Ballschrank
Vergangenheit und Gegenwart
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| Donnerstag, 25. März 2004
Wieder einmal Mittelmaß bei den Löwen, was gleichzeitig bedeutet, dass die Saison bereits jetzt abgehakt wird; so der Tenor in der Analyse von Christian Zaschke (SZ 22.4.). „Noch spielen bei 1860 vordergründig Vergangenheit und Gegenwart die Hauptrollen. Trainer Götz möchte am liebsten allein über die Gegenwart sprechen, über das gerade absolvierte Spiel, auch wenn das niemanden mehr interessiert. Das liegt daran, dass alle anderen Themen derzeit schwierig für ihn sind. Er hat die Mannschaft zu einem Zeitpunkt in der Saison übernommen, an dem es ihm nicht mehr möglich war, Akzente zu setzen. Als er in der vergangenen Spielzeit bei Hertha BSC als Interimscoach einsprang, fand er eine funktionierende Mannschaft vor, die auf einzelnen Positionen herausragend besetzt war. Er musste sie lediglich motivieren. Bei 1860 München muss er arbeiten; nun ist er tatsächlich als Trainer gefordert. Er muss versuchen, eine Mannschaft zu formen, die besser spielt, als das Können der einzelnen Spieler es vermuten lässt. Das ist möglich. Doch es kostet Zeit. Kleinere Fortschritte sind bereits zu erkennen. Götz arbeitet intensiv am größten Problem der Sechziger, dem Spielaufbau. Dieser war unter Vorgänger Pacult zugunsten einer strikten Kontertaktik abgeschafft worden, was kurzfristig funktionierte, langfristig jedoch zum Scheitern verurteilt war. Götz setzt wieder auf eine kreative Zentrale im Mittelfeld, er tritt mit drei Stürmern an, er will modernen Fußball spielen lassen. Doch an dieser Stelle kommt die Vergangenheit ins Spiel, sie heißt Thomas Häßler. Der alternde Spielmacher passt nicht mehr zu diesem neuen Stil. Häßler ist ein brillanter Fußballer, doch er ist langsamer geworden, er ist 36 Jahre alt. Er kann den perfekten Pass spielen, doch häufig schlägt er noch einen Haken, bevor er ihn spielt. Er braucht zudem Sicherung nach hinten, das bindet Spieler. Götz versucht nun die behutsame Trennung. Als er Häßler gegen den HSV in der 74. Minute einwechselte, war der Jubel so groß wie nach einem Tor. Die Fans skandierten „Icke Häßler“, bei jeder Ballberührung gab es Beifall. Dem Spiel konnte Häßler keine Impulse verleihen.“
Wie Schmusekätzchen
Elisabeth Schlammerl (FAZ 22.4.). „Was Trainer Jara schon länger bedenklich gestimmt hatte, ist das Auftreten der Seinen auf des Gegners Platz in dieser Fußball-Bundesligasaison. Seit dem 30. November gab es nur noch Erfolge im heimischen Stadion. Es ist ein Kopfproblem, sagt Jara, auswärts haben wir eine Blockade. Die Auswirkungen zeigten sich am Samstag in München vor allem in der ersten Halbzeit. Gegen die lauffreudigen Löwen, die durch Martin Max in Führung gingen, wirkten die Hamburger zunächst wie Schmusekätzchen. Technisch versiert, aber viel zu vorsichtig begannen sie im Olympiastadion. Zweikämpfen gingen sie lieber aus dem Weg – mit Ausnahme von Bernd Hollerbach, der gewohnt derb zu Werke ging und deshalb auch gewohnt schnell die Gelbe Karte sah. Erst ein paar deutliche Worte von Jara weckten den Kampfgeist des HSV. In der Halbzeit hat es gerumst, verriet Hollerbach.“
Über weite Strecken zum Wegschauen
Jörg Hanau (FR 22.4.) bezweifelt Hamburger Ambitionen. „Die Kameramänner hatten längst den Presseraum des Olympiastadions verlassen, als Bernd Hoffmann mit Verve gegen einen bemitleidenswerten Stuhl trat. Wut? Enttäuschung? Frust? Von allem ein bisschen. Der Vorstandsvorsitzende des Hamburger SV litt auf hohem Niveau, wie er sagte. Natürlich ist ihm klar, dass es den Kollegen etwa in Leverkusen viel schlechter geht. Die, sagte er und lenkte so von den eigenen Problemen ab, würden gerne mit uns tauschen. Stimmt. Aber kann das wirklich der Anspruch des neuen HSV-Chefs sein, der vor gut einer Woche noch drei Minuten lang von der Champions League träumen durfte und dessen Club nun, nach dem mageren 1:1 beim TSV 1860 München, aus den Uefa-Cup-Rängen gepurzelt ist? Ganz sicher nicht. Die Hamburger wollen und müssen in der kommenden Saison auf der europäischen Bühne kicken. Das ist für den Werbewert des HSV enorm wichtig, sagte Hoffmann und ließ vorsichtig durchblicken, dass er wohl so seine Zweifel hat, ob alle Mitarbeiter mit der HSV-Raute auf der Brust dies genauso sehen wie er. Es war über weite Strecken zum Wegschauen, was die HSV-Elf den 22.000 frierenden Zuschauer im kalten München bot. Dass die mitgereisten Hamburger Journalisten später gar von einem ganz guten Auswärtsspiel des Teams sprachen, verdeutlich, wie wenig sie bei den Gastspielen der vom Österreicher Kurt Jara trainierten Mannschaft auf den Plätzen der Konkurrenz in dieser Saison verwöhnt wurden.“
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