spieler werden sich darauf einstellen müssen, künftig näher zusammenzurücken. „In Bilbao darf kein Spieler weiter als 20 oder 30 Autominuten vom Trainingsgelände entfernt wohnen. Diese Bedingung lebt Heynckes vor, das wird er auch bei uns tun.“ Obwohl seine Familie ein Haus in Mönchengladbach besitze, werde der Trainer zusätzlich ein Appartement in Gelsenkirchen beziehen. Die räumliche Nähe zum Verein und zum Stadion ist auch Bestandteil von Spielerverträgen. Der in Ostwestfalen wohnende Mittelfeldspieler Jörg Böhme etwa musste sich verpflichten, seinen ersten Wohnsitz in den Raum Gelsenkirchen zu verlegen. In der Bundesliga hat Heynckes zuletzt in der Saison 1994/95 gearbeitet. Bei Eintracht Frankfurt wurden ihm seine Disziplinarmaßnahmen selbst zum Verhängnis. Nachdem er die Profis Gaudino, Yeboah und Okocha suspendiert hatte, musste er selbst gehen, obwohl er zuvor mit Bayern München zweimal Meister geworden war. Als kompromissloser Vorgesetzter scheint er in Schalke willkommen zu sein. Assauer will einen Trainer, der auch im Misserfolg Charakter zeigt.“

Philipp Selldorf (SZ 18.6.) erinnert an die lange währende Wertschätzung des Schalke-Managers für seinen neuen Coach. „Behauptungen, Jupp Heynckes sei während der langen Trainersuche des FC Schalke 04 nur der circa 49. Kandidat gewesen, halten den Einsprüchen der Beteiligten nicht stand und sind im Übrigen historisch leicht zu widerlegen. Hätte nämlich Rudi Assauer entscheiden dürfen, dann hätte Heynckes bereits vor 17 Jahren das Amt übernommen. Schon damals wollte ihn Assauer – auch zu dieser Zeit Manager in Gelsenkirchen – als Chefcoach unter Vertrag nehmen. Aber weil Heynckes noch in Mönchengladbach arbeitete, und weil vor allem der Schalker Klubchef Hans-Joachim Fenne lieber Rolf Schafstall zum Trainer bestimmte, erfüllte sich Assauers Wunsch nicht. Zumindest in der Zeit nach diesem ersten Kontakt entwickelte sich Heynckes’ Schicksal günstiger. Er wurde Trainer beim FC Bayern und zweimal Deutscher Meister. Rudi Assauer hingegen erlebte die finsterste Epoche seines Wirkens: Schafstall verbot ihm den Zutritt zum Trainingslager und wenig später wurde der Manager dann von Präsident Fenne entlassen. 17 Jahre also liegen zwischen Wunsch und Wirklichkeit des Rudi Assauer, und da soll noch jemand behaupten, das Geschäft sei schnelllebig. Die Auswahl der Leitfiguren im deutschen Fußball bleibt begrenzt.“

Ob das mal gut geht?

„Auf Schalke treffen nun wieder zwei Welten aufeinander. Hier Heynckes, der auch in der weiten Fußball-Welt seine linkische Schüchternheit nie ablegen konnte, dort die Dampfmaschine Rudi Assauer, die außer beim Bier auf der Couch, scheinbar ständig unter Überdruck steht“, teilt Jürgen Ahäuser (FR 18.6.) mit. „Nun sind die Zeiten in Gelsenkirchen wirklich schon lange vorbei, als ein paar Schwüre auf die ewige blau-weiße Liebe zu S 04 und ein paar Schimpftiraden auf den Erzrivalen Borussia Dortmund genügten, um ganze Jahreshauptversammlungen in rührselige Verzückung und damit auf die Seite des Redners zu bringen, aber beim Meister der Herzen spielen immer noch reichlich Emotionen mit. Für die ist der immer etwas humorlose Fußball-Lehrer irgendwie auch verantwortlich. Ob das mal gut geht? Zweifelsohne ist Jupp Heynckes ein erfolgreicher Trainer, ein ausgewiesener Kenner des Metiers. Doch mit knochentrockener Arbeit allein, ist es heute in der dauerhaft fiebrigen Medienwelt nicht mehr alleine getan. Tun und Lassen auf dem Platz – und manchmal auch daneben – wollen tagtäglich gut verkauft werden.“

Die Trainersuchposse in Gelsenkirchen ist endgültig zu Ende

Ronald Reng (BLZ 18.6.) berichtet Details. “In seinem Haus in der baskischen Provinz hat Jupp Heynckes zwei Telefone, und am Montag benutzte er sie gleichzeitig, um zwei grundverschiedene Nachrichten loszuwerden: eine für die Presse, eine für die Möbelpacker. Ich kann heute wirklich noch nicht sagen, wo ich nächste Saison sein werde, sagte der deutsche Fußballtrainer von Athletic Bilbao gerade, und dann klingelte sein anderes Telefon: Hallo? Ah, ja, sagen Sie, können Sie schon vor drei Uhr kommen? Sehr gut. Was? Ja, ja, nach Deutschland geht das ganze Zeug. So erfuhren ein paar Möbelpacker weltexklusiv, was Dutzende Journalisten schon seit Wochen vergebens aus Heynckes herauszubringen versuchten: Nach acht Jahren in Spanien und Portugal kehrt einer der erfolgreichsten deutschen Trainer, der unter anderem 1998 die Champions League mit Real Madrid gewann, zurück in die Bundesliga. Die Trainersuchposse in Gelsenkirchen ist endgültig zu Ende. Es war schon seit Tagen eines der am schlechtesten gehüteten Geheimnisse des Fußballs, und dennoch konnte sich bis Dienstag – außer den Möbelpackern – keiner so richtig sicher sein, weil sich Schalke strikt an Heynckes Wunsch hielt: Ich komme, aber ihr dürft es noch nicht bekannt geben, bevor ich in Bilbao alles geklärt habe, sonst ist hier der Teufel los.

Radikale Schrumpfkur

Jörg Marwedel (SZ 17.6.) begrüßt die milde Haltung der DFL bei der Lizenzvergabe. „Die Krankheit des deutschen Fußballs lässt sich als akute wirtschaftliche Schieflage beschreiben. Um so überraschender erscheint es auf den ersten Blick, dass alle 36 Profivereine von der Deutschen Fußball Liga (DFL) die Lizenz für die kommende Saison erhielten – wenn auch 24 nur mit Auflagen wie monatlicher Berichtspflicht oder nachgewiesenen Liquiditätsreserven in beträchtlicher Millionenhöhe. Das ist so, als würde ein Mediziner die Mehrheit einer Mannschaft trotz 40 Grad Fiebers gesund schreiben, damit sie überhaupt zum Spiel antreten kann. Genauer betrachtet aber blieb den Prüfern der DFL kaum eine andere Wahl, als Nachsicht mit den teilweise von Insolvenz bedrohten Vereinen zu üben. Die Krankheit hat in Zeiten dramatisch sinkender TV-Einnahmen einfach zu viele erfasst, und die nötigen Maßnahmen wirken wegen bestehender, zum Teil langfristiger Verträge mit teuren Profis erst mit Verzögerung – zumal der stagnierende Spielermarkt den kurzfristigen Verkauf kostspieligen Personals kaum zulässt. Also begnügte sich die DFL oft mit der schriftlich erklärten Bereitschaft der Kranken, die Medizin auch brav einzunehmen und die Gehälter und Etats einer schnellen und radikalen Schrumpfkur zu unterziehen.“

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