Ballschrank
Von Christoph Heisiger
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| Donnerstag, 25. März 2004
Viele Kommentatoren wollen nach dem Derby (02.12.) HSV-St. Pauli (4:3) nicht von Voraussagen abweichen.
Ergebnisorientierte Berichterstattung hat die Analyse des Lokalderbys zwischen dem Hamburger SV und dem Stadtteilverein FC St. Pauli dominiert. Das knappe Endergebnis kam den meisten Autoren offenbar gelegen, wurde doch im Vorfeld des „Derby des Grauens“ (Bild) die große Ausgeglichenheit beider Teams – und zwar auf niedrigem Niveau – immer wieder betont.
In Die Welt (03.12.) berichten Matthias Linnenbrügger und Patrick Krull vom „Zittersieg des HSV“, der „nur mit viel Glück endlich wieder einen Bundesligasieg gelandet hat.“ Auch Frank Heike (FAZ 04.12.) hat einen FC St. Pauli gesehen, „der ganz nah vor dem Ausgleich stand.“ Nachdem André Trulsen in der 83. Minute für den FC St. Pauli den 3:4 Anschlusstreffer erzielte, hätte „ebendieser Trulsen kurz vor Schluss noch den Ausgleich erzielen können“ (Heike). Nur in puncto Härte schien der HSV klar überlegen gewesen zu sein. „Der HSV erkämpfte sich den Sieg durch die Nachspielzeit hindurch mit grimmiger Aggressivität am Rande des Legalen“ (Heike). Die SZ (03.12.) und die FR (03.12.) bedienten sich jeweils aus Übermittlungen des Sportinformationsdienstes. Danach „hat der HSV seine Stellung als Nr 1 in der Hansestadt mit Ach und Krach bestätigt […] und sich am Ende aber im 13. Derby (in der Bundesliga, Anm. d. Red.) zum 7. Sieg gezittert.“
Hans-Günter Klemm und Michael Richter (kicker 03.12.) sehen das anders. “Der HSV war in der Spielanlage und auch was die Solisten anbelangt klar überlegen, die rustikalen Paulianer konnten nur in puncto Härte mithalten. Mit der neuen Taktik brillierten die Gastgeber und zeigten zuletzt verschüttete Tugenden: spielerische Eleganz und Kombinationen, geprägt von Albertz´ Ideen, Barbarez´ Geniestreichen, und der Dynamik der Außen Benjamin und Präger.” Ihr Fazit fällt eindeutig zu Gunsten der Hausherren aus: “Der HSV hätte schon zur Pause durch Benjamin (27., 42.) und Barbarez (43.) höher führen müssen. […] Ein verdienter Sieg in einen heiß umkämpften Derby. Der HSV versäumte es, die große Überlegenheit rechtzeitig auszuspielen.” Auch Kai-Uwe Hesse (Bild 03.12.) hat einen verdienten Derbysieg der „Rothosen“ gesehen. Den Gästen vom Millerntor bliebe allenfalls die „Kampfmedaille“.
Das 127. Lokalderby in Hamburg gehört der Vergangenheit an. Die 54.800 Zuschauer im neuen Volksparkstadion haben „ein Derby voller Leidenschaft” (Hamburger Abendblatt 03.12.) gesehen, das der Hamburger SV hochverdient für sich entscheiden konnte. Dass letztendlich kein höherer Sieg dabei heraussprang – darin waren sich die Zuschauer einig – lag daran, dass der HSV eine Vielzahl von Großchancen ungenutzt ließ, der FC St. Pauli durch eine Unkonzentriertheit in der über weite Strecken des Spiels starken HSV-Abwehr auf 2:4 verkürzen konnte und wenige Minuten später von einer „umstrittenen Elfmeterentscheidung“ (Klemm Richter) des ansonsten guten Schiedsrichters Krug profitierte. Eine weitere ernstzunehmende Chance zum Ausgleich ließ der HSV jedoch nicht mehr zu, so dass der 87. Derbysieg gegen den FC St. Pauli eigentlich nie in Gefahr war. Die Aussagen einer Vielzahl von Kommentatoren, welche von einem knappen Zittersieg berichteten, lassen daher zwei Schlüsse zu. Entweder sie haben sich in ihrer Bewertung zu sehr von Ergebnis und Torfolge beeinflussen lassen. Oder sie wollten von ihren ursprünglichen vor dem Spiel geäußerten Positionen nicht mehr abrücken, um nun als Experten dazustehen, die den Spielverlauf exakt prophezeien konnten.
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