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VfB Stuttgart nimmt sich ein altes Feindbild zum strategischen Vorbild Bayern München – Timo Hildebrand, wachsender Hänfling – das „magische Abwehrdreieck“ – Ronaldo, Shooting-Star von Manchester United

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für VfB Stuttgart nimmt sich ein altes Feindbild zum strategischen Vorbild Bayern München – Timo Hildebrand, wachsender Hänfling – das „magische Abwehrdreieck“ – Ronaldo, Shooting-Star von Manchester United

Martin Hägele (SZ 1.10.) würdigt die Strategie des neuen VfB-Präsidenten: „Obwohl Erwin Staudt erst seit ein paar Monaten den Kurs vorgibt, hat er schnell einen Orientierungspunkt gefunden. Auf allen Ebenen könne der VfB Stuttgart vom FC Bayern München lernen, beim Rekordmeister könne man vieles kopieren. Staudt stellt sich dabei nicht so ungeschickt an wie sein Vorvorgänger Gerhard Mayer-Vorfelder, der glaubte, mehr vom Fußball-Geschäft zu verstehen als die sportlichen Lenker von der Säbener Straße. Anders als MV zeichnet der neue VfB-Chef seinen Landsleuten auch nicht das Feindbild von den arroganten, reichen Münchnern hin, die von allen möglichen Großkonzernen gestopft werden. Staudt versucht, in einer aus dem Verein ausgelagerten Kommanditgesellschaft potenzielle Investoren als strategische Partner zu gewinnen – ähnlich wie die FC Bayern AG, an welcher sich der Sportartikel-Konzern Adidas mit zehn Prozent und einer Einlage von 76,7 Millionen Euro beteiligt hat. Staudt hat im VfB-Umfeld, vor allem von „entscheidungsfreudigen Unternehmern“ des im Wirtschaftsland Baden-Württemberg überwiegenden Mittelstands, „Signale“ auf seine Idee vernommen. Offenbar aber auch aus dem fränkischen Herzogenaurach und dem Haus des Adidas-Konkurrenten Puma, seit anderthalb Jahren Schuh- und Bekleidungssponsor der Cannstatter. Zuletzt hatte das kleinere der beiden Weltunternehmen Timo Hildebrand und Kevin Kuranyi unter Vertrag genommen, weil die beiden Symbolfiguren der „jungen Wilden“ als ideale Modelle für die Puma-Zielgruppe taugen. Nicht ganz zufällig wird deshalb der Vorstandsvorsitzende Zeitz heute in der VfB-Loge neben Staudt sitzen. Offiziell, sagt der, sei über diese Sache noch nicht gesprochen worden. Doch wer weiß, was alles passieren kann, wenn das Licht zum großen Champions-League-Kino erst einmal angeht. Helden können entdeckt werden; ein Team, das in jahrelanger Kleinarbeit Sympathiepunkte in der Bundesliga gesammelt hat, kann über Nacht zu Deutschlands Mannschaft der Herzen werden. Die Kontraste für solch ein Film-Programm könnten nicht idealer sein: die Geld-Maschine von Old Trafford gegen das Stuttgarter Sparmodell; England gegen Deutschland; die Trainer-Legende Sir Alex Ferguson gegen Felix Magath, Superhirn der Bundesliga.“

Ein Torwartchen im Land der Riesen

Christof Kneer (BLZ 1.10.) verweist auf die Größe Timo Hildebrands, Torhüter des VfB Stuttgart: „Erst wenn man Hildebrand mit Kahn vergleicht, merkt man, was er für ein außergewöhnlicher Torwart ist. Man könnte ein Hildebrand-Bild und ein Kahn-Bild nebeneinander schneiden, und man würde meinen, hier ginge ein Mannsbild mit einem Jugendkeeper zum Training. Gefühlt liegen mindestens 10 Zentimeter zwischen den beiden, dabei sind sie fast gleich groß. Nur ist es so, dass Kahns 188 Zentimeter 93 Kilogramm wiegen, während es Hildebrands 185 Zentimeter gerade mal auf 78 Kilo bringen. Timo Hildebrand ist ein Torhüter neuen Typs. Er ist kein Rambotorwart, er fällt keine Stürmer an wie Kahn, und er hat keine Pranken wie der Schalker Frank Rost, der mit einer Hand die Sonne verdunkeln kann. Er ist ein schnellkräftiges, reaktionsstarkes Leichtgewicht, ein Fäustling unter lauter Fäusten (…) Aber noch immer ist es so, dass sie so ein Torwartchen im Land der Riesen ein bisschen verdächtig finden. In Deutschland müssen Torhüter seit jeher von Furcht erregendem Wuchs sein, und so hat Teamchef Rudi Völler schon mal wissen lassen, dass er 2006 auf die breiten Schultern von Kahn, Lehmann (1,90 m/87 kg) und Rost (1,93/95) bauen wolle. Das erste Fernduell mit München hat Timo Hildebrand jetzt schon mal für sich entschieden: Die VfB-Fans haben ihn gerade zum Sexsymbol gewählt. Das könnte Oliver Kahn nicht passieren.“

Magisches Abwehrdreieck

Über die Abwehr des VfB lesen wir von Oliver Trust (FR 1.10.): “Die Vorbereitung besteht darin, sich die eigenen Stärken vorzubeten. Und da hat das magische Abwehrdreieck einiges zu bieten. Da ist die Speerspitze Soldo, der Kapitän, der vor Bordon und Meira im Mittelfeld agiert und sich in die Angriffe einschaltet. Der alte Soldo (Trainer Felix Magath über den Kroaten, der im November 36 Jahre alt wird) bereinigt viele Gefahrenmomente, bevor die Kollegen eingreifen müssen. Den größten Leistungssprung aber hat das Duo Bordon/Meira hinter sich. Einst galten sie als Konkurrenten, die sich nicht viel zu sagen haben. Als Meira in der Winterpause 2002 nach Stuttgart kam, beeilte sich Bordon zu verkünden, er spiele lieber mit Rui Marques an seiner Seite. Marques spielt heute keine Rolle mehr. Bordon und Meira wohnten zwar in der selben Straße, fürchteten aber vom jeweils anderen aus dem Team gedrängt zu werden. Heute treten sie fast wie ein Brüderpaar auf. In der Hotellobby warten sich gemeinsam auf dem Sofa auf die Abfahrt, schwatzen munter über Gott und die Welt, obwohl der Portugiese Meira nicht die tiefe Hingabe Bordons zum christlichen Glauben teilt, der sonntagvormittags in jener Kirche in Bietigheim-Bissingen auftaucht, die viele brasilianische Bundesligaprofis besuchen. Meira ist eher der Technikfreak, der mit einem DVD-Player dem Rest der Mannschaft die neuesten Kinofilme vorführt.“

Mehr Tricks drauf als ein Fass voller Zirkusaffen

Raphael Honigstein (FTD 1.10.) porträtiert den Shooting-Star von Manchester United, Gegner des VfB: „Der schüchterne Mittelfeldspieler Ronaldo wollte das Trikot mit der „28“, United aber gab ihm die „7“, die Nummer von Beckham, Eric Cantona und George Best. Am Abend schob ihm ein Mann vom Boulevard einen Zettel unter der Hotelzimmer-Tür durch: 100 000 £ für ein exklusives Interview, lautete die Offerte. Der 18-Jährige musste leider ablehnen, Trainer Alex Ferguson verbietet Medienauftritte seines Schützlings. „Er ist ja ein kleiner Junge“, sagt Sir Alex über seinen 12,2 Mio. £ teuren Einkauf von Sporting Lissabon. Nach sechs furchtlosen Spielen in der Premier League steht Ferguson mit dieser Einschätzung ziemlich alleine da. Ronaldos Flügelstürmer hat zwar noch kein Tor geschossen, aber den Kritikern gehen schon die Superlative aus. Besonders seine vielen Übersteiger haben es ihnen angetan: „Der Mann hat mehr Tricks drauf als ein Fass voller Zirkusaffen“, staunte der Guardian, und der Daily Telegraph war „auf den ersten Blick hingerissen: Cristiano Ronaldo macht mit dem Ball Sachen, die andere Spieler nicht mal im Traum versuchen würden.“ Selbst United-Legende George Best ist überzeugt: „Es wurden schon viele Spieler mit mir verglichen, doch bei ihm verstehe ich das zum ersten Mal als Kompliment für mich.““

Christian Eichler (FAZ 1.10.) ergänzt: „Ein Achtzehnjähriger, der sich am liebsten in schrille Designerklamotten wirft – trägt der freiwillig ein Hemd, das ihm ein Opa gab? Kein Problem für Cristiano Ronaldo. Schließlich ist es die coolste Arbeitskleidung der Welt. Der junge Portugiese kam diesen Sommer von Sporting Lissabon zu Manchester United, und Trainer Alex Ferguson gab ihm das rote Trikot mit der Nummer sieben. So etwas ist im Mutter- und Mythenland des Fußballs alles andere als eine belanglose Zahlenzuteilung. Es ist fast schon ein politisches Statement.“

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