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VfB Stuttgart erlangt, langsam zunehmend, gesellschaftliche Anerkennung und die Gunst der regionalen Wirtschaft u.a.

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für VfB Stuttgart erlangt, langsam zunehmend, gesellschaftliche Anerkennung und die Gunst der regionalen Wirtschaft u.a.

VfB Stuttgart erlangt, langsam zunehmend, gesellschaftliche Anerkennung und die Gunst der regionalen Wirtschaft u.a.

Gesellschaftliche Hauptrolle in der Stadt

Evi Simeoni (FAZ 26.11.) schildert den gemächlichen Akzeptanzanstieg des VfB Stuttgart bei Land, Leuten und Bossen: “Nur so liebt man im Musterländle den Fußball: als solide Geschäftsgrundlage. Wahrscheinlich hat es deshalb so lange gedauert, bis der Erfolg des VfB Stuttgart die Herzen der Schwaben erreicht hat. Und noch heute verfolgen viele eher ungläubig die Erfolgsgeschichte dieses Fußballvereins, der dabei ist, zum ersten Mal in seiner Stadt eine gesellschaftliche Hauptrolle zu übernehmen. Dazu ist schon einiges nötig: Die Tabellenführung in der Bundesliga war nur ein Anfang. Die Sternstunde gegen Manchester United überzeugte schon kritischere Beobachter. Dazu die Tatsache, daß die Mannschaft in der Bundesliga in 13 Spieltagen erst drei Gegentore hinnehmen mußte. Und das alles mit Spielern, die entweder aus dem eigenen Nachwuchs stammen oder von Teammanager Felix Magath für ein Budget eingekauft wurden, das bei anderen Klubs mit der Portokasse verwechselt würde. Ja, Herrgottsack! Dieser reig’schmeckte Aschaffenburger scheint tatsächlich Schwaben-Gene zu besitzen! Irgendwie wird es langsam Zeit, sich zu freuen. (…) Ha, no! Die Honoratioren im Busineß-Center, die die Spiele des VfB von Logen und Busineß-Seats aus verfolgen, legen eigentlich Wert auf Seriosität. Da sitzt schon einmal der Ministerpräsident neben einem Industrievorstand, und wenn Kevin Kuranyi ein Tor schießt, liegen alle einander in den Armen. Unser Kundenkreis ist der Who’s who der Wirtschaft in Baden-Württemberg, sagt Elfriede Eck, die Verantwortliche für die Hospitality. Doch vollständig ist er nicht. Selbst jetzt, in Zeiten des großen Booms, sind 11 von 42 VIP-Logen (je nach Lage für 84 000 bis 92 000 Euro für 17 Bundesliga-Heimspiele zu haben) nicht auf Dauer vermietet. Dafür gibt es für die 1200 Busineß-Seats (3500 Euro) sogar Wartelisten. Das Wunder von Stuttgart fällt unglücklicherweise in das wirtschaftliche Tief. So zögert mancher mittelständische Unternehmer, in einer VIP-Loge Champagner zu trinken, während seine Angestellten sich um ihr Weihnachtsgeld sorgen. Das tut ein Schwabe nämlich nicht. Überhaupt, die Finanzen. 13 Millionen Euro Bruttoeinnahmen durch die Gruppenspiele der Champions League sind ein heilsamer Segen für den Verein. Man will einen Teil für Prämien, einen anderen für Spielerverpflichtungen und einen Teil für die Tilgung von 16 Millionen Euro Verbindlichkeiten verwenden. Bei der Stadt Stuttgart steht der Verein allerdings viel tiefer in der Kreide. Die Modernisierung der Haupttribüne mit Parkhaus und Busineß-Center wurde von der Stadt mit mehr als 50 Millionen Euro vorfinanziert. Die VIP wärmen also ihre Sitzflächen auf gemütlich beheizten Stadionsesseln, die eigentlich dem Steuerzahler gehören, zahlen die Miete aber an den VfB. Der hat inzwischen nach eigenen Angaben mit der Rückzahlung begonnen. Doch scharfe Rechner stören sich trotzdem an dem aktuellen Poker um die Gehälter der Nationalspieler Andreas Hinkel und Kevin Kuranyi. 2,5 Millionen Euro im Jahr soll der 21 Jahre alte Hinkel angeblich nach seiner Vertragsverlängerung verdienen. Kritiker rechnen das in Sozialleistungen und Kindergartensanierungen um, die die Stadt ihren Bürgern aufgrund der angespannten Finanzlage streichen mußte. Aber Ernst beiseite, Fußballspaß herbei. Sollte der Einzug ins Achtelfinale gelingen, wird die neue VfB-Society wahrscheinlich wieder bis halb fünf Uhr morgens in der Piano-Lounge die Atmosphäre des Erfolges genießen, und die Vereinsbosse werden die Aussicht auf weitere Sponsoren begießen. Und auch in den Kneipen der Stadt werden die Anhänger zusammensitzen und fachsimpeln über die Leistungen des schier unbezwingbaren Torwarts Timo Hildebrand, des Düsentriebs Alexander Hleb und des soliden Kapitäns Zvonimir Soldo. Die Champions League ist ein Straßenfeger in Stuttgart, und die Wirte haben ordentlich zu tun. Der VfB ist gut fürs Geschäft.“

Erfolgreicher Fußball ist die richtige Balance aus Talent, Psychologie und Geschäft

Oliver Trust (Handelsblatt 26.11.) hakt, ganz vorsichtig, nach: “Über das Selbstbewusstsein einer Mannschaft in einem wichtigen Spiel entscheiden nicht nur die sportlichen Fähigkeiten der Akteure, sondern auch Dinge, die wenig mit Sport zu tun haben (…) Das Weiterkommen in Europa ist wichtig für den Zusammenhalt des schwäbischen Vereins. Bisher hat der Klub etwa 15 Millionen Euro aus den Gruppenspielen der Champions League eingenommen. Im Achtelfinale, das Ende Februar ausgetragen wird, kämen noch einmal 2,2 Millionen Euro dazu, die der mit rund 16 Millionen Euro verschuldete Klub gut brauchen kann, um seinen Jungstars neben Perspektive und Heimatliebe auch irdische Güter zu präsentieren. Ein müdes Lächeln zeigt Magath, wenn die Sprache auf seltsam anmutende Versuche der Marketingabteilung kommt. Die hat es fertig gebracht, dass am Mittwoch eine Frau mit Namen Manuela Schaffrath als Ehrengast auf der Tribüne zwischen namhaften Lokalgrößen sitzt, die unter dem Künstlernamen Gina Wild eine gewisse Berühmtheit in Filmen erlangte, die mit hüllenloser Freizügigkeit Kundschaft anlocken. Beim Geschäft mit dem Fußball haben die Schwaben Nachholbedarf. 51 Millionen Euro nimmt der FC Bayern ein, Dortmund, Schalke, Hertha und Leverkusen kommen auf 15 bis 20 Millionen Euro Marketingeinnahmen. Der VfB Stuttgart verbucht nur bescheidene sechs Millionen. „Wir operieren auf verschiedenen Spielwiesen, sagt Präsident Erwin Staudt unkonkret. Felix Magath allerdings ist es wichtiger, dass Andreas Hinkel dabei ist, der ihm als „wahrer Sportsmann mit Größe gegen Glasgow sicher besser weiterhelfen kann als Gina Wild. Erfolgreicher Fußball ist die richtige Balance aus Talent, Psychologie und Geschäft. An dieser Balance arbeiten sie noch beim VfB Stuttgart.“

BLZ-Interview mit Erwin Staudt, Präsident des VfB Stuttgart

NZZ-Spielbericht Celtic Glasgow – Bayern München (0:0)

NZZ-Spielbericht Inter Mailand – Arsenal London (1:5)

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