Ballschrank
Labern ist Peter – Siegen ist Gold
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| Donnerstag, 25. März 2004Thomas Ernsts Patzer ist die Szene des Spieltag, Abstiegskampf, Tabellenspitze werden so beeinflusst
Abgesehen vom dauerhaft schlagzeilenfähigen Leverkusen verzeichneten die Beobachter eine generell ereignisarme Runde. Für die Szene des Spieltags sorgte der Keeper des VfB Stuttgart Thomas Ernst. Durch seinen Patzer gegen seinen Ex-Klub Bochum – er verlor den Ball im Dribbling (!) – brachte er, so heißt es, den VfL letztendlich auf die Siegerstraße und seine Farben aus dem Tritt, wodurch die minimale Hoffnung auf Spannung im Meisterschaftsrennen im Keim erstickte. Selten wurde einer einzigen Spielszene auch seitens der Beteiligten solch immense Bedeutung beigemessen; sowohl bezüglich des Geschehens an der Tabellenspitze als auch im Abstiegskampf.
Gustl, du bist ein Bochumer!
Richard Leipold (FAZ 22.4.) berichtet die spielentscheidende Szene. „Zunächst riefen die Schwaben ihre Klasse in Erinnerung. Nach Kevin Kuranyis Führungstor beherrschten sie Ball und Gegner nach Belieben. Die Bochumer wirkten konfus – bis ihnen Hilfe zur Selbsthilfe zuteil wurde. Der unfreiwillige Solidaritätszuschlag kam von einem Stuttgarter, der das Bochumer Leid am eigenen Leib erfahren hat. Torhüter Thomas Ernst, einst selbst Abstiegskämpfer beim VfL, verstolperte einen Rückpaß des Verteidigers Andreas Hinkel. Der nicht sonderlich ballgewandte Schlußmann scheiterte im Dribbling an Vahid Hashemian, der Bochumer Stürmer bemächtigte sich des Balles und schoß sechs Minuten vor der Pause den Ausgleich. Ernsts Fauxpas bildete den Wendepunkt des Spiels. Mit dem 1:1 ist das Spiel gekippt, das geht voll auf meine Kappe, sagte er, ich hätte den Ball sofort weghauen müssen. Dennoch hatte der Torwart die grobe Fahrlässigkeit nicht allein zu verantworten. Kein Vorwurf an Thomas Ernst, sagte VfB-Trainer Felix Magath. Der Ball wurde in die falsche Richtung gespielt. So sahen es auch die Fans des VfB; sie verabschiedeten den Torwart mit aufmunternden Sprechchören. Ernst erhielt Beifall von beiden Seiten. Die Einheimischen erinnerten sich seines Spitznamens und riefen: Gustl, du bist ein Bochumer!“
Bei allem Talent fehlt für die ganz großen Ziele noch die Reife
Christoph Biermann (SZ 22.4.) weiß, was dem jungen Stuttgarter Team zu einer Spitzenmannschaft fehlt. „Sollte die Geschichte dieser Saison für den VfL Bochum mit dem Happy End Klassenerhalt ausklingen, wird man sich wohl noch in vielen Jahren an die 40. Minute des Spiels gegen den VfB Stuttgart als den entscheidenden Wendepunkt erinnern. 0:1 lagen die Gastgeber in diesem Moment zurück, und alles deutete darauf hin, dass die Serie von acht Partien ohne Sieg mit einer weiteren Niederlage ihre Fortsetzung finden würde. Zu sehr in ihrer Angst gefangen wirkten die Bochumer und machten es bei allem Engagement den deutlich besseren Gästen recht leicht. So wäre es wohl auch weitergegangen, wenn just da nicht der Ball zu Stuttgarts Keeper Thomas Ernst zurückgepasst worden wäre und mit diesem Moment alles anders wurde (…) Nur, dass nicht die Panne in der 40. Minute allein entscheidend war. Der Tabellenzweite wollte anschließend zu viel, rückte zu weit auf und ermöglichte den Bochumern damit Räume für jene Konter, die ihre stärkste Waffe sind. Magath vermutete, dass die Diskussionen um die Jagd auf einen Platz in der Champions League „den ein oder anderen jungen Spieler noch verrückt machen“. Nach dem Ausgleich verlor Stuttgart jedenfalls auf eine Art die Linie, die erkennen ließ, dass es dem Team bei allem Talent für die ganz großen Ziele noch an Reife fehlt. So halfen zunächst Ernst und anschließend die gesamte Stuttgarter Mannschaft dem VfL Bochum zu einer Wiederauferstehung, die so nicht zu erwarten war. Mit der gleichzeitigen Niederlage von Leverkusen kippte auch die Negativstimmung der letzten Wochen. Der Sieg über den Tabellenzweiten dürfte den Glauben an die eigenen Fähigkeiten wiederbelebt haben. Neue Zuversicht dürfte auch das Publikum gewonnen haben, das sich vor der Partie gegen Stuttgart erstmals gegen Trainer Peter Neururer gewandt hatte. „Labern ist Peter – Siegen ist Gold“, war auf einem fast 20 Meter langen Transparent in der Fankurve zu lesen, als die Teams einliefen.“