Ballschrank
Uli Hoeneß
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| Donnerstag, 25. März 2004
Uli Hoeneß im SZ-Interview über die Ambitionen Bayern Münchens und das Verhältnis zu Marcel Reif – wieder Deisler-Schlagzeile: Kritik an Edmund Stoiber für dessen Äußerung – die Stuttgarter Horst Heldt und Philipp Lahm im Portrait – Reiner Calmund übergibt, langsam und leise, den Stab an Ilja Kaenzig – die Achterbahnfahrt Robson Pontes, Bayer Leverkusen – „Doppelmoral“ (SZ) im Doping-Fall Walke – in vielen Sportbüchern regiert die 1. Person Singular – Spiegel-Recherche: viele brasilianische Profis engagieren sich finanziell in ihrer Heimat – was Harald Schmidt und Fußball gemeinsam haben (FAZ) u.v.m.
Vom Niveau Real Madrids sind wir im Moment weit entfernt
SZ-Interview mit Uli Hoeneß
SZ: Herr Hoeneß, das Los hat dem FC Bayern für das Achtelfinale der Champions League Real Madrid beschert. Sind Sie schockiert oder entsetzt?
UH: Weder noch. Wir wussten ja, dass die Chance relativ hoch ist, Real zu bekommen. In der jetzigen Situation ist das ein ganz gutes Los. Das Stadion wird ausverkauft sein, und unsere Mannschaft ist Außenseiter. Für uns ist das ein Ansporn. Das schwebt jetzt acht Wochen lang wie ein Zauber über allen.
SZ: Vor der Saison haben Sie angekündigt, mit Real gleichziehen zu wollen. Hätten Sie besser geschwiegen?
UH: Gleichziehen nicht. Wir wollten sie ärgern. Aber vom Niveau Real Madrids sind wir im Moment weit entfernt, das muss ich zugeben.
SZ : Eigentlich müssten Sie glücklich sein, dass die Partie überhaupt zustande kommt. Wie groß waren Ihre Angstgefühle gegen Ende des Anderlecht-Spiels?
UH: Es war bedenklich. Einerseits haben wir sehr schwach gespielt. Andererseits hat sich gezeigt, dass unsere Mannschaft sehr sensibel ist, wenig nervenstark – das war ja teilweise pure Panik, Angst, dieses Tor zu kriegen. Aber glauben Sie ja nicht, dass da irgendeiner von denen nicht alles gegeben hat. Schlimm genug, aber es ist so: Die haben alles gegeben. Wir müssen jetzt in den beiden letzten Bundesligaspielen noch eine gute Basis schaffen, und dann müssen wir irgendetwas anfangen, damit diese Mannschaft wieder nach vorne kommt.
SZ: Die Unverträglichkeit von Kritik scheint ein verbreitetes Problem zu sein. Dass ein Spieler wie Ballack gegen Ihre Kritik aufbegehrt, ist ungewöhnlich.
UH: Das ist die neue Generation, die Widerworte muss man sich heute gefallen lassen. Ich hab’ mich diese Woche wieder an unseren früheren Trainer Erich Ribbeck erinnert. Da sitzt der Hargreaves bei der Mannschaftssitzung mit der Pudelmütze da. Da hätte der Erich Ribbeck einen Schreikrampf gekriegt.
SZ: Sie selbst haben zuletzt auch empfindlich reagiert – auf Marcel Reifs kritische Kommentierung der Bayern-Spiele bei Premiere. Wollen Sie deswegen tatsächlich einen Boykott verhängen?
UH: Ach was. Ich hab’ nichts gegen Premiere und überhaupt nichts gegen Kritik. Nur beim Reif ist es so: Erstens ist er ein eitler Pfau. Zweitens geht es ihm nur um Trends. Und ich habe einfach was dagegen, wenn sich ein exponierter Kommentator über Wochen und Monate so verhält. (Hoeneß erwartet von Journalisten nun mal Loyalität, Herr Reif! – of)
SZ: Aber auch dieses Detail passt in das Bild eines FC Bayern, der überreagiert und das Maß verliert.
UH: Zu unserer Ehrenrettung muss ich sagen, dass es einfach verdammt schwierig geworden ist. Mit bestimmten Medien ist es ein permanentes Gegeneinander. Da gibt es offensichtlich Leute, die gehen morgens in ihre Redaktion und fragen sich: Was können wir heute Negatives in die Welt setzen? Letztlich habe ich dem Reporter einer Münchner Zeitung gesagt: ,Können Sie mal in ihren Kommentaren 2003 nachlesen, ob Sie einen einzigen positiven Artikel über den FC Bayern geschrieben haben?’ So was macht einen auf Dauer mürbe.
SZ: Hat der FC Bayern, vereinfacht gesagt, auch eine Führungskrise? Sie stehen ziemlich allein da, nachdem Karl-Heinz Rummenigge aus privaten Gründen abgetaucht ist.
UH: Das ist nach Weihnachten keine große Sache mehr, dann wird der Kalle wieder voll da sein. Natürlich: Zuletzt hat man nur geschaut, was bringt diese Illustrierte als Nächstes? Dann muss man mit den Anwälten reden, Gegendarstellung und so weiter. Jeden Morgen, wenn er aus dem Haus geht, stehen da fünf Fotografen. Der Nachbar ist mal im Schlafanzug vor die Tür gekommen – und dann sitzt da, acht Meter über ihm, ein Fotograf im Baum.
Ausgeplaudert, was in der Chefetage des Vereins gemunkelt wird
Elisabeth Schlammerl (FAZ 13.12.) rügt Edmund Stoiber für dessen Äußerung im Fall Deisler: „Die Verantwortlichen beim deutschen Rekordmeister haben sich nicht immer geschickt angestellt und damit auch neue Gerüchte geschürt. Es drängt sich der Eindruck auf, daß sie, wie alle anderen Beteiligten, schlichtweg überfordert sind mit der Situation. Was nun aber Edmund Stoiber passiert ist, das hat damit eigentlich wenig zu tun. Zudem dürfte es dem bayerischen Patienten nicht gerade helfen auf seinem schwierigen Weg aus der Lebenskrise. Ich gehe davon aus, sagte Bayerns Ministerpräsident der Münchner Abendzeitung, daß Sebastian Deisler nie mehr für den FC Bayern spielt. Er sei dem Druck nicht gewachsen. Der umgerechnet 9,5 Millionen Euro teure Spieler ist eines der größten Verlustgeschäfte, die der FC Bayern je gemacht hat. Diese Sätze sind auf einem Weihnachtsempfang der CSU gefallen, und wenn man Stoiber auch zugute halten mag, daß ihm womöglich ein wenig Glühwein in launiger Runde die Zunge gelöst hat, so ist diese Aussage nicht nur unglücklich, sondern schon geschäftsschädigend. Weil er zugleich Vorsitzender des Verwaltungsbeirats des deutschen Meisters ist, muß er sich der Tragweite seiner Worte bewußt sein. Und er braucht sich nicht zu wundern, wenn nun spekuliert wird, daß Stoiber einfach ausgeplaudert habe, was in der Chefetage des Münchner Vereins gemunkelt wird.“
Hättest du dir keine Blöße gegeben
Wolfgang Gärner (SZ 13.12.) schließt sich an: „Allzu breit wurde der Fall auf dem Boulevard getreten, endlich ergab sich so was wie ein Konsens zur Beruhigung – da goss der Chef aller Bayern persönlich Öl ins Feuer. Si tacuisses, hättest du dir keine Blöße gegeben: Franz Josef Strauß kannte seinen Anicius Boethius wohl (scherte sich bloß nichts drum), sein politischer Ziehsohn scheint in Latein schwächer. Dass er damit in der siebten Klasse am Rosenheimer Gymnasium ein Problem hatte, ist ihm nicht nachzutragen, wohl aber leichtfertiges Schwadronieren über eine Krankengeschichte. Dass die Angelegenheit prompt auf die parteipolitische Bühne gezerrt wird, wirkt eher peinlich. Stoiber gebühre der Preis für das herzloseste Weihnachtsgeschenk; er offenbare ein erschreckendes Menschenbild, bei dem anscheinend nur zählt, was sich in Euro und Cent rechnet, empört sich in einer Presseaussendung Theresa Schopper, Landesvorsitzende von Bayerns Grünen. Des Landes oberster Sozialdemokrat Franz Maget musste sich erst öffentlich über das Ende der Harald Schmidt Show empören, ehe auch er im Fall Deisler aktiv wurde: So etwas tut man nicht, teilte er dem Oberhaupt der 60-Prozent-Partei mit.“
Reflexe der politischen Gegner
Andreas Lesch (BLZ 13.12.) sieht das ähnlich: „Warum sagt ein Mann solche Sätze? Ausgerechnet ein Politiker, der sich seit Wochen als soziales Gewissen der Republik inszeniert? Egal, was Edmund Stoiber getrieben hat – seine Worte reichten aus, um die Reflexe seiner politischen Gegner zu testen: Sie funktionieren hervorragend. Die Grünen-Politikerin Theresa Schopper rügte prompt Stoibers erschreckendes Menschenbild, Franz Maget von der bayerischen SPD wollte da nicht nachstehen. Er bescheinigte Stoiber berechnende Kälte. Was hier läuft, ist das übliche politische Spielchen: Einer sagt etwas, die anderen reagieren. Wenn es um Sport geht, läuft das Spielchen erst recht wie geschmiert. Politiker versuchen gern, sich auf diesem Gebiet zu profilieren. Weil sie wissen, dass der moderne Hochleistungssport, diese Fernsehdisziplin, die Massen erreicht ist – und weil sie hoffen, in seinem Umfeld volksnah zu wirken.“
Eine der Symbolfiguren für den schwäbischen Aufschwung
Christian Zaschke (SZ 13.12.) porträtiert Horst Heldt, VfB Stuttgart: „Horst Heldt grinst ziemlich viel im Moment, weil er eine ziemlich gute Geschichte zu erzählen hat. Im vergangenen Winter saß Heldt in Österreich, angestellt bei Sturm Graz. 2001 ist er runtergegangen, damals mit dem Gedanken, „sich noch ein, zwei vielleicht sogar drei schöne Jahre zu machen“. Am Anfang war es noch so ein bisschen schön, 25 Einsätze, davon 19 als Einwechselspieler. Dann wurde es schnell weniger schön, Heldt saß auf der Bank, und als er im Sommer 2002 prüfte, ob er nicht doch nach Deutschland zurückkehren könnte, wurde es geradezu hässlich: „Es gab null Anfragen, schon gar keine aus der ersten Liga“, sagt Heldt. Er grinst dabei, weil er das gute Ende der Geschichte kennt. Da ist nichts zu sehen vom nochmaligen Durchleiden der Zeit beim Erzählen oder so etwas. Horst Heldt macht diese Geschichte Spaß. Also, Winter in Graz: „Ich habe mit Felix Magath immer Kontakt gehalten seit unserer gemeinsamen Zeit in Frankfurt (1999 – 2001). Unter ihm habe ich meinen besten Fußball gespielt, dem Mann habe ich viel zu verdanken. Also habe ich mich ab und zu gemeldet und habe ihm erzählt, welche Probleme ich habe, einen Verein zu finden. Ich hatte im Winter zwei Anfragen aus der zweiten Liga, und der Trainer hat überlegt und gesagt: ,Wir können nichts machen, wir haben kein Geld, wir können nichts bezahlen‘, das war natürlich ein Problem, aber dann hat der Trainer nochmal mit dem Präsidenten gesprochen, dann kam der Anruf. Am nächsten Tag sollte ich in Stuttgart sein, um am Tag danach gleich mit ins Trainingslager zu fahren. Ich habe dann einen Eineinhalbjahres-Vertrag bekommen, um mal zu sehen, wie’s läuft, und das ist jetzt dabei herausgekommen.“ Jetzt organisiert Horst Heldt gemeinsam mit Aliaksandr Hleb das Stuttgarter Mittelfeld und ist eine der vielen Symbolfiguren für den schwäbischen Aufschwung.“
Rainer Seele (FAZ 13.12.) stellt uns Philipp Lahm, VfB Stuttgart, vor: „Er hätte einen Staatsmann nennen können oder einen seiner berühmten Berufskollegen; Ronaldo beispielsweise oder Zinedine Zidane. Man hätte wohl auch dafür Verständnis aufgebracht. Aber Philipp Lahm, 20 Jahre alt, beantwortete vor einiger Zeit die Frage, wer die wichtigste Person der Zeitgeschichte für ihn sei, mit: Jesus. Das mag man als bemerkenswert einstufen, als Indiz dafür, daß die Gedanken des jungen Mannes nicht allein um das Areal kreisen, das für ihn zum Zentrum seines Lebens geworden ist. Lahm als frühreif zu bezeichnen ist nicht allzu weit hergeholt. Das hat jedoch in erster Linie mit dem Eindruck zu tun, den er als Fußballprofi vermittelt. Wenn von den Emporkömmlingen des VfB Stuttgart die Rede ist, von den jugendlichen Protagonisten aus dem Schwabenland, werden zuallererst Kevin Kuranyi oder Andreas Hinkel erwähnt. Doch bald danach folgt schon Lahm, der im Sauseschritt vorangekommen ist im ablaufenden Jahr.“
Prototyp des Fußball-Managers der jüngeren Generation
Daniel Theweleit (BLZ 13.12.) beschreibt Reiner Calmunds langsamen und leisen Ausstieg sowie den Leverkusener Stabwechsel an Ilja Kaenzig: „Seit Saisonbeginn taucht der Mann immer seltener vor den Mikrofonen und Fernsehkameras auf, ein erster Schritt. Der Klassenerhalt in der vorigen Saison und die Erfolge des laufenden Jahres sind wohl so etwas wie die Vollendung seiner Mission beim Werksklub. Wir haben in den vergangenen Jahren das Plastik-Image abgestoßen, wir sind ein familiärer Klub, der hochmodern strukturiert ist. Wir gehören zur G14, zu den wichtigsten Klubs Europas, sagt er und klingt, als müsse er den Klub immer noch gegen den Vorwurf verteidigen, eine gesichtslose Betriebself zu sein. Calmund, 55, ist ein Kämpfer für das Bayer-Image, aber in der letzten Saison hat er gemerkt, dass der Stress seiner Gesundheit enorm abträglich ist. Das steckt in den Knochen, erzählt er, und mit einem Hauch Melancholie fügt er an: Ilja Kaenzig hat einen großen Vorteil mir gegenüber: die Zukunft. Die habe ich leider nicht mehr. Kaenzig ist sein designierter Nachfolger. Wir bauen da einen Kronprinzen auf, sagt Calmund. Er schwärmt von dem 30-jährigen Schweizer, der seit 1998 in Leverkusen arbeitet. Er spricht vier Sprachen, ist fest installiert in der G14, und er macht das Scouting. Der kann Fifa-Präsident werden, verkündet der Mentor. Tatsächlich gilt Kaenzig als Fußballwunderkind. Mit 22 versuchte er sich als Spielervermittler und bot Erich Vogel, damals Sportdirektor bei Grasshoppers Zürich, ein paar Akteure an. Die wollte Vogel nicht, aber angetan von der innovativen Präsentation bot er Kaenzig einen Job an. Vier Jahre später holte Calmund den Betriebswirt als Nachfolger von Andreas Rettig an seine Seite. Dort reifte der Schweizer zum Prototypen des Fußball-Managers der jüngeren Generation.“
Christoph Biermann (SZ 13.12.) befasst sich mit der Achterbahnkarriere Robson Pontes, Bayer Leverkusen: „Gezaubert, getrickst und den Ball auf fast nicht mehr nachvollziehbare Weise befehligt hat Robson Ponte von Beginn an. Wirklicher Applaus eingestellt hat sich erst in den letzten Monaten und eine letztlich typische Geschichte damit noch ihre glückliche Wendung gefunden. „Jetzt weiß ich, dass ich die einfachen Bälle spielen muss“, sagt der 27 Jahre alte Brasilianer, der die schwierigen sowieso beherrscht. Er weiß auch, dass er verlorenen Bälle nachzujagen hat. Robson Ponte hat das in mehr als vier für ihn schweren Jahren gelernt, auch wenn niemand mehr so richtig daran geglaubt hatte (…) Lobeshymnen für den Künstler des Dribblings gab es schon nach seinem ersten Bundesligaspiel im August 1999 mit Bayer Leverkusen beim MSV Duisburg. Doch es war der Beginn eines langen Umweges, wie sich bald erwies. Als Ponte Wochen später im Heimspiel gegen den SSV Ulm einen höchst komplizierten Trick vorführte (Flanke mit dem rechten Fuß, der um das linke Standbein herum geführt wird), war Christoph Daum außer sich. Die kulturellen Missverständnisse zwischen Ponte und Bayer häuften sich. Mit Ulf Kirsten gab es auf dem Platz fast Handgreiflichkeiten, weil Ponte zu eigensinnig spielte. Der Brasilianer vergaß den defensiven Part seiner Arbeit und war daher oft nur Einwechselspieler. „Das fand ich ungerecht und war nervös, wenn ich auf den Platz kam“, sagt Ponte. Im Dezember 2000 wurde er für einen Kopfstoß gegen Jens Jeremies (FC Bayern) gesperrt und Anfang des folgenden Jahres für einen Ellbogenschlag gegen Bruno Akrapovic (Energie Cottbus). Acht Wochen Sperre musste er insgesamt absitzen – ein weiterer Brasilianer schien in Europa zu stranden. „Es zeigt einen starken Willen, wenn man in dieser Situation von Leverkusen gerade nach Wolfsburg wechselt“, sagt Ilja Kaenzig. Dort gibt es keine brasilianische Community, weder in der Mannschaft noch in der Stadt, und kaum Ablenkung. Ponte hätte es in Südeuropa oder Brasilien leichter gehabt, als sich 2001 zum VfL Wolfsburg ausleihen zu lassen.“
Doppelmoral
Jörg Marwedel (SZ 13.12.) kommentiert den Doping-Fall Walke: „Was am Fall Walke auffällt, ist die Doppelmoral, die im Fußball mindestens so zu Hause ist wie in der gesamten Gesellschaft. Die Droge Alkohol bleibt bei der Betrachtung schädlicher Einflüsse oft ausgeklammert. Bilder vom DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder mit Wein- oder Bierglas gibt es zuhauf. Und auch Oliver Kahn, von vielen als Vorbild und Übervater aller Spitzenfußballer gefeiert, führt längst öffentlich vor, dass Trinken, Rauchen und ein ausgiebiges Nachtleben zum Abbau der von ihm beklagten „unglaublichen Spannungen“ quasi unverzichtbar seien. Also wird vorerst weiter mit zweierlei Maß gemessen – auch, weil Alkohol nicht wie Cannabis auf der Dopingliste steht.“
FR: Bachirou Salou kickt jetzt in der Landesliga
Jens Glüsing (Spiegel8.12.) recherchiert das finanzielle Engagement vieler brasilianischer Profis in ihrer Heimat: „In der Bundesliga sind sie die umjubelten Stars, in ihrer brasilianischen Heimat sind sie die verehrten Wohltäter. Häufig aus ärmlichen Verhältnissen stammend, versorgen Profikicker wie Ailton oft die ganze Sippe – so mancher Ort sähe anders aus ohne das Geld aus Europa. Ailton-Land beginnt am Ortseingang von Mogeiro, seiner Geburtsstadt im trockenen Herzen des brasilianischen Nordostens. Rechts machen Bulldozer ein paar Hütten platt, dort lässt der Fußballprofi von Werder Bremen eine Tankstelle mit Kaufladen errichten. Nebenan weiden sechs Reitpferde vor einer Stallanlage, das ist sein Gestüt. 100 Meter weiter mauern und hämmern rund 30 Arbeiter an einer weiß umzäunten Arena nebst Konzertbühne. Am 27. Dezember soll es so weit sein: Dann eröffnet der treffsicherste Stürmer der Bundesliga seine eigene Vaquejada, wie das Bauern-Rodeo in dieser Region genannt wird. Ailton Gonçalves da Silva, 30, eines von acht Kindern des bettelarmen Landarbeiters Pedro Cruz, ist der heimliche Herr über Mogeiro. Er ist ein Segen für die Stadt, sagt sein Schwager Aurelio José Ferreira. Und ein Segen für die Familie, aber das versteht sich eigentlich von selbst: Keiner der Brasilianer, die im fernen Deutschland kicken, lässt seine Verwandtschaft in der Heimat darben. Brasilianer sind Familienmenschen. Das gilt erst recht für die hoch bezahlten Fußballstars, die häufig aus armen Verhältnissen stammen. Aus den kinderreichen Clans der Ailtons, Dedes und Marcelinhos ließen sich mühelos mehrere Fußballmannschaften rekrutieren. Doch da zumeist nur einem der Sprung in die gelobten Länder Europas gelingt, lastet auf dem das Wohl der ganzen Sippe. Allein in der obersten deutschen Spielklasse sind 24 Brasilianer beschäftigt, in Italien und Spanien sind es nicht weniger. Eine Spitzenkraft wie Torjäger Ailton wird nach seinem Wechsel zu Schalke 04 im kommenden Sommer rund vier Millionen Euro pro Jahr verdienen (…)Die Eskapaden, mit denen Brasilianer wie Ailton so manchen deutschen Vereinsmanager an den Rand der Verzweiflung treiben – die eigenmächtig verlängerten Heimaturlaube, der verquere Stolz, die Empfindlichkeit bei Kritik –, kann leichter nachvollziehen, wer um ihre Herkunft weiß. Schon als Sechsjähriger zog Ailton mit dem Vater über die Felder, um Maniok anzubauen oder Bohnen zu ernten. Abends kickte er mit Freunden neben der elterlichen Hütte. Irgendwann wurde ein Olheiro auf den Jungen aufmerksam, wie die Scouts der Profivereine genannt werden. Ein kleiner Club im Bundesstaat São Paulo nahm ihn unter Vertrag, der mühsame Aufstieg zum Berufsfußballer begann. Der bullige Stürmer war in seiner Heimat nie ein Star. Jahrelang rackerte er sich bei Provinzvereinen ab. Kreuz und quer zog er durchs Land, ein Handlungsreisender in Sachen Fußball. Als er für Guarani im Süden spielte, erhielt er das erste Angebot aus dem Ausland. Knapp ein Jahr kickte er in Mexiko, bis Werder Bremen ihn 1998 nach Deutschland holte. Als er vor ein paar Wochen seinen Wechsel zum FC Schalke ankündigte, weil der besser zahlt, wurde Ailtons Art, Prioritäten zu setzen, nicht nur in der Hansestadt heiß diskutiert. Ich muss an meine Familie denken, entgegnet er Kritikern, die ihn als Söldner bezeichnen.“
Ich! Mir! Meiner! Mich!
René Hofmann (SZ 13.12.) hat viele neue Sportbücher gelesen und beklagt die Häufung der 1. Person Singular: „Früher wurden viele Bücher über den Sport geschrieben, inzwischen schreiben viele Sportler Bücher. Es ist ein Trend, der darin wurzelt, dass Fernsehen und Internet kaum noch Bilder und Geschichten übrig lassen, die es sich lohnt, Monate später zwischen Buchdeckel zu pressen. Aber prominente Namen verkaufen sich. Je prominenter, desto besser (…) Ich! Mir! Meiner! Mich! So schreit es in den meisten Werken von jeder Seite. Bereitwillig wird Persönliches feilgeboten. Das ist amüsant, wenn Uwe Seeler berichtet, als Kind so in Knackwürste verliebt gewesen zu sein, dass er Schlachter werden wollte. Das ist ergreifend, wenn Frank Busemann beschreibt, wie er von dem Ermüdungsbruch erfuhr, der seinen Start bei den Olympischen Spielen in Sydney gefährdete: „Die Diagnose glich einem Todesurteil. Ein Traum starb mir unter den Händen weg. Der Gedanke an den Tod meines Traums war ein Stück Tod meines Herzens. Ein Stück von mir. Der Sinn des Lebens wurde mir genommen. Alles, wofür ich lebte – zerstört. Mein Körper nahm mir meine Seele. Alles weg. Alles vorbei.“ Penetrant wird das Persönliche, wenn sich Stefan Effenberg auslässt, wen er wann „geplättet“ hat und Becker übers Bettspiel sinniert: „Es mag vielleicht spannend sein, wenn die Frau für eine oder zwei Nächte die Lehrerin ist, ich glaube aber, umgekehrt sind die Zukunftsaussichten für die Beziehung besser.“ Zwei Kinder schreiben da. Kinder ihrer Zeit. Einer Epoche, in der das Handy die Welt eroberte, in der Telefonate plötzlich öffentlich wurden, in der sich der Terror des Privaten Bann brach. Die Erkenntnis hat etwas Tröstliches: Auch Sportler sind nur Menschen. Ihre Lebensläufe bieten viel Langeweile, einige spannende Momente, aber wenig wirklich Dramatisches.“
Erklärungsmuster für alle Lebensbereiche
Christian Eichler (FAZ 13.12.) wird – wie auch ich – Harald Schmidt vermissen: „Lieber Harald Schmidt, jetzt schlagen Sie an Ihrem freien Tag nichtsahnend diesen scheinbar schmidtfreien Teil der Zeitung auf. Und nun das! Aber keine Angst, das wird kein Nachruf. Wozu auch, waren ja genug. Nein, das wird ein Erpresserbrief. Wir wollen hier ganz deutlich sagen, daß das so nicht geht: einfach abhauen, nur weil man einen neuen Chef bekommt. Wenn das Schule macht, können wir neben der Harald-Schmidt-Show auch die Fußballbundesliga einpacken. Und was bleibt dann? Kerner und Curling? (…) Was droht ohne Schmidt? Der Fußball wäre dann der einzige Halt, der letzte Hort, wo man noch lustig lernen darf, wie das Leben so läuft. Das könnte den Fußball aber schnell überfordern. Und was dann? In unübersichtlichen Zeiten bot er uns wie sonst nur die Schmidt-Show Erklärungsmuster für alle Lebensbereiche. Vom Fußball fürs Leben lernen, fürs politische etwa. Nehmen wir nur den demonstrativen, immer mehr zunehmenden Solo-Jubel. Kein Blick für den Mitspieler im Augenblick des Triumphes, beide Daumen des Torschützen zum Rücken zeigend, dorthin, wo groß lesbar der Name steht: Diese Form der Selbsterhöhung, wenngleich in etwas subtilerer Ausarbeitung, ist längst auch eine Standardsituation des politischen Lebens. Dort bastelt man sie aus Rhetorik und Staatssymbolik, aus Applaus- und Mediensteuerung etwas kunstvoller zusammen. Doch letztlich mit derselben Botschaft, demselben Resultat auf der politischen Bühne wie auf dem Platz: Seht her, ich war’s, ich habe den Ball reingedrückt / die Reform durchgedrückt. Im Medienzeitalter zählt das Tor, nicht die Torvorlage, zählt der öffentliche Akt, nicht die Aktenvorlage. Wer den Spielball zuvor geschickt durch Abwehrreihen und Ausschüsse befördert hat, ehe er ihn zur Endverwertung weitergab, ist als Medienfigur uninteressant, abseits.“
Sehr interessant
Zum Abschluss Peter Lückemeier (FAS 7.12.): „Der britische Po-Forscher Professor John Manning hat nach den Angaben von Neue Revue Tausende Fotos von Frauenhinterteilen verglichen und vermessen. Sein Ergebnis: Taillenumfang geteilt durch Hüftumfang sollte 0,7 ergeben, das ist der perfekte Po-Index. Wir wissen wenig über den Po von Marianna, der dritten Ehefrau des Lothar Matthäus. Sie ist 32, Boutiquenbesitzerin, Serbin und sieht nett aus. Der Lodda, der sonst in Interviews jeden Satz mit Ja, okay beginnt, erklärt in Neue Revue schnörkellos die Entstehungsgeschichte seiner Liebe: Sie stand vor einem Lokal. Mich traf der Blitz. Außerdem gibt er an, sich mit ihr auf englisch zu verständigen. Ja, okay, aber da müssen dann doch seltsame Dialoge zustande kommen, denn als Lodda sich damals bei den New Yorker Metro Stars vorstellte, sprach er auf seine weltläufige Art: I come next year for play soccer and I hope we have a little bit lucky. Hoffentlich hat er Glück mit dieser Ehe, diese gutaussehenden Prominenten sind schon großen Anfechtungen durch promisüchtige Frauen ausgesetzt. Sehr zu denken gab uns auch, was die Effenberg-Gefährtin Claudia Strunz in Frau im Spiegel über die Sitten im Bundesliga-Umfeld verrät: Fragen Sie doch mal die Fußballerfrauen, was sie Freitag abends machen, wenn ihre Männer schon im Trainingslager sind. Und warum sie am Tag darauf im Stadion immer eine dunkle Sonnenbrille tragen. Sehr interessant.“
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