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VfB Stuttgart will den wirtschaftlichen Rang seinem sportlichen angleichen – Portrait Gianluca Zambrotta (Juventus Turin) u.v.m.
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| Donnerstag, 25. März 2004Heute ist Stuttgart einer der reichsten Vereine in Deutschland
„Mit neuem Markenbewußtsein will der VfB Stuttgart zu einem Profitcenter des Profifußballs werden“, teilt Michael Horeni (FAZ 9.12.) mit: “Bei Manchester United sind die Schwaben genau an der richtigen Adresse. Wenn die jugendlichen Aufsteiger gegen den Vertreter des britischen Establishments antreten, wird es nicht nur den Fußballfans warm ums Herz. Auch die Finanz- und Marketingfachleute aus dem Schwabenland geraten ins Schwärmen, wenn sie in dieser Woche ihre großen Ziele erreichen – zumindest geographisch. Erst der Besuch bei ManU, der profitabelsten Fußballmarke der Europaliga – und vier Tage später der Auftritt bei der europäischen Finanznummer zwei, dem nationalen Primus, dem FC Bayern München. Die globale Footballfirma spielt zwar weiterhin in einer anderen Liga als der VfB, aber in der Bundesliga scheut Erwin Staudt, der hauptamtliche Präsident der Stuttgarter und frühere IBM-Manager, schon keinen Vergleich mehr: Der FC Bayern ist in Deutschland der Frontrunner. Aber ich sehe die Chance, daß wir uns in diese Richtung entwickeln können. Von ManU und dem FCB lernen, heißt eben nicht nur siegen lernen. Sondern auch Gewinne machen (…) In der vergangenen Woche hat sich der vor einem Jahr entlassene Manager Rolf Rüssmann zu Wort gemeldet, und die finanzielle Lage des Klubs weit rosiger beschrieben als es die schwäbischen Kaufleute je tun würden. Heute ist Stuttgart einer der reichsten Vereine in Deutschland. Daß sich der VfB wirtschaftlich schwächer darstelle, als er sei, mag Staudt nicht allzu heftig dementieren. Auf uns kann man sich verlassen, sagt der Präsident zu der nicht nur von Rüssmann herumgereichten Einschätzung. Sie handelten im Vorstand und Aufsichtsrat als verantwortliche Kaufleute, sagt Staudt. Die Ziele jedenfalls sind ehrgeizig. Ganz im Stil der Wachstumsraten von Manchester United in den neunziger Jahren rechnet Staudt damit, daß in den kommenden zehn Jahren der Umsatz per annum stets um zehn Prozent steigt. Zumindest an den vier betriebswirtschaftlichen Stellschrauben, an denen der VfB unabhängig drehen kann, um sportlich weiter das große Rad zu bewegen: Mitglieder, Zuschauereinnahmen, Merchandising und Sponsoren. Der Boom bei den Mitgliedern jedenfalls ist schon jetzt offensichtlich. Seit Juni ist der VfB von 7700 auf über 13000 Mitglieder gewachsen.“
Oliver Trust (Handelsblatt 9.12.) ergänzt: “ Es ist ein leichter Anflug von Panik, der sich in den Gesichtern der Frauen und Männer des Fanshops gleich neben der Klubzentrale des VfB Stuttgart widerspiegelt. Der Laden ist voll, die Regale sind leer, die Euro rollen. Der Shopleiter grinst die Mitarbeiter regelmäßig kurz vor der Mittagspause flehentlich an, und dann wissen sie alle, dass das Mittagessen mit Käsespätzle und Salat in der Vereinsgaststätte um die Ecke ausfallen muss. Das Weihnachtsgeschäft, die Fußball-Champions-League, die Euphorie, dies alles zahlt sich jetzt auch im Fanshop finanziell aus. Der Umsatz, hat der Chef des Ladens verkündet, hat sich verglichen zum Vorjahr bereits verdoppelt. Beim VfB Stuttgart nehmen sie zurzeit viel mehr Geld ein, als sie zu Saisonbeginn erwartet hatten. Der Klub will die Hochphase weitgehend zur Entschuldung nutzen. Vereinspräsident Erwin Staudt bastelt an einer Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung in eine Kapitalgesellschaft und sucht dafür noch „drei bis vier Premiumpartner“. Die 16,6 Millionen Schulden des Vereins sollen in das neue Gebilde einfließen. Noch zögern mögliche Kandidaten, aber Staudt sagt: „Ich bin guter Dinge, dass sich das spätestens im Frühjahr ändert.““
Jürgen Rooss (SZ 9.12.) schildert die Strategie Felix Magaths: „Felix Magath wirkte ein bisschen müde, als er am späten Sonntagabend noch einmal ins Fernsehstudio des Südwestrundfunks in Stuttgart kam. Die Frisur saß nicht perfekt, die Krawatte auch nicht. Ein wenig rastlos schien der Teammanager des VfB Stuttgart zu sein, aber auf keinen Fall ruhelos. Denn seine Sätze saßen. Wie immer. Es war einer jener Auftritte, nach denen man sich wieder fragen durfte, ob der Schachspieler Magath ein Naturtalent in strategischem Denken ist, oder ob er ein Managertraining mit Auszeichnung absolviert hat. Denn irgendwann muss Magath gemerkt haben, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, hinaus zu gehen, um Ruhe und Optimismus zu predigen. Und das wiederum könnte – strategisch betrachtet – ein untrügliches Zeichen dafür sein, dass der VfB die kritischste Phase dieser Saison durchmacht. „Wir haben 35 Punkte und sind Tabellenführer“, sagte Magath entschieden. Und dass er mit dem bisher Geleisteten mehr als zufrieden sei. Von drei sieglosen Spielen, das machte er deutlich, will sich Felix Magath nicht aus der Ruhe bringen lassen. Der Teammanager kümmerte sich also bis spät in die Nacht hinein um die Beruhigung der Heimatfront, um dann nach wenigen Stunden Schlaf am Montagfrüh mit dem VfB-Tross in Richtung Manchester aufzubrechen. Dort wartet am Dienstag nach dem Pokal-K.o. in Mönchengladbach und den torlosen Partien in der Liga gegen Bochum und Hamburg endlich wieder ein großes Spiel. Für den zum Optimismus berufenen Magath eine kleine Erlösung nach einer tristen Woche, in der sich gezeigt hat, dass seiner jungen Mannschaft die Favoritenrolle nicht ganz so schmeckt. Ihre berauschendsten Spiele haben die jungen Wilden vom VfB Stuttgart immer dann abgeliefert, wenn sie der Außenseiter waren – zum Beispiel beim 2:1-Hinspielsieg.“
Kalkulierte Eigenschaftslosigkeit
Wolfram Eilenberger (Tsp 9.12.): „Bereits der Name fordert Ehrfurcht ein. Zambrotta. Das klingt nobel, entschlossen, kühl – und nicht zuletzt nach Schmerzen. Es klingt nach allem, wofür italienischer Fußball bei uns bewundert und gefürchtet wird. Es klingt nach Juventus Turin. Das trifft sich prächtig. In seltener Reinheit verkörpert das Spiel von Gianluca Zambrotta jene Eigenheiten, die seine Turiner auch dieses Jahr zum Titelfavoriten der Champions League machen. Ohne ästhetische Einbußen verfolgt der Verein ein Ideal rein effizienzorientierter Flexibilität, dem sämtliche Beteiligte unterworfen bleiben. In keiner Mannschaft wird das Rotationsprinzip konsequenter angewandt. Jeder Star und jeder Spieler weiß sich unter Trainer Lippi als austauschbar. Und wie sich der Klassekader jeweils auf dem Platz präsentiert – ob als frustrierend vollendete Abwehrorganisation oder mit flüssigst vorgetragenem Angriffsfußball – , hängt allein davon ab, welches Resultat gerade gemäß erscheint. Positiv beschrieben, verlangt diese kalkulierte Eigenschaftslosigkeit nach Spielern von einzigartiger Wandlungskraft und Qualität, nach echten Charakteren. Nach Typen wie dem Tschechen Pavel Nedved oder eben Turins zweiter Schlüsselkraft, Gianluca Zambrotta. Spätestens mit der letzten Saison stieß er auf der linken Außenbahn in die Weltspitze vor. Seine Auftritte als linker Verteidiger gehörten zu den großen Ereignissen des Jahres und führten nun zu einer berechtigten Nominierung für die Wahl zum Weltfußballer. Dabei herrscht auf seiner Position kein Qualitätsmangel. Paolo Maldini, Bixente Lizarazu und Roberto Carlos spielen schließlich noch. In fast unheimlicher Weise verbinden sich in dem 27-jährigen Turiner die Stärken seiner drei alternden Kollegen. Maldinis reduzierte Souveränität, Lizarazus unbedingte Widerständigkeit sowie der prall beschenkelte Vorwärtsdrang von Roberto Carlos – das alles bringt Zambrotta mit in sein Spiel. Dass der elegante Allrounder von Turin ursprünglich als rechter Mittelfeldspieler erworben wurde, lässt sich dabei kaum fassen, liefert aber die beste Veranschaulichung für die permanente Erneuerungsideologie der „alten Dame“ Juve.“
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