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Türkeis Vorliebe für deutsche Fußballtrainer wird um eine Episode erweitert: Werner Lorant wird Trainer bei Fenerbahce Istanbul
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| Donnerstag, 25. März 2004
Eher skeptisch bewertet die deutsche Sportpresse Lorants langfristige Erfolgsaussichten. Schließlich gelte der Trainerjob bei Fenerbahce „nicht unbedingt als der sicherste Europas“, schreibt Jochen Schlosser (Welt 03.01.). Der ehemalige Löwen-Trainer habe, Gerald Kleffmann (SZ 03.01.) zufolge, den neuen Job „seinem Ruf als strenger Trainer zu verdanken“. Türkische Öffentlichkeitsorgane begrüßten ihn als „Durchgeknallten“ und „geradeheraus“, der seinen Präsidenten schon mal als „Hosenscheißer“ (taz 03.01.) betitelte. Und: „Man muss verrückt sein, um in der Türkei und speziell in Istanbul als Fußballtrainer zu arbeiten“, wird der türkische Journalist Ozturk zitiert, womit er auf die ein Trainerdasein erschwerenden Umstände in seiner Heimat anspielt: kurzfristiger Erfolgsdruck durch die Öffentlichkeit, immense und ständige Medienpräsenz, Unruhe durch verbale Störfeuer eitler Funktionäre und besserwisserischer Ehemaliger. „Türkischer Meister sollte man eigentlich ziemlich bald werden, sonst geht´s einem noch schlechter als zu Hause“ (Christoph Biermann in SZ 03.01.). Der größte Fanklub des Vereins nenne ihn bereits jetzt einen „zweitklassigen Trainer“ (Uwe Marx in FAZ 04.01.). Folglich wirkt die Einschätzung Lorants etwas blauäugig: „Fußball ist überall gleich.“
Ob seine Entscheidung also tatsächlich, wie Stefan Hermanns (Tagesspiegel 03.01.) meint, auf Lorants Einsicht beruhe, „dass er mit seinen Arbeitsmethoden aus dem fußballerischen Paläolithikum in seriösen Ligen wohl keine begründete Chance mehr auf eine Anstellung gehabt hätte“, darf daher angezweifelt werden. Jedoch gilt die Türkei als „Ort der Hoffnung für alle Verdammten und Verfluchten, Verjagten und Vergessenen“ (Biermann). In der Tat waren es in erster Linie diejenigen Trainer Deutschlands, deren „Haltbarkeitsdauer“ (Biermann) abgelaufen war: Jörg Berger, Christoph Daum, Reinhard Saftig, Rüdiger Abramczik, Hans-Peter Briegel, Rainer Hollmann, Kalli Feldkamp, Jupp Derwall. Letzterer gilt am Bosporus noch heute als Pionier, obwohl er zur Zeit seiner Beschäftigung bei Galatasaray „hier zu Lande bestenfalls noch als Pilsnase in Erinnerung“ gewesen sei, wie Biermann abfällig bemerkt. Es liegt nun also in den Händen Lorants, die türkische Hochachtung vor deutschen Fußballlehrern nicht zu enttäuschen und des Weiteren gewachsene bilaterale Traditionen weiterzuführen, wie sie „Hobby-Historiker Christoph Daum“ (Biermann) so trefflich formulierte: „Im ersten Weltkrieg waren wir Waffenbrüder, dann kamen die Gastarbeiter nach Deutschland und später Jupp Derwall in die Türkei.“
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