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Vater des neuen Realismus

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Vater des neuen Realismus

Christian Zaschke (SZ 19.5.) teilt die Skepsis des neuen Nürnberger Trainers in Sachen sportlicher Perspektive. „Die Nürnberger sind seit neuerem Realisten. Sie spielten einfach weiterhin uninspiriert, denn: „Natürlich haben wir alle gewusst, dass wir absteigen“, sagte Stürmer Kai Michalke. Wolfgang Wolf, Vater des neuen Realismus’, beschrieb das Spiel in seiner nüchternen Art: „Klar ist das nicht schön“, sagte er, „für mich war es schwer, wieder Schwung reinzubringen.“ Er ist seit drei Spielen im Amt, drei Mal hat er mit dem Club verloren. Schwieriger noch, als Schwung in die Mannschaft zu bringen, wird es in Nürnberg nun, die Zukunft zu planen. Am 11.Juni geht es für den 1. FC Nürnberg um die Lizenz für die Zweite Liga. Bis zu diesem Datum muss der Verein einen Transferüberschuss von vier Millionen Euro erzielt haben. Fast alle Spieler haben Verträge für die zweite Liga und könnten theoretisch Ablöse bringen. Doch auch hier bricht sich der neue Nürnberger Realismus Bahn: Allein Torhüter Darius Kampa, David Jarolim und Jacek Krzynowek gelten als vermittelbar. Allmählich bemerkt Wolfgang Wolf, wo er da gelandet ist. „Ich habe gedacht, dass hier vieles geregelt ist. Aber so ist es nicht“, sagte er. Nun muss er Aufbauarbeit leisten (…) „Es ist schwer, in solch einer Situation Optimismus auszustrahlen“, seufzte Wolf. Er ahnt bereits, was ihm droht. Zum Abschied aus der Bundesliga stellt das Schicksal den Nürnbergern eine besondere Demütigung in Aussicht. Vor zweieinhalb Wochen hatte der Club sich von Trainer Klaus Augenthaler getrennt. Damals lagen die Franken lediglich einen Punkt hinter Leverkusen zurück. Dann kam Wolf, und mit ihm kamen drei Niederlagen. Nun kann Leverkusen mit seinem neuen Trainer Augenthaler den Klassenerhalt in Nürnberg perfekt machen. Augenthaler hat bereits erste Scherze gemacht: Er werde vielleicht aus Versehen in die falsche Kabine gehen, die Partie sei ja für ihn ein Heimspiel. Seine Genugtuung wird groß sein, verständlicherweise, und sie wird den Nürnberger Schmerz noch vergrößern.“

siehe auch Portrait Michael A. Roth

Markus Schäflein (SZ 19.5.) skizziert fränkische Rivalität. „Die Nürnberger Bürger definieren ihre Identität maßgeblich, indem sie sich von den Einwohnern der Nachbarstadt Fürth abgrenzen. Das Selbstwertgefühl der Nürnberger Bürger drohte daher erheblichen Schaden zu nehmen, denn während der 1. FC Nürnberg in die Zweite Liga absteigt, befand sich Fürth auf dem Weg in die Erste Bundesliga. Nach dem 2:2 gegen Burghausen haben die Fürther vor dem letzten Spieltag aber zwei Punkte Rückstand auf Eintracht Frankfurt und Mainz. Damit bleiben die Rollen im Nachbarschaftsstreit vorerst verteilt: Die Nürnberger fühlen sich auf allen Gebieten von den Fürthern verfolgt, bleiben letztlich dennoch immer Sieger und sind dann stolz darauf. Als vor zwei Jahren eine große Bratwurst-Fabrik von Nürnberg nach Fürth umziehen wollte, titelte eine Boulevardzeitung: „Allmächd! Fürth bald Bratwürstl-Hauptstadt?“ So steigert man in Nürnberg die Auflage. Fürth wurde natürlich nicht Bratwurst-Hauptstadt. Der kleine Nachbar konnte Nürnberg selten in irgend einer Disziplin übertreffen. Auch im Fußball ist es lange her. Bis zur Fusion mit Vestenbergsgreuth befand sich die SpVgg Fürth in der Amateurliga, die Rivalität zum Bundesliga-Verein aus Nürnberg blieb dennoch. Sie hatte ihren Höhepunkt in den zwanziger Jahren erlebt, als die beiden Vereine den deutschen Fußball dominierten. Damals standen in einem Länderspiel nur Spieler aus Nürnberg und aus Fürth im Aufgebot. Sie verachteten sich gegenseitig so sehr, dass sie in getrennten Zügen anreisten. Und der Fürther Hans Sutor wurde von seinen Mitspielern verstoßen, weil er eine Nürnbergerin geheiratet hatte. In den vergangenen Wochen trieb die alte Rivalität wieder seltsame Blüten. Der Fürther Vizepräsident Edgar Burkart hatte die Nürnberger in geselliger Runde als „rote Lumpen“ bezeichnet. Anhänger des 1. FC Nürnberg schickten ihm daraufhin Faxe und e-mails mit wüsten Beschimpfungen und Drohungen. Burkart fand: „Es war alles im Rahmen der legitimen Hassliebe.“ Gegen Burghausen hatten sich etliche Nürnberger Anhänger im Gästeblock versammelt, um die wenigen Burghausener Fans zu unterstützen.“

Uwe Ritzer (SZ 17.5.) bemerkt dazu. „Bescheiden und familiär gibt sie sich, diese Spielvereinigung Greuther Fürth, die mit dem Match gegen den FC Bayern ihren 100.Geburtstag zelebrierte. Wer am Tag des Spiels die Internet-Homepage des Vereins anklickte, fand zunächst nicht etwa einen Hinweis auf das Jubiläumsspiel, sondern einen Jubeltext auf die Volleyball-Abteilung für deren Erfolge beim Bezirkspokal. Und wer sich mit Edgar Burkart unterhält, dem Vizepräsidentender SpVgg, der erfährt etwas über Fürther Stammtischgebräuche. „So alle zwei Wochen“ rücken demnach Präsidiumsmitglieder mit Trainer, Masseur, Platz- , und Zeugwart in den Stadionkatakomben ein paar Tische zusammen „und dann spendiert mal jemand eine fränkische Brotzeit oder der Trainer bringt französischen Käse mit.“ Edgar Burkart ist ein Faktotum. Der schwergewichtige 59-Jährige lebt die Tradition der Spielvereinigung. Man könnte ihm stundenlang zuhören, wenn er in betulichem Fränkisch Anekdote um Anekdote aus der Vereinsgeschichte erzählt. Beispielsweise wie er als Bub zum ersten Mal in den Ronhof kam und ihn da „irgendwas gepackt“ habe. Als wäre er dabeigesessen, berichtet er von jener Nationalmannschaft in den zwanziger Jahren, die zur einen Hälfte aus Fürther Spielern bestand und zur anderen aus Nürnbergern. Und weil sie sich gehasst haben, sind die Spieler in getrennten Zugabteilen zum Länderspiel gefahren. Als sich kein anderer für das Amt zur Verfügung stellen wollte, wurde Burkart sogar Präsident. Als solcher fädelte er 1996 die Fusion mit dem TSV Vestenbergsgreuth mit ein. „Drebberla für Drebberla“ (Treppchen für Treppchen), sei es seither nach oben gegangen, sagt Burkart, der sich nun vor der „Erfüllung meines Lebenstraumes“ sieht: „Amol im Lebn erstklassig sei und der Nembercher Glubb spielt blouß in der zweiten Liga.“

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