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Real Madrid wird spanischer Meister, feiert aber nicht – FC Kopenhagen dänischer Meister
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| Donnerstag, 25. März 2004Themen: Real Madrid wird spanischer Meister, feiert aber nicht, entlässt statt dessen Trainer und Kapitän – FC Kopenhagen dänischer Meister
Niemand wird mit einer schlechten Abwehr spanischer Meister
Ronald Reng (BLZ 24.6.) vermisste die nach Titelgewinnen übliche Begeisterung. „Als das von Jupp Heynckes trainierte Athletic Bilbao mühsam 3:1 besiegt und somit der Vorsprung von zwei Punkten auf Real Sociedad San Sebastian über den letzten Spieltag gebracht war, explodierte ein Feuerwerk über Bernabéu – aber die Mannschaft war, kaum zehn Minuten nach dem Schlusspfiff, schon in der Umkleidekabine, wo Teamkapitän Fernando Hierro mit Sportdirektor Jorge Valdano darüber stritt, wie sie sich zu freuen hätten. Valdano, berichtete das Radio Cadena SER, forderte eine weitere Ehrenrunde, die Spieler hingegen hatten nach einer schon keine Lust mehr gehabt. So bekam man am Sonntag statt einzigartiger Anblicke nur ein Gefühl dafür, wie sehr das Projekt vom galaktischen Team langsam an den Nerven seiner Protagonisten, der Spieler, zerrt. Die Ambition von Madrids Präsidenten Florentino Pérez, alle Sterne des Fußballs in seinem Team zu versammeln, hat ja längst die Erwartung geweckt, dass wir mit dieser Elf niemals, kein einziges Spiel, verlieren dürften, wie Trainer del Bosque sagte – und der Druck auf die Spieler ist offenbar so immens, dass sie selbst nun, da die Saison vorbei war, ihre Anspannung schwer loswerden konnten. Man hätte von einer Katastrophe geredet, wenn wir die Liga nicht gewonnen hätten, sagte Valdano. Die Angst, nicht zu gewinnen, hat ihnen die Ausgelassenheit gestohlen. Gemessen an realistischen Ansprüchen, spielte Real eine sehr gute Saison. Meister in einer der stärksten Ligen der Welt, in der Champions League im Halbfinale. Doch unter Präsident Pérez strebt Real nicht nach so profanen Errungenschaften wie Meisterpokalen. Real soll ein Mythos werden, der Anspruch hat sich längst verselbstständigt. Deshalb setzt sich bei jeder Niederlage wie dem 2:4 im März in San Sebastian der Eindruck fest, Real spiele eine schlechte Saison, oder: Real habe eine katastrophale Abwehr. Die Maßstäbe sind durcheinander geraten. Niemand wird mit einer schlechten Abwehr spanischer Meister. Real kassierte drei Tore weniger als Real Sociedad, von der es immer heißt, wie viel besser als Madrid sie organisiert sei. Was nichts daran ändert, dass Perez‘ Leitlinie, nur die größten Stars und also Offensivspieler zu kaufen, das natürliche Gleichgewicht zwischen Angriff und Verteidigung gefährdet.“
Auch Paul Ingendaay (FAZ 24.6.) beobachtete nach dem Spiel Missstimmungen. „Nicht alle Spieler des neuen spanischen Meisters verspüren Lust, in die Euphorie einzustimmen. Es waren auch entschiedene Mißtöne zu hören, und das Team beließ es nach dem Sieg gegen Bilbao – trotz der Ermahnungen des Sportdirektors Valdano – bei einer einzigen Ehrenrunde. Die Verpflichtung von David Beckham stößt bei vielen Spielern nach wie vor auf Unverständnis, denn sie gehorcht nicht dem taktischen Konzept, sondern reinen Marketing-Erwägungen.“
Großes Unverständnis und Verärgerung
Thilo Schäfer (FTD 25.6.) wundert sich über Entlassungen in Madrid. „Es ist im Fußball nicht üblich, am Tag nach Erreichen der Meisterschaft den Trainer und den Mannschaftskapitän auf die Straße zu setzen. Aber Spaniens Rekordmeister Real Madrid ist eben kein normaler Verein. ‚Wir stehen vor einer neuen Etappe und brauchen frischen Wind‘, rechtfertig der Klubpräsident Florentino Pérez die Entscheidung, die Verträge von Trainer Vicente Del Bosque und Kapitän Fernando Hierro nicht zu verlängern. Am Montagabend, 24 Stunden nach dem Sieg über Athletic Bilbao, der Real den 29. nationalen Titel bescherte, hatte der Vorstand des Traditionsvereins nach einer fünfstündigen Sitzung die Bombe platzen lassen. Die Nachricht vom Ausscheiden des beliebten wie erfolgreichen Del Bosque und des langjährigen Spielführers Hierro hat unter Anhängern und Kommentatoren großes Unverständnis und Verärgerung hervorgerufen. Pérez spürte gestern den Gegenwind, den die Entlassungen ausgelöst haben, und bat um Vertrauen. ‚Die Zeit wird zeigen, ob wir uns geirrt haben oder nicht‘, sagte der Fußballboss. Doch die Gründe für den Bruch mit Del Bosque, der in vier Jahren jeweils zweimal die Champions League und die heimische Liga gewann, können in Madrid nur wenige nachvollziehen. ‚Del Bosque ist der bestmögliche Trainer für diesen Verein‘, glaubt etwa der Chefredakteur der Sportzeitung Marca, Elías Israel. Nach Ansicht vieler Kenner vereint der Coach genau die Eigenschaften und Werte, auf die es bei diesem imagebewussten Klub mit seiner Ansammlung von Weltstars ankommt. Del Bosque pflegt einen diskreten, ausgewählten Umgang, zeigt sich fast immer fair und genoss Respekt selbst bei Spielern der Kategorie Ronaldo, Zinedine Zidane oder Luis Figo.“
Noch nie haben Meister so lange Gesichter gezogen
dpa meldet: „Während Del Bosque mit seinem Hinauswurf gerechnet hatte, traf es Hierro völlig überraschend, dass er sich einen neuen Job suchen muss. Der 35-Jährige, der 14 Jahre lang dem weißen Ballett angehört hat, wurde vom Vereinschef dafür bestraft, dass er einen Spieleraufstand gegen die Clubführung angeführt hatte. Die Akteure hatten sich nach dem Titelgewinn geweigert, eine zweite Ehrenrunde im Stadion zu drehen. Sie drohten gar mit einem Boykott des feierlichen Empfangs im Rathaus. Das nächtliche Essen mit dem Vorstand glich einem Leichenschmaus. Noch nie haben Meister so lange Gesichter gezogen, schrieb Marca dazu. Der Kapitän muss nun dafür zahlen, dass aus der Jubelfeier das traurigste Fest in der Clubgeschichte (Marca) wurde. Dabei galt die Vertragsverlängerung als Formsache. Aber Hierro hatte zuvor schon an der Verpflichtung des Engländers David Beckham herumgemäkelt. Der Aufstand in der Kabine brachte das Fass zum Überlaufen. Offiziell begründete Valdano die Trennung vom Kapitän so: Hierro hat die Altersgrenze erreicht. Dies scheint verständlich, denn wegen seiner Langsamkeit war der Abwehrchef zunehmend zum Unsicherheitsfaktor geworden. Andererseits sagten die Real-Fans: Der Kapitän hätte einen besseren Abschied verdient gehabt. Hierro trug in 14 Jahren 601 Mal das Real-Trikot.“
Gerhard Fischer (SZ 24.6.) vermeldet die dänische Meisterschaft des FC Kopenhagen. „Ein bisschen läuft es in Dänemark wie in Schottland. Dort wetteifern Celtic Glasgow und die Glasgow Rangers um den Titel, und die anderen Klubs, etwa Kilmarnock oder Dunfermline, spielen halt mit. In Dänemark heißen die Großen FC und Bröndby Kopenhagen und die anderen Silkeborg oder Midtjylland. Die Kleinen haben weniger Geld, aber das Klischee, in Dänemark könnten Kicker keine müde Krone verdienen, stimmt längst nicht mehr. Das Durchschnittseinkommen eines Erstliga-Fußballers liegt bei 527.000 Kronen (72.000 Euro) im Jahr. Die Liga hat zwölf Vereine, in der jeder dreimal gegen jeden antreten muss, was niemand gut findet, aber keiner ändert. Der FC Kopenhagen, der gegen Bröndby in dieser Saison zweimal zuhause und einmal auswärts spielte, hatte in der Tabelle lange geführt, war im Frühjahr aber eingebrochen – zuhause im Parken-Stadion gelang nur noch ein Sieg. Bröndby hingegen blieb 17 Spiele ohne Niederlage und hatte plötzlich einen Punkt Vorsprung. Das Derby am vorletzten Spieltag hatte den Charakter eines Showdowns. Der FCK gewann durch ein Tor in der Nachspielzeit. In Dänemark spricht man davon, dass die Alten die Jungen besiegten. Einer der Alten beim FCK ist Erik Mykland, 31. Vor 18 Monaten spielte der eigenwillige Norweger noch bei 1860 München. Dann stritt er sich mit Trainer Peter Pacult so heftig, dass er gehen musste. Seine letzte Bemerkung zu 1860 soll diese gewesen sein: ‚In München war ich zum Schluss meilenweit von Spieleinsätzen entfernt. Kopenhagen ist ein Aufstieg für mich.‘ Jetzt ist Mykland Meister geworden. Er spielt mit seinem Verein in der Qualifikation zur Champions League. Und er ist der Spieler mit den drittmeisten Balleroberungen in der dänischen Liga.“