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Vermischtes
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| Donnerstag, 25. März 2004Werder Bremen schlägt VfB Lübeck, „ein Spiel, das niemand so schnell vergessen wird“ (FR); Bremen abonniert das DFB-Pokal-Finale, Lübeck bleibt Anerkennung – Alex Ferguson, Manchesters Trainersaurier vor dem Karriere-Ende? (FAZ) – Sex-Skandal in Leicester doch kein Kavaliersdelikt (Tsp) – G14 contra Blatter, es geht um Geld und Macht (SZ) – VfB Stuttgart hat nicht nur sportlich Erfolg, auch Geld verdient er (FAZ) – Willi Reimann, „der Sachverständige“ (FR) – Eintracht Trier und Erzgebirge Aue wollen unbedingt in der Zweiten Liga bleiben – wer versteht Sunday Oliseh (taz)? u.v.m.
Steffen Hudemann (Tsp 18.3.) legt „Bremer Recht“ aus: „Bremen ist die erfolgreichste Pokalmannschaft der vergangenen 20 Jahre, was irgendwie mit Berlin und Thomas Schaaf zusammenhängen muss. Seit 1985 findet das Endspiel im Olympiastadion statt, sieben seiner acht Finalteilnahmen erreichte der Klub in dieser Zeit. Und immer war Schaaf dabei – viermal als Spieler, nun schon zum dritten Mal als Trainer. „Das Finale hat gute Tradition bei uns“, sagte Schaaf. Und wenn er seinen Spielern mit ähnlicher Begeisterung von Berlin berichtet hat wie später den Journalisten, dann erklärt das vielleicht, warum der SV Werder ein wenig mehr für das Erreichen des Finals tut als andere. „Wer das einmal mitgemacht hat, diese Begeisterung nicht nur am Finaltag, sondern auch am Tag davor und danach, der weiß, welche Freude auf uns wartet.“ Auch der zweite sportlich Verantwortliche in Bremen hat reichlich Pokalerfahrung. Klaus Allofs, der Sportdirektor, wurde als Spieler mit Köln, Düsseldorf und Bremen insgesamt viermal DFB-Pokalsieger. Und er erreichte mit Schaaf den größten Erfolg der Bremer Vereinsgeschichte. 1992 erzielte Allofs in Lissabon das 1:0 gegen Monaco. Werder siegte 2:0 und gewann einen Wettbewerb, der inzwischen abgeschafft ist, eigentlich aber wie geschaffen für die Bremer war: den Europapokal der Pokalsieger. Auch Allofs fiel es schwer, den Pokalerfolg zu erklären. Die Mannschaft spiele in diesem Jahr insgesamt stark, im Pokal, in der Meisterschaft. Dass sie den Wettbewerb ernster nimmt als andere, glaubt er nicht: „Inzwischen sind die Plätze für den Uefa-Cup so begehrt, dass alle ins Endspiel wollen.“ Am Ende jedenfalls hatte Schaaf die ebenso einfache wie einleuchtende Antwort auf die Frage, was eine gute Pokalmannschaft ausmache: „Dass sie ihre Spiele gewinnt.““
Heute ist auch der Trainer sprachlos
Frank Heike (FAZ 18.3.) beschreibt Lübecker Verzweiflung: „Trainer Dieter Hecking starrte auf einen Fernsehschirm, sah das Bremer 3:2 durch Valdez und klagte über das Handspiel, wie er es in der nächsten Stunde noch ein paarmal tun würde. Der Lübecker Trainer war kein schlechter Verlierer. Aber er brauchte irgendeinen Grund um die Lübecker Niederlage erklären zu können. Das Handspiel, das niemand so richtig erkannt hatte, kam da gerade recht. Doch seine tiefe Ratlosigkeit konnte Hecking selbst im Zorn gegen Schiedsrichter Fröhlich nicht verbergen: Heute ist auch der Trainer sprachlos. Neben ihm stolzierte der Bremer Fabian Ernst vorbei. Er trug ein Lübecker Trikot, reckte die Arme hoch und sprang laut schreiend in die Bremer Kabine. Manchmal ist es schwer, die Freude des Gegners zu ertragen. Eine halbe Stunde später bei der Pressekonferenz hatte Hecking wieder zu sich gefunden. Er wurde sogar ein bißchen pathetisch: Das Herz haben wir heute gehabt, aber das Glück hatte uns verlassen. Wir haben gegen die beste Mannschaft Deutschlands bestanden und lange auf die Riesensensation gehofft. Jetzt ist die Enttäuschung riesengroß. (…) Wenn es denn einen Unterschied gegeben hatte in dieser Pokalnacht, dann waren es die Ersatzbänke. Wo der VfB kaum mehr als Ergänzungsspieler für erschöpfte Stammkräfte bringen konnte, besitzt Werder Qualität.“
Markus Jox (taz 18.3.) ergänzt: „Lübecks Trainer Dieter Hecking, der unmittelbar vor Werders 3:2 ein klares, wenn auch nicht absichtliches Handspiel von Valdez gesehen haben wollte, tobte und musste mit knallrotem Kopf und unter lauten Was ist das denn für ne Scheiße hier-Rufen auf die Tribüne, hatte sich auf der anschließenden Pressekonferenz aber schon wieder unter Kontrolle.“
Ein Spiel, das niemand so schnell vergessen wird
Paul von Engeln (FR 18.3.): „Obwohl am Ende eigentlich nur herauskam, dass der souveräne Bundesliga-Tabellenführer in einem Heimspiel einen Abstiegskandidaten aus der zweiten Liga besiegt hat, wurde es ein Spiel, das niemand so schnell vergessen wird. Der VfB Lübeck wuchs zu einem ebenbürtigen Gegner heran. Mauerte nicht, bolzte wenig, grätschte, kratzte und zerrte nicht fies (wie von seinem sympathischen Trainer Dieter Hecking angekündigt) – sondern spielte mit. Gegen die spielstärkste deutsche Fußballmannschaft. Sie haben überragend gespielt, lobte Werder-Trainer Thomas Schaaf. Schaaf erzählte gestern von seinem prima Verhältnis zum VfB-Kollegen Hecking. Seit vielen Jahren kenne man sich, man telefoniere regelmäßig und auch ihre Fußball-Philosophie scheint ähnlich. So durften sich die Außenseiter wenigstens noch moralisch als Sieger fühlen. (…) Zur fiebrigen Atmosphäre des außergewöhnlichen Fußballabends gehörte ebenfalls, dass Matchwinner Valdez nach seinem Tor, das Werder zwei Millionen Euro Final-Einnahmen sichert, den üblichen Salto vergaß. Er ließ sich einfach auf den Boden fallen und erkannte schnell, dass das ein Fehler war. Die Kollegen hätten ihn fast erdrückt.“
Schweiß, Männerfreundschaft und semimilitärische Disziplin
Nicht nur Christian Eichler (FAZ 18.3.) hält die Trainerarbeit Alex Fergusons für antiquiert: „Sein Team ist bei den Popstars des Fußballs nicht mehr erste Wahl. Sonne, Spielkultur, das Flair von Real sprechen gegen United; noch mehr aber tut es mittlerweile die Persönlichkeit von Sir Alex, der mit seinem selbstherrlichen, latent cholerischen Auftreten mehr und mehr wie ein Dinosaurier der Trainerszene wirkt; ja wie der letzte seiner Art, der das 21. Jahrhundert erreicht hat. Das Biotop dieser Spezies von Trainer-Dinos war der von Schweiß, Männerfreundschaft und semimilitärischer Disziplin getränkte Geist der Fußballkabine als Keimzelle des Erfolges. In dem Maße, da diese altmodische Aura in der Welt der Fußball-Popstars einem permanenten Showroom gewichen ist, wirken die Methoden und das Auftreten von Sir Alex von gestern. Nicht nur, daß Beckham nicht mehr nach Manchester paßte. Auch Stars wie Veron und Barthez wurden in diesem Umfeld zu Fehleinkäufen, die man vergangenes Jahr wieder abstieß. Zugleich bekam Ferguson im Sommer nicht den Spieler, den er als Beckham-Ersatz wollte: den Brasilianer Ronaldinho, der nun in Barcelona glänzt. Es wird immer deutlicher, daß die Stars, die Ferguson will, nicht mehr unbedingt zu Ferguson wollen. Der frühere United-Kapitän Bryan Robson wirft Ferguson vor, die falschen Spieler geholt zu haben. Vermutlich hat Ferguson die richtigen aber einfach nicht bekommen. Für den finanziell erfolgreichsten Klub der Welt ist das eine neue Erfahrung. Fünf Jahre nach dem Gewinn der Champions League und ein Jahr nach dem achten englischen Meistertitel binnen elf Jahren beginnt die Anziehungskraft von United zu verblassen. (…) Offene Häme kommt auch von den Fans. Als es fünf Tage nach dem Ausscheiden in der Champions League die maximale Demütigung gab – ein 1:4 im Derby gegen Manchester City –, reagierten die Anhänger mit unverhohlener Kritik am zuvor wie ein Denkmal behandelten Trainer: Taxi für Fergie, forderte ein Transparent. Ein anderes beschrieb den 62 Jahre alten Schotten als Auslaufmodell: Alex Ferguson, Verfallsdatum 31. Mai 2003.“
Wenn du in England ein Fußballer bist, kommen die Mädchen auf dich zu
Raphael Honigstein (Tsp 18.3.) referiert die Debatte um den Sex-Skandal Leicester Citys: „Leicester City hat nach dem Sex-Skandal in La Manga für englische Profifußballer deutlich an Attraktivität verloren. Auf Weisung von Trainer Mickey Adams wird in der Players’ Bar im Walkers Stadium ab sofort kein Alkohol mehr ausgeschenkt. Auch in Trainingslagern dürfen in Zukunft nur noch Softdrinks und Wasser getrunken werden. Die Mannschaft hat am Samstag in Birmingham drei wichtige Punkte im Abstiegskampf gewonnen, doch der kleine Klub aus den Midlands kämpft weiter um seinen Ruf. Nachdem der Verein die neun Spieler, die vor zwei Wochen in Spanien festgenommen worden waren, noch bedingungslos unterstützt hatte, ist der Ton zumindest gegenüber Frank Sinclair, Paul Dickov und Keith Gillespie schärfer geworden. Diese drei waren erst am Donnerstag gegen eine Kaution von 240 000 Euro aus der Haft entlassen worden. „Sie haben sich die Probleme selbst zuzuschreiben“, sagt Adams, „jetzt müssen sie sich selber um die juristischen Konsequenzen kümmern“. Und die könnten gravierend sein. Alle drei stehen unter dringendem Tatverdacht, drei in Köln wohnhafte Afrikanerinnen im Mannschaftshotel sexuell genötigt und vergewaltigt zu haben. (…) Steffen Freund, der im Gegensatz zu seinen Kollegen nur wegen unterlassener Hilfeleistung festgenommen worden war und als Erster wieder frei kam, hat bisher als Einziger vor Gericht sexuelle Kontakte mit einer der drei Frauen gestanden. „Es war freiwillig. Erst danach kam es in einem anderen Zimmer zum Streit zwischen Spielern und Frauen“, zitierte ihn die „Bild-Zeitung“. Während seine Kollegen weiter ihre Unschuld beteuern, spekulieren Teile der Presse, ob die drei Frauen Prostituierte sind. Adams hat Zweifel an ihren Aussagen. „Vor Jahren sind solche Sachen nie passiert, aber vor Jahren stand auch nicht ‚Rufen Sie uns an, wenn Sie jemanden kennen, der etwas gemacht hat’ in den Sonntagszeitungen.“ Der seriöse „Guardian“ flog sogar nach Köln, um den ehemaligen FC-Barnsley-Torhüter Larse Leese zu interviewen. In seiner Biografie „Der Traumhüter“ schildert Leese gegenüber Autor Ronald Reng den feucht-fröhlichen Profialltag auf der Insel. Leese sagt: „Die Anklage lautet Vergewaltigung, aber als Fußballer musst du nicht Gewalt anwenden, um Sex zu haben. Wenn du in England ein Fußballer bist, kommen die Mädchen auf dich zu.““
Thomas Kistner (SZ 18.3.) berichtet den Konflikt zwischen G14 und Fifa: „Sepp Blatter, der Fifa-Boss, ist ein gefürchtet leutseliger Mensch: Versäumt keine Party, von Konferenzen und Kongressen ganz zu schweigen. Trotzdem gibt es da ein paar Leute, mit denen er laut Selbstauskunft nie wieder spricht. Das wäre nicht der Rede wert, handelte es sich dabei nicht um die komplette Oberschicht der Kickerbranche: Die in der G 14 vereinten (nun schon 18) Topklubs in Europa, Edeladressen von Mailand, Madrid, Manchester bis München. Sie vor allem halten ja das Geschäft mit ihren attraktiven Millionen-Teams am Laufen, deshalb sägen sie an Blatters Thron. Die G 14 verwaltet den Spitzenfußball. Nun werden ihre Teams nicht an der für 2005 geplanten Klub-WM der Fifa teilnehmen, sagt Bayern-Chef Rummenigge, G 14-Vizepräsident. Das sei endgültig, die Zahl der Wettbewerbe reiche völlig aus. Damit wird Blatters neues Traumprojekt zur Makulatur erklärt. Zugleich zündet die G 14 die erste Stufe im Streit ums große Geld. Der Boykott der Klub-WM ist nur der Schritt, mit dem die Klubchefs den Verbänden signalisieren, wer die Macht hat im Geschäft. In Wirklichkeit geht es um Forderungen, die längst auf dem Tisch liegen. Die G 14 will bei allen Entscheiden mitreden, bei Spielplangestaltung, Jugendarbeit, Transferrecht – und sie will mitkassieren: Fifa und Uefa sollen für die Dauer ihrer WM- bzw. EM-Turniere die Gehälter übernehmen. Das käme allein die Fifa auf 120 Millionen Euro, hat Thomas Kurth ermittelt, Generalsekretär der G 14. Kurth sitzt in Brüssel, wo sich die Klubs als Lobbygruppe formiert haben. Hier sind die Wege zur EU kurz, der nächste Schritt in Richtung Umsturz steht schon bevor: Die G 14 hat prüfen lassen, auf welcher Rechtsgrundlage die Fifa operiert, wenn sie die Klubs bei Strafandrohung verpflichtet, Spieler für die WM abzustellen und die Versicherungskosten zu tragen – ohne dass dies auf gemeinsamen Abmachungen beruht. Die Klage steht an, bei der EU-Wettbewerbskommission.“
Im Wirtschaftsteil rühmt Susanne Preuß (FAZ 17.3.) das Unternehmen VfB Stuttgart: „Kleinmütigkeit ist Erwin Staudts Sache nicht. Noch in diesem Jahr wollen wir Schalke packen, sagt der Präsident des VfB Stuttgart – als gäbe es nichts Leichteres als das. Staudt spricht nicht über Tore und Punkte, sondern über die Mitgliederzahlen, und so gesehen ist das Ziel reichlich ehrgeizig: Schalke hat mehr als 35 000 Mitglieder, der VfB erst 18 398. Erst – das ist ein Wort, das Staudt nicht gelten lassen würde. Denn vor knapp neun Monaten, als Staudt zum Präsidenten des Erstligavereins gewählt wurde, da hatte der VfB nur 8101 Mitglieder. Nie hätte ich mir träumen lassen, daß es in wenigen Monaten schon 18 000 sein würden, sagt Staudt, immer noch halb verwundert, aber auch mächtig stolz. Ginge sein Plan in Erfüllung, wäre der VfB der zweitgrößte Fußballverein Deutschlands nach Bayern München – nach Mitgliederzahlen. Sportlich schließt sich Staudt sowieso dem neuerdings ausdrücklich formulierten Ziel von VfB-Trainer Felix Magath an: In dieser Saison sollen die Stuttgarter nach zwölf Jahren wieder einmal Meister werden, bitteschön. Bei schönen Worten und Begeisterung in der Stimme läßt es der VfB-Präsident aber nicht bewenden. Erwin Staudt, im Wirtschaftsleben noch bestens bekannt aus seiner Zeit als Chef von IBM Deutschland, baut aus dem VfB ein Wirtschaftsunternehmen. Mit einer Unternehmenssteuerung nach dem Harvard-Modell der Balanced Score Card, mit Benchmarking und viel Elan trimmt es der Vertriebs- und Marketing-Profi auf Erfolg, ganz wie es sich gehört im Musterländle. Der Großraum Stuttgart, das vergißt Staudt selten zu erwähnen, wenn er über den VfB und dessen Finanzen spricht, sei einer der wirtschaftsstärksten Ballungsräume der ganzen Welt. Da gehört es sich nicht, einen Bundesligaverein mit maroden Finanzen zu hinterlassen, wie es Gerhard Mayer-Vorfelder getan hat. Nachgetreten wird öffentlich zwar nicht, aber man nimmt es MV, dem heutigen DFB-Präsidenten, schon übel, daß er allzuviel Geld aus dem Fenster geworfen hat. Dieter Hundt faßt die Kritik in dem banalen Hinweis zusammen, daß auch ein Fußballclub nur soviel ausgeben könne, wie er einnehme. Der fußballbegeisterte Arbeitgeber-Präsident ließ sich im Herbst 2002 unter der Maßgabe zum VfB-Aufsichtsratschef wählen, daß er gründlich aufräumen dürfe. In den Aufsichtsrat holte Hundt Porsche-Marketing-Chef Gerd Mäuser, Mercedes-Vertriebsvorstand Joachim Schmidt, Bernhard Schreier von der Heidelberger Druckmaschinen AG und Hans Dietmar Sauer von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Und aus Erwin Staudt, dem bekannten Netzwerker, machte er den ersten hauptamtlichen Präsidenten des VfB. So viel Wirtschaftskompetenz wie in diesem Fußballverein, spöttelte Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel, sei in der ganzen Bundesregierung nicht versammelt.
of: Wie ist es zu deuten, dass die FAZ über diesem an Beifall reichen Text ein Foto von Eigentors Fernando Meiras gegen Chelsea abbildet?
Einen Draht zu ihm bekommt man schwer
Thomas Kilchenstein Ingo Durstewitz (FR 18.3.) loben Willi Reimann spröde: „Reimann vergisst nicht so schnell, und Reimann spöttelt ganz gern. Der Spott ist seine Art, auf sanfte Kritik zu reagieren, auf Dinge, die ihm zwar nicht in den Kram passen, aber auch nicht von grundlegender Bedeutung sind. Wenn er wirklich sauer ist, dann kann er schon mal deutlich werden, gar ausfallend, ob das nun krakeelende Fans (diese Ochsen), sich einmischende Berater (gehört geteert und gefedert), nörgelnde Funktionäre (sitzen im Wald und planen die Regionalliga) oder kritische Reporter ( Sie sind doch der Inbegriff des Journalisten, der hinterher alles besser weiß) sind. Der Mann, 54, seit 1982 im Trainergeschäft, davor 287 Bundesligaspiele, vergisst kaum etwas. Zuweilen erinnert er daran, was vor einem halben Jahr geschrieben wurde (…) Wer ergründen will, weshalb Reimann heute nicht in der Statistik der entlassenen Trainer auftaucht, der stößt immer wieder auf diese denkwürdige Woche nach der kostenlosen Vorführung im Spiel beim SV Werder Bremen am 1. November 2003. Das Ergebnis, 1:3, drückte die Kräfteverhältnisse nicht mal annähernd aus. Bremen und Frankfurt trennten Welten. Es musste was geschehen, und es geschah etwas, das hinterher sanfte Revolution genannt wurde: Die Mannschaft begehrte auf – gegen den Trainer und das ausgegebene System. Sie wollte offensiver spielen. Wenn man die Taktik nicht ändere, so der Tenor, sei man an Weihnachten abgestiegen. Nur die Tatsache, dass die Eintracht im November 2003 quasi führungslos war, rettete Reimann den Job. Der Trainer, als ungehobelt verschrieen, fühlte, dass ein Graben aufzureißen drohte zwischen ihm und wichtigen Teilen des Teams. Er ging auf die Profis zu, hörte zu, reflektierte sein Tun, er gab Leine, ließ der Mannschaft Freiraum – auf dem und abseits des Spielfelds. Die Mannschaft, sagt Kapitän Alexander Schur, der wie kein Zweiter das Innenleben dieses Frankfurter Kollektivs kennt, hat sich emanzipiert, ist reifer und erwachsener geworden. Vieles regelt sie ohne den Trainer, in Eigenregie. In dem Maße, in dem sich Reimann auf die Spieler eingelassen hat, ist auch das Team enger zusammengewachsen. Dennoch sagt Schur heute über Reimann: Er ist der Führer der Mannschaft. Reimann wird von seinen Spielern nicht geliebt, viele bemängeln die fehlende Kommunikation, die Ansprache. Seine Form der Menschenführung ist umstritten, nicht selten bekommen Nachwuchsspieler ihr Fett weg, Fingerspitzengefühl geht ihm ab – Indiz dafür war der Streit mit Andreas Möller, der zu einem Machtkampf ausuferte. Reimann, stur und uneinsichtig, zeigte wenig Größe. Einen Draht zu ihm bekommt man schwer, er ist mitunter barsch und unnahbar, behandelt aber alle gleich. Gleich schlecht, sagen viele. Vielleicht besitzt er aber gerade deshalb Autorität, wird von seinen Spielern respektiert. Als Trainer, weniger als Mensch. Er stellt sich bedingungslos hinter seine Spieler, die Profis können, wenn sie nur alles geben, auch schlechte Spiele abliefern. Er hält lange an ihnen fest, mitunter zu lange. Spieler, die ihn enttäuschten, haben es indes verdammt schwer.“
Gerald Kleffmann Christian Zaschke (SZ 18.3.) widmen sich dem vermutlichen neuen Sportdirektor bei München 60: „In der Branche wird Rolf Rüssmann mit zwei Aussagen beschrieben. Gelobt wird, wie er die Mannschaften in Gladbach und Stuttgart zunächst strukturiert und nach vorn gebracht hat. Kritisiert wird, dass er in beiden Fällen den Überblick verloren habe, dass er sich viele Feinde gemacht habe und das Vertrauensverhältnis jeweils zerrüttet war, als Rüssmann gehen musste. Seit der Name Rüssmann zum ersten Mal am Montagabend genannt wurde, machen einige Medien offen Stimmung für ihn. Seit jeher kommt Rüssmann gut mit der Bild-Zeitung aus, die ihm jetzt einige lobende Artikel widmet und den Druck auf den Verein erhöht. Diskutiert wurde über Rüssmann wohl schon länger. Die Idee, ihn zu verpflichten, sei das Ergebnis eines intensiven Brainstormings im Aufsichtsrat. Dabei ist den Mitgliedern nicht entgangen, dass Rüssmann den Ruf eines harten Arbeiters hat, der Probleme sofort anpackt. Dass er aber auch den Ruf eines Mannes hat, der in seiner Konsequenz wenig Rücksicht nimmt auf mögliche Leidtragende. Ebenso ist ihnen nicht entgangen, dass Rüssmann sowohl in Gladbach als auch in Stuttgart entlassen wurde.“
Jörg Hanau (FR 18.3.) befasst sich mit Erzgebirge Aue: „Mit dem Erzgebirge verbinden die meisten viel Wald und Pilze, kultige Nussknacker und Räuchermännchen. Exportschlager schon zu Zeiten, da Stacheldraht und Tretminen Deutschland in zwei Hälften teilte und unter sowjetischer Aufsicht im Kombinat Wismut unter Tage Uranerz gefördert wurde. Geschnitzt wird immer noch, der Bergbau ist seit der Wende aber zum Erliegen gekommen. Ihre alten Insignien, zwei gekreuzte Hämmer, stehen aber noch heute für das gewachsene Selbstwertgefühl des selbst ernannten Bergvolkes im südlichen Sachsen – und deren Fußballer. Die Marke Aue, sagt Olaf Fischer, ist Kult in Ostdeutschland. Der aus dem einstigen DDR-Oberligisten Wismut Aue hervorgegangene FC Erzgebirge Aue bereichert seit Anfang der Saison den Profifußball in Deutschland. Mit stolz geschwellter Brust erzählt der ehrenamtliche Pressesprecher vom Schalke des Ostens, das es als kleines Dorf geschafft hat, den sächsischen Metropolen Leipzig und Dresden den Rang abzulaufen. In der Zweiten Bundesliga kämpfen die Veilchen um den Klassenerhalt. (…) Das Geld kommt aus dem Mittelstand. Weit mehr als hundert Unternehmen unterstützen die Mannschaft aus dem gerade einmal 18 000 Einwohner zählenden Aue, das sich in der Abgeschiedenheit der sächsischen Provinz prächtig entwickeln konnte. Fern aller Profilneurotiker, die nach der Wende versuchten, zum Beispiel beim VfB Leipzig oder Dynamo Dresden die schnelle Mark zu machen. Es ist die Politik der kleinen Schritte, die letzten Endes in Aue zum Erfolg geführt hat. Mit Kontinuität in der Führung und kaufmännischer Sorgfalt. Sparsam und seriös.“
Jürgen Ahäuser (FR 18.3.) befasst sich mit Eintracht Trier: „Ohne geht es auch beim Sportverein Eintracht nicht. Oben auf dem Wappen prangt sie wie eine Trutzburg – die Porta Nigra. Das schwarze Tor der römischen Eroberer ist Welterbe der Menschheit und zieht jährlich hunderttausende Touristen in die Moselstadt. Auf so etwas lässt sich aufbauen, dachten sich schon vor 99 Jahren die Gründerväter von Eintracht Trier und bedienten sich fürs Club-Schmuckstück der kolossalen Steinquader. Ein Jahr vor dem 100-jährigen Bestehen der 05er suchen die Fußballer in der Zweitligatabelle noch nach einem ähnlich unerschütterlichen Fundament. Von November bis in den beginnenden Frühling hinein stand der SV Eintracht Trier 05 auf einem Abstiegsplatz. Nach einem furiosen 4:0 gegen den Mitabstiegskonkurrenten Jahn Regensburg steht das Team von Trainer Paul Linz auf dem elften Platz. Das klingt beruhigend, ist es aber nicht. Nur ein Punkt trennt die Mosel-Kicker von dem Platz, von dem aus der Sturz ins Niemandsland des Fußballs beginnt. 21 Jahre lang hat das Warten gedauert, bis 2002 der Aufstieg von der Regionalliga in das wegen der progressiv ansteigenden Fernsehgelder zehnmal lukrativere Vollprofigeschäft gelang. Und die Trierer stiegen unter dem knorrigen Kettenraucher Linz gleich sehr professionell ein. Mit Rang sieben überraschten sie sich und den Rest der Liga. Heute heißt es für den Traditionsverein, unbedingt die Klasse halten, um sich dauerhaft im Unterhaus zu etablieren. Große Flausen, das weiß Eintracht-Präsident Bernd Gritzmacher ganz genau, wird sich der Club nicht leisten können. Trier zählt gerade mal 100 000 Einwohner, hat keine großen Industrieunternehmen, die den Zweitligisten als Werbeplattform entdecken könnten und der Mittelstand hält in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Groschen zusammen, sagt der Vereinsboss. Ohnehin drücken die Trierer noch Altlasten aus klammer Vergangenheit. 1999/2000 hatte der Verein ein Insolvenzverfahren am Hals.“
Ein Journalist, der nicht auf alles eine Antwort hat – Christoph Biermann (taz 18.3.) versteht Sunday Oliseh nicht, der gegen seinen Mannschaftskollegen Vahid Hashemian Gewalt angewendet hat: „Meine Freundin Moni ist Sozialarbeiterin im trostlosesten Stadtteil einer trostlosen Stadt im Ruhrgebiet. Sie hat vor allem mit türkischen, nordafrikanischen und arabischen Jugendlichen zu tun, in deren Konflikten es häufig darum geht, dass sich einer in seiner Ehre beleidigt fühlt. Wenn Moni nachfragt, worum es denn genau geht, muss sie angesichts der Antwort oft genug ihre Enttäuschung verbergen. Was da einer für so ehrverletzend hält, dass er sich rächen will, darüber kann sie nur die Achseln zucken. Was für Wörter haben Oliseh noch eine Dreiviertelstunde später immer noch rotsehen lassen? Denn erst in der Kabine schnellte sein Kopf nach vorne und brach Hashemians Nasenbein. Mochte er sie nicht sagen, weil er ahnte, dass auch wir mit den Achseln zucken würden? Hatte Hashemian vielleicht doch nur gesagt, er lasse sich von Oliseh nichts sagen, weil der nicht sein Mannschaftskapitän sei? Und dass er hier nicht in Nigeria sei, wo Oliseh lange das Nationalteam anführte? Hatte allein das den stolzen Spieler empört, der immer schon darauf bestand, dass man ihm allen Respekt entgegen bringt. Als ich mit Steffen, der als DJ arbeitet, über den Fall debattierte, erzählte er mir von einem afrikanischen Kollegen, mit dem zusammen er und ein paar andere DJs häufig aufgelegt hätten. Eines Tages jedoch kam der Afrikaner nicht mehr. Steffen verstand das so wenig wie die anderen, sie hatten die Arbeit des afrikanischen DJs geschätzt und ihn gemocht. Als sie ihn fragten, was denn los wäre, wollte er nicht mit der Sprache herausrücken und grummelte nur etwas, dass er zu schlecht sei. Dass sie ihm widersprachen, mochte er nicht hören. Ich mag Sunday Oliseh nicht nur als Fußballspieler, wo er zudem nie als gewalttätig auffiel, auch jenseits des Platzes hat er ein kultiviertes Auftreten. Ich mag auch Vahid Hashemian, denn ich habe selten einen so höflichen Fußballprofi erlebt. Oliseh versuchte mir noch zu erklären, dass in Fußballmannschaften Konflikte immer mal wieder aus dem Ruder laufen würden. Schließlich sei Fußball ein Kampfsport, nur mit dem Unterschied, dass in anderen Klubs gröbere Ausfälle halt unter der Decke gehalten würden. Daran mag etwas sein, aber zugleich klang es zurechtgelegt. Vielleicht ging es Sunday Oliseh auch wie mir: Er verstand Sunday Oliseh nicht.“