Ballschrank
Uli Köhler
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| Donnerstag, 25. März 2004
Juan Moreno (SZ 22.3.) widmet seine Aufmerksamkeit Uli Köhler, SAT1-Reporter (ran), dauerhaft am Spielfeldrand des Münchner Olympiastadions (den ich jahrelang wahrhaft für einen Vereinsoffiziellen des FC Bayern hielt). „Fußballfans, die ran schauen, (müssen) wissen: Aufgrund enervierender, aber zwingender Werbeblöcke wird die Sendung Samstag für Samstag mit sagenhaft leerem Geschwätz gestreckt, und das Bayern- Spiel kommt immer am Schluss. Wenn ein Reporter vor dem Spiel fragt, wie die Chancen für einen Sieg stehen, dann kann ein Trainer antworten: „Ich würde mal sagen, so 40/70“; Schalke-Trainer Neubarth hat das letzte Woche gesagt. Kein Problem, wenn der Reporter nicht vor Lachen zusammenbricht und das genauer erklärt haben möchte, sondern zurück ins Studio gibt, wo dann weiter geschwätzt wird. Wenn Andreas Brehme als Co-Kommentator ein Spiel mit „Ich sach mal so, sach ich mal“ beginnt, dann ist die ran-Reporter-Reaktion ein anerkennendes Nicken. Eines hingegen darf der Reporter am Spielfeldrand nicht: auffallen. Schon gar nicht modisch. Das ist schon bei Spielern oder Trainern gefährlich. Modisch ist nicht männlich. Ist nicht Fußball. Ein paar Ausnahmen: Alex James, ein brillanter Spieler bei Arsenal London in den dreißiger Jahren, trug Hosen, die vier Nummern zu groß waren. Er schoss eine Menge Tore, also wurde es als nette Marotte angesehen, dass seine Hosen von der Brust bis zur Wade reichten. Wenn Beckenbauer nicht Deutscher Meister mit Bayern München und Weltmeister 1990 geworden wäre, hätte man sich darüber lustig gemacht, dass er als erster Teamchef in der Liga Sakko und Krawatte während der Spiele trug. Klaus Toppmöller, der ehemalige Trainer von Bayer Leverkusen, hat in der letzten Champions-League-Saison, als seine Mannschaft bis ins Finale kam, durch seine Sakko-Wahl alles kaputt gemacht, was Wolfgang Joop, Karl Lagerfeld und Jil Sander für Deutschland zuvor getan hatten. Bundestrainer Helmut Schön durfte eine Mütze tragen, weil er erfolgreich war. Aus demselben Grund darf David Beckham seine Haare so tragen, als habe eines seiner Kinder sie geschnitten. Es wird sich wahrscheinlich immer ein deutscher Nationalspieler finden, der Beckham kopiert. Nicht, weil Beckhams Haarschnitt so gut ist, sondern weil das der Haarschnitt von Beckham ist. Ein Feldreporter aber soll keine Extravaganzen haben. Er ist nicht schmückendes, sondern notwendiges Beiwerk, wie das Flutlicht, die Plastikbecher für das Bier, die Stadionwurst. Er gehört dazu, er ist immer da; er soll nur nicht auffallen. Uli Köhler lässt sich und seine gelbe Brille bei Interviews meistens mit ins Bild schneiden, was ein wenig eitel wirkt. Kollegen sagen, dass er einer der wenigen Journalisten ist, die noch direkt am Spielfeldrand und nicht in einem provisorischen Studio stehen, weil das das Ritual des hohlen Kurzinterviews nach dem Spiel ein bisschen weniger dämlich erscheinen lässt. Vermutlich interessiert das den Fußballfan aber nicht. Er sieht nur, dass da eine gelbe Brille mit einem Mann dran ist, wo keine gelbe Brille sein dürfte. Das irritiert, lenkt ab, lässt nicht all die Dinge hören, die jeder schon zum 1000. Mal gehört hat, ohne die der Samstag aber ein anderer wäre.“
Thomas Klemm (FAS 23.3.) erinnert an die Anfänge der Trikotwerbung. „So ändern sich die Zeiten im Sport: Heutzutage hat wirklich derjenige Schwierigkeiten, der schwach auf der Brust ist. Keine Werbung auf dem Trikot bedeutet weniger Einnahmen, ergo wirtschaftliche Beschränkung. Umgekehrt war Eintracht Braunschweig vor genau dreißig Jahren der große Problemfall, als der Fußballklub erstmals nicht nur mit Vereinsemblem, sondern auch mit einer starken Marke auf dem Dreß auflief. Ein Hirschkopf als Werbung für den Kräuterlikör Jägermeister, das empfand nicht nur der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zunächst als Schnapsidee. Auch die Öffentlichkeit reagierte empört darauf, daß der Fußball dem Kapital einen Kick geben sollte. In dieser Zeitung wurden gar Werbeschriftzüge auf Spielfotos eingeschwärzt. Längst ist der Balken vor den Augen verschwunden und die Reklame keinem mehr ein Dorn im Auge. Im Gegenteil: Was am 24. März 1973, als Braunschweig im Bundesligaspiel gegen Schalke 04 mit dem Markenzeichen der Spirituose auf dem Trikot auflief, noch als moralisch fragwürdig galt, wird heute als Erfolg des Vereinsmarketings gefeiert. Braunschweig ist überall. Starke Klubs haben mächtige Sponsoren auf der Brust – und damit im Rücken. Bekam Braunschweig damals 160.000 Mark, so erhalten heute die 18 Bundesligaklubs rund neunzig Millionen Euro aus der Trikotwerbung; der FC Bayern München kann im günstigsten Falle knapp zwanzig Millionen Euro von der Deutschen Telekom einstreichen. So gilt eine der beliebtesten Floskeln im Fußball durchaus im doppelten Sinne; nämlich jene, mit der er seine besten Darbietungen feiert: Das war Werbung für den Fußball. Vordergründig meint man, daß der Sport an und für sich Reklame macht. Doch die Werbewirkung strahlt aus: Sportlicher Erfolg weckt das Interesse von Unternehmen, die die telegene Brust von Profikickern zum Imagegewinn oder zur Markteinführung von Produkten nutzen wollen. So wird das Zusammenspiel zwischen Sport und Sponsoren zur Tautologie: Werbung für den Fußball bedeutet Werbung für den Fußball.“
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