Ballschrank
„Trainingsgalopp“
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| Donnerstag, 25. März 2004
„Mit einer an WM-Turnieren selten zu beobachtenden spielerischen Leichtigkeit“ (NZZ) ist die deutsche Elf in einem „Trainingsgalopp“ ins Turnier gestartet. Damit gab Völlers Elf zumindest ein „kleines Versprechen für die nächsten Partien“. Sonntägliche Pressestimmen zu den gestrigen Spielen sind allerdings noch spärlich. Wir haben den Montag abzuwarten, wie der deutsche 8:0-Erfolg gegen Saudi-Arabien von den Zeitungen aufgenommen wird. Dahingegen hat Spaniens Presse – auch die seriöse – zu alter Kriegsmetaphorik zurückgefunden, wenn es darum geht, deutsche Erfolge auf dem Fußballfeld zu beschreiben.
Außerdem: das „robuste, taktisch perfekt eingestellte Ensemble“ (NZZ) aus Dänemark, Remis der deutschen Gruppengegner, Blatters Image, Nationalfeiertag in Senegal, taktische Fragestellungen an die WM 2002 sowie ein schwarzer Bildschirm.
„Es sah so aus, als ob sie drei Meter groß wären“, titelt die spanische Tageszeitung El País (1.6.) über die deutsche Elf nach deren Kantersieg. „Mit einem kriegerischen Spiel hat Deutschland Saudi-Arabien mit acht Toren überrollt. Deutschland zeigte keine Gnade mit einer Amateurmannschaft, doch sie haben nichts Neues erfunden. Man sieht keine besondere Fähigkeiten, außer bei Ballack, der ein sensationelles Spiel geliefert hat. Er spielt zwar nicht konstant, aber seine Fähigkeiten sind außerordentlich. Er ist der interessanteste Fußballer, der in den letzten zehn Jahren in Deutschland groß geworden ist. Das Ergebnis wird einen euphorisierenden Effekt auf eine Mannschaft haben, die in den letzten Jahren in Misskredit geraten ist. Jetzt erkennt man wieder das alte Deutschland, dessen Fußball immer gefürchtet wurde. Es stellt sich nur die Frage, ob es Fiktion oder Wirklichkeit ist, denn Saudi-Arabien bildet keinen gültigen Referenzwert. Aber die Zeit wird es zeigen. Nur eins ist sicher: Aus der Entfernung hört man das Rauschen, denn die Deutschen kommen mit der ganzen Feldtruppe im Galopp.“
Uwe Marx (FAS 2.6.) sieht in dem gestrigen Auftritt der Deutschen Anlass zu Hoffnung. „Zwei gute Nachrichten vorneweg. Die erste: Deutschland kann Fußball spielen. Die zweite: Saudi-Arabien auch. Das sah (…) zwar nicht so aus, dürfte aber als gesichert gelten (…) Den kleingewachsenen Saudis, speziell jenen, die gegen den deutschen Hünen Jancker verteidigen mussten, mochte man zwischen durch zurufen: Der beißt nicht! Die körperliche Überlegenheit der deutschen Mannschaft war gewaltig; ansonsten wären fünf Kopfballtore nicht möglich gewesen. Und doch garantiert sie allein nichts – wie mancher gestrauchelte Fußball-Goliath weiß (Deutschland zum Beispiel). Eine WM-Partie so aussehen zu lassen, als ob Erwachsene gegen A-Jugendliche spielten, ist keine Selbstverständlichkeit.“
Die öffentliche Erwartungshaltung in Deutschland erahnt Sven Goldmann (Tsp 2.6.). „Die Deutschen werden Völlers Mannschaft in Fernost viel verzeihen, sofern sie sich sympathische repräsentiert sehen. So, wie sie selbst gerne sein würden. Ein gewisses Maß an Ästhetik. Zwei, drei schöne Spielzüge. Alles, nur kein Rückgriff auf Tendenzen, mit denen die Deutschen 1954 in der Schweiz Weltmeister wurden. Heute hört es kein Deutscher mehr gern, wenn diese Tugenden typisch deutsch genannt werden. Damals hat sich die junge Bundesrepublik grätschend und Rasen pflügend den Weg aus der Isolation erarbeitet. Die Deutschen von 1954 wollten Respekt, die von 2002 wollen Zuneigung. Gestern haben sie dafür schon mal acht Gründe geliefert.“
Thomas Klemm (FAS 2.6.) erklärt das Zustandekommen des dänischen 2:1-Siegs über Uruguay. „Je länger das Spiel dauerte, umso deutlicher zeigte sich die taktische Überlegenheit der Europäer. Der dänische Offensivstil nach holländischem Vorbild – flach, schnell und über die Flügel – führte zum Erfolg.“
Helmut Schümann (Tsp 2.6.) über die unterlegenen Südamerikaner. „Die Uruguayer verfügen über keine Mannschaft, da ist kein zwingendes Zusammenspiel erkennbar, und konditionsschwach waren sie gegen die Dänen auch noch.“
Die NZZ (2.6.) über das Remis zwischen Kamerun und Irland. „5675 Kilometer Luftlinie trennen die irische Hauptstadt Dublin von der Kapitale Kameruns Yaoundé – noch mehr Distanz liegt allerdings zwischen den Fußballkulturen, welche die beiden nationalen Auswahlen repräsentieren: Wenngleich sich die die Grenzen zunehmend verwischen, die zu Stereotypen stilisierte Ausrichtung der Spielsysteme blieb gleichwohl jederzeit erkennbar. Hier der technisch versierte, leichtfüßige Gewinner des diesjährigen Afrika-Cups, dort der hemdsärmlige, von Leidenschaft getriebene Kraftakt der Iren.“
Die Irish Times (1.6.) wertet das Unentschieden gegen Kamerun als Erfolg: „Irlands Weltmeisterschaftsfeldzug begann heute beherzt, als sie nach einem Rückstand noch ein 1:1-Unentschieden gegen Kamerun erreichten. Die Männer von Mick McCarthy erfuhren in der Kabine anscheinend eine Metamorphose. Als sie zur zweiten Halbzeit mit Steve Finnan anstatt mit Jason McAteer aufliefen, erhöhten sie das Tempo und drücken vermehrt nach vorne. Als der japanische Unparteiische abpfiff, war es der amtierende Afrikameister und Olympiasieger, der erleichterter dreinschaute.“
Die Feierlichkeiten auf Senegals Straßen nach dem Sieg über den ehemaligen Kolonialherren Frankreich beschreibt Robert von Lucius (FAS 2.6.). „Überall wehten die Nationalfarben Rot, Grün, Gelb. Kinder mengten sich in das Gewühl: Präsident Abdoulaye Wade hatten ihnen schulfrei gegeben, weil niemand habe erwarten können, dass sie während Senegals Auftaktspiel bei einer WM lernten. Geschäfte änderten ihre Öffnungszeiten, um Angestellten das Fernsehspektakel zu ermöglichen. Nach dem Spiel fuhr auch der Präsident mit seinem Jeep, drapiert in den Nationalfarben, durch die Straßen, feierte mit und erklärte den Freitag zum Nationalfeiertag.“
Christian Eichler (FAS 2.6.) über das TV-Ereignis WM-Eröffnungsspiel. „Die Welt schaute zu. Halt, da haben wir aber zwei rückständige Flecken auf der Weltkarte vergessen. Nordkorea natürlich, letzte Wüste der Medienwelt. Und die blühenden Landschaften des digitalisierten Deutschland. Dort, wo man sich auf dem neuesten Stand der Empfangstechnik glaubte, schauten am Freitag ein paar Millionen in die Röhre: der schwarze Kanal, Ausgabe 2002. Tags darauf konnte sich auch der Rest Deutschlands vorstellen, wie das ist, im neuen Tal der Ahnungslosen, abgeschnitten vom Rest der Welt.“
Roland Zorn (FAS 2.6.) über Fifa-Präsident Blatter, der bei seiner Eröffnungsrede von den Stadionbesuchern in Seoul ausgebuht wurde. „Der Mann genießt kein Vertrauen mehr, nicht einmal beim gemeinen Fan auf der Tribüne, der im Vorstandsvorsitzenden der Weltfirma Fifa längst nur noch den Strippen ziehenden Sachwalter eines auf Zuwendungen, Absprachen und Begünstigungen ruhenden Systems eines sinnfreien Gebens und Nehmens erkennt.“
Fußball-Fachmann Christoph Biermann („Der Ball ist rund“) referiert (SZ 1.6.) über Fußballtaktik. „Fußball-Weltmeisterschaften haben den Charakter von Fachmessen, bei denen der jeweils neueste Stand des Spiels festgestellt werden kann (…) Beim WM-Turnier in Fernost wird es besonders um die Mischung aus individuellen Qualitäten und überlegener Organisation auf dem Platz gehen (…) Die Mannschaften müssen auf dem Platz eine gemeinsame Antwort auf die beiden wichtigsten Fragen finden, die der moderne Fußball stellt: Wie verwandle ich Defensive in Offensive, und wie entkomme ich in Ballbesitz der Enge des Raums?“
In Einklang mit dem Tagesspiegel am Sonntag (2.6.) vermissen wir TV-Zuschauer einen Mann: nämlich Radioreporter Günther Koch. „Der größte Skandal dieser Weltmeisterschaft ist, dass ihm all die angepassten Schalterbeamten der ARD-Anstalten vorgezogen wurden.“
über Spaniens Elf
über Schwedens
Stimung in China
über Chilavert
Scolari , Brasiliens Trainer
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