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Toppmöller folgt auf Jara
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| Donnerstag, 25. März 2004
Toppmöller folgt auf Jara – essenzielle Defizite in Frankfurts Nachwuchsarbeit (FAZ) – sehr lesenswert! Zeit-Interview mit Mehmet Scholl
Axel Kintzinger (FTD 23.10.) schildert den Trainerwechsel in Hamburg – Toppmöller folgt auf Jara: „Es ist, wie es so oft ist, wenn ein renommierter Klub in arge Turbulenzen gerät und in der Öffentlichkeit immer lauter die Trainerfrage gestellt wird. Erst verweigern die Spitzenmanager eines solchen Vereins Aussagen über den Trainer, dann stellen sie sich demonstrativ vor oder hinter ihn – und zuletzt schmeißen sie ihn in einer Nacht-und-Nebel-Aktion raus. Vorstandschef Bernd Hoffmann erklärte noch nach dem Debakel in Kaiserslautern: „Der gesamte Verein wird nun unter der Leitung des Cheftrainers auf das nächste Spiel hinarbeiten.“ Zuvor hatten Anhänger die Mannschaft während des Rückflugs aus der Ukraine stundenlang beschimpft und am Sonntag mit eine Sitzblockade versucht, die Abfahrt der Profis zu behindern. „Ich habe Verständnis für den Unmut der Fans“, sagte Hoffmann da, „und nehme das sehr ernst. Aber wir können unser Handeln nicht fremd bestimmen lassen.“ Den HSV, als 13. der Tabelle nur drei Punkte von der Abstiegszone entfernt, plagt nämlich nicht nur ein sportliches Problem. Der Klub ist hoch verschuldet und kann sich eine Trainerentlassung eigentlich gar nicht leisten. Erst vor wenigen Wochen hatte man Kurt Jara den Vertag verlängert – bis Mitte 2005. Und die Wahrscheinlichkeit, mit dem hoch gelobten Trainer in eine solch aussichtslos erscheinende Situation zu kommen, hatte die hanseatisch-kaufmännisch orientierte Vereinsführung sich wohl nicht vorstellen können.“
Sollen wir hier ein paar Seelenklempner einstellen?
Michael Eder (FAZ 23.10.) ermittelt essenzielle Mängel in der Jugendarbeit Eintracht Frankfurts: „Vierzehn Jugend- und Juniorennationalspieler hat die Fußballabteilung der Frankfurter Eintracht derzeit. Damit zählt ihre Jugendabteilung zu den herausragenden in Deutschland. Sechzehn Trainer beschäftigt der Verein allein für den Nachwuchs, drei davon sind hauptamtliche Kräfte. Doch trotz dieser eindrucksvollen Bilanz schaffen es die Frankfurter nur selten, aus ihren großen Talenten auch große Fußballspieler zu machen. Auffällig ist, daß die Eintracht immer wieder technisch hervorragende Spieler herausbringt – eine Art Frankfurter Jugendschule, die in der Tradition eines Vereins steht, der sich von Pfaff über Grabowski bis Bein immer dem schönen Fußball verpflichtet fühlte und das zumindest im Jugendbereich durchgehalten hat. Das herausragende Eintracht-Talent dieser Tage heißt Jermaine Jones, ein bulliger, spiel- und spurtstarker Stürmer, der für die nächste Saison einen Vertrag bei Bayer Leverkusen unterschrieben hat. Jones freilich hat Probleme, die ganz typisch für die Eintracht sind. Er kommt schon mal verschlafen und müde von nächtlichen Eskapaden ins Training, es fehlt ihm nicht an Talent, aber an Disziplin. Und wie seine Vorgänger bekommt er kaum Anleitung, kaum Hilfestellung vom Verein über das Sportliche hinaus. Cheftrainer Willi Reimann schickte Jones vor Wochen wortlos zu den Amateuren in die Oberliga, Gesprächen ist er prinzipiell abgeneigt. Wo Psychologie gefragt ist, liefert Reimann nur Zynismus: Sollen wir hier ein paar Seelenklempner einstellen? fragt er. Oder eine kleine Kapelle aufmachen? Womöglich wäre die erste Variante nicht die schlechteste: die Überlegung, problematischen Spielern nicht nur eine sportliche, sondern auch eine soziale oder psychologische Betreuung anzubieten. Klaus Lötzbeier, Leiter des Jugendzentrums, sieht die traditionellen Betreuer in dieser Funktion überfordert: Unsere Trainer und Betreuer sind eben keine Psychologen, sagt er. Sie sind nicht ausgebildet, um Kinder und Jugendliche in dieser Beziehung fachmännisch zu betreuen und zu führen. Dazu bräuchten wir tatsächlich einen Psychologen, der sich rund um die Uhr um die Jugendlichen kümmert, der permanent mit ihnen spricht und ihre persönlichen Probleme auslotet, aber das ginge so tief in den privaten Bereich, daß es ein Verein wie wir nicht leisten kann. Die soziale Betreuung bei der Eintracht beschränkt sich auf Einzelgespräche.“
Rainer Gansera (SZ 22.10.) war im Kino: „Wie Träume ihre Unschuld verlieren, wie sie Stück für Stück vom gnadenlosen Realitätsprinzip demontiert werden – davon erzählt Hübner sympathisch und einfühlsam, und es ist ein nüchtern-erhellender Blick, den er hinter die Kulissen des Profi-Fußballs wirft. Zu Beginn, 1998, hat die A-Jugend des BVB ihren großen Auftritt in der ausverkauften Arena des Westfalen-Stadions. Sie ist wieder einmal Deutscher Jugendfußball-Meister geworden und darf sich vor dem Bundesligaspiel feiern lassen. Aus dem Kader dieser Sieger-Mannschaft hat Hübner vier Jugendliche ausgewählt, um sie über den Zeitraum der nächsten drei Jahre in ihrem sportlichen und privaten Alltag zu beobachten und zu begleiten. Vier Karriere- und Charakter-Porträts, mosaikartig gefügt, chronologisch erzählt. Alle vier sind hoffnungsvolle Talente. Alle vier stehen vor den gleichen Fragen, stellen sich den gleichen Problemen. Haben die gleiche große Erwartung: Schaffen sie den Sprung ins Profi-Lager? Am weitesten bringt es der ruhig-besonnene, immens begabte Francis Bugri. Für kurze Zeit wird er in den Profi-Kader geholt, bis der Verein für 25 Millionen den Tschechen Tomas Rosicky einkauft, der auf Bugris Position zum Einsatz kommt. Aus der Traum. Die tragischste Figur: der impulsive Chilene Claudio Chavarria, der mit 17 zum BVB kommt, von Heimweh geplagt wird und sich mit der geforderten Spielereinstellung überhaupt nicht anfreunden kann: „In Südamerika wollen die Leute schönen Fußball sehen, nicht nur laufen und kämpfen wie in der Bundesliga.“ Der Trainer bescheinigt seinem Spiel: „Sieht elegant aus, ist aber total uneffektiv!“ Als sich Claudio einmal frustgeladen auf dem Trainingsplatz daneben benimmt, muss er seine Sachen packen.“
Besprochener Film: Die Champions, D 1998-2003 – Regie, Kamera: Christoph Hübner.
Da ist doch der Krach vom Scholl!
Sehr lesenswert! Zeit-Interview mit Mehmet Scholl
Mit 33 Jahren muss der frühere Nationalspieler Mehmet Scholl damit klar kommen, dass er beim FC Bayern nicht mehr erste Wahl ist. Aber das Älterwerden hat auch Vorteile: Er kennt jetzt seine Grenzen – und ein paar angenehme Münchner Discos
Zeit: Mehmet Scholl, Sie haben jetzt Ihre zweite CD mit Ihrer Lieblingsmusik bei einem Münchner Independent-Label herausgebracht. Angeblich hören Sie diese Stücke selber vor dem Spiel in der Kabine.
MS: Wieso angeblich?
Zeit: Weil die CD streckenweise sehr getragen wirkt, fast düster. Auf dem ersten Teil sind Grübel-Rock-Bands wie Tocotronic draufgepackt. Hört man so was wirklich vor dem Spiel?
MS: Das ist super. Ehrlich. Oder Coldplay. Es ist gut, wenn es einen etwas runterzieht. Am Spieltag bist du euphorisch genug. Du freust dich, du willst einfach nur losrennen auf den Platz. Da passt es gut, wenn du was hörst, was dir die Botschaft vermittelt: He, es gibt auch noch andere Sachen im Leben, es gibt nicht nur Fußball. Es stimmt, vieles von der Musik, die ich mag, ist eher schwer. Fast schon depressiv. Ich habe dem Oliver Kahn meine letzte CD gegeben, und da hat er später gemeint: „Willst du, dass ich mich erschieße, oder was?“
Zeit: Gibt es denn jemanden in der Mannschaft, der Ihren Musikgeschmack teilt?
MS: Ja, Roque Santa Cruz und Markus Feulner. Dem Roque bringe ich morgen die letzte Sportfreunde-Stiller-CD mit. Die anderen hören mehr so RB, Dancefloor und HipHop. Ich habe mal einen ganz subtilen Versuch gestartet und im Mannschaftsbus einen Mix eingelegt, der wirklich nur das Bekannteste enthielt, Oasis, Travis, Coldplay und so weiter. Nach dem dritten Lied haben sie von hinten gebrüllt: Mach den Scheiß aus! Da ist doch der Krach vom Scholl!
Zeit: Sie wirken nicht so, als ob Sie Ihrer Zeit als Teenie-Idol nachtrauern würden.
MS: In dieses Image wollte ich nie rein. Das habe ich damals, Anfang der Neunziger, einfach nicht überblickt. Ich habe es als Spiel gesehen, und es gab halt zwei Möglichkeiten: Entweder man blockt alles ab, wenn die Bravo auf der Matte steht – oder man spielt mit. Ich habe mitgespielt, aber das wurde dann ganz schnell gegen mich gedreht. Die Teenies haben mich vielleicht geliebt, aber die Fußballexperten hatten keinen Respekt vor mir.
Zeit: Günter Netzer hat noch nach der Pleite bei der WM 1998 gesagt, er hätte Sie nicht mitgenommen. Sie wären nur durch Dinge bekannt geworden, die nichts mit Fußball zu tun haben.
MS: Netzer und ich schätzen uns mittlerweile unglaublich, wir haben uns später ausgesprochen. Aber wahr ist, dass ich so was oft genug zu hören bekommen habe. Irgendwann habe ich mich komplett rausgenommen. Da kamen dann auch die üblichen Sachen. Die Bild hat mir eine Liebesgeschichte mit der Schauspielerin Radost Bokel angedichtet, bei der ich angeblich ganz blöd abgeblitzt wäre – obwohl ich die nicht mal gekannt habe. Dann ist meine Mutter gestorben, und selbst davor haben die im Boulevard keinen Respekt gehabt und rumgekramt. Das war der Punkt, an dem ich endgültig gesagt habe: Mit mir geht gar nichts mehr.
Zeit: Kann man als Fußballstar den Boulevardjournalisten überhaupt aus dem Weg gehen?
MS: Ich habe nichts gegen die, die machen halt ihren Job. Ich grüße die Boulevardjournalisten und mag die auch, aber ich muss nicht mehr ständig Auskunft geben, wie es mir geht oder warum wir Samstag gewinnen.
Zeit: Wären Sie trotz dieser negativen Begleiterscheinungen nicht auch gerne einer der ganz Großen im Fußball geworden?
MS: Ich war nie der Typ dazu. Wenn ich meine Karriere so anschaue, dann bin ich eher der Antiheld. Also, Held schon, weil ich überall dabei war und auch schon mal wichtige und schöne Tore schieße – aber ich bin nicht der, der im Champions-League-Finale das entscheidende Tor geschossen hat, der bei der Europameisterschaft 1996 das entscheidende Tor geschossen hat, der beim Weltpokal das Tor geschossen hat, der die Pokalsiege alleine rausgeschossen hat. Meine größte Leistung sind meine elf Jahre beim FC Bayern. Wenn du ein Blender bist, schießen die dich da schneller ab, als du gucken kannst. Mit einer Karriere als Weltstar hätte ich auch gar nicht umgehen können.
Zeit: Viele sehr gute Spieler machen ja auch noch mal einen Entwicklungssprung, wenn sie ins Ausland gehen. Warum sind Sie immer beim FC Bayern geblieben?
MS: Ich kann es mir gar nicht vorstellen, woanders zur Arbeit zu gehen. Ich kann mir auch gar nicht vorstellen, in einer anderen Stadt zu sein als in München. Es ist ein gutes Gefühl, zu wissen, dass man zu Hause ist. Ich kenne bei Bayern vom Jannis, dem Griechen, der bei uns putzt, bis hin zum Rummenigge, dem Vorstandsvorsitzenden, fast jeden persönlich.
Zeit: Das klingt sehr idyllisch – dabei gilt der FC Bayern den meisten Fans als kalt und arrogant.
MS: Ich distanziere mich von dieser Großkotzigkeit, die manchmal rüberkommt. So sehe ich mich nicht, so sehe ich den FC Bayern nicht. Wir haben mit Uli Hoeneß einen so menschlichen Manager, der so viel Herz und so viel Wärme hat, das ist unglaublich. Der ist immer für die Spieler da. Klar tritt der anders auf nach außen, da erlebt man immer nur, wie er den FC Bayern hart verteidigt. Aber wenn irgendein anderer Verein in Schwierigkeiten wäre, wenn Hertha morgen in finanziellen Schwierigkeiten stecken würde, dann wäre Uli Hoeneß der Erste, der sagt, der FC Bayern tut alles, damit ihr da rauskommt. So viel Menschlichkeit wie beim FC Bayern findet man anderswo im Profifußball nicht – glaube ich zumindest. Das ist wirklich eine große Familie. Fast alle leitenden Angestellten haben selbst lange für den Verein gespielt, für die ist das nicht irgendein Club, die hängen mit Leib und Seele dran. Der FC Bayern hat eigentlich das Zeug, ein cooler Verein zu sein, aber sie wissen nicht so recht, wie sie das rüberbringen sollen.
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