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Weltcup-Finale Bayern München gegen Boca Juniors

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Weltcup-Finale Bayern München gegen Boca Juniors

vor dem Weltcup-Finale Bayern München gegen Boca Juniors, welches am 27.11. in Tokio stattfand und die unterschiedliche Bewertung der Beteiligten im Vorfeld

Die Kommentatoren waren sich einig ob der unterschiedlichen Wertschätzung, welche diesem Wettbewerbs entgegengebracht werde. In Europa eher beiläufig wahrgenommen, genieße der transkontinentale Vergleich der jeweiligen Champions in Südamerika nach wie vor hohen Stellenwert. Ludger Schulze (SZ 26.11.) erkennt in der Vorbereitung beider Teams ein deutliches Indiz für die differierende Bewertung: „Während Boca schon eine Woche vorher nach Tokio geflogen ist, hat ein randvoller Terminplan den Bayern die Anreise erst am Tag zuvor gestattet.“ Jochen Schlosser (Welt 27.11.) sieht das ähnlich und vermutet, „dass die Bayern den Weltpokal nicht ganz so ernst nehmen.“ Diesem Eindruck wollten diese zwar entgegentreten, worauf Beteuerungen seitens Hitzfeld schließen lassen. Nach Roland Zorn (FAZ 27.11.) jedoch bedeute ein eventueller Erfolg nichts mehr als „eine weitere Zierleiste in der chronisch triumphalen Vereinschronik“ und „im Briefkopf des Klubs“.

Worin nun das unterschiedliche Ansehen ursächlich begründet liegt, lassen die Autoren zumeist offen. Ludger Schulze (SZ 26.11.) bemüht einen Blick in die Geschichte. Als in der Zeit bis 1980 der Sieger noch in Hin- und Rückspielen ermittelt wurde, trugen die Gäste aus Europa nicht selten „offene Wunden“ davon. Karl-Heinz Schnellinger („die schlimmste Schlacht“) und Ernst Happel („das sind Verbrecher“) sind Zeugen von Szenarios, welche an Guerilla-Kriege erinnerten: „Spucken, Treten, Halten, Schlagen, Beißen und jede erdenkliche Form von Zeitschinderei.“ Schulze referiert die Anekdote des kurzsichtigen Stürmers van den Daele (Feyenoord Rotterdam), der im Endspiel 1970 Opfer seines Gegenspielers wurde. Nach dem 1:0-Siegtreffer des Holländers riss ihm sein Gegenspieler „die Brille von der Nase, feuerte sie auf den Boden und trampelte so lange darauf herum, bis nur noch ein Häufchen Glassplitter übrig war.“ Hierbei handelte es sich übrigens um Carlos Billardo, 16 Jahre später Trainer des Weltmeisterteams aus Argentinien. Karlheinz Wild (kicker 26.11.) fragt zwar ebenfalls nach dem geringen Stellenwert dieser Trophäe in Europa, kann jedoch lediglich das fragwürdige Argument vorbringen, wonach Tokio ein unattraktiver, weil abgelegner, Austragungsort für Europäer sei. Dabei scheint er zu übersehen, dass die Anreise der mindestens 15 000 argentinischen Anhänger (SZ 24./25.11.) ebenfalls einer halben Weltreise gleichkommt.

In einem Punkt hingegen scheinen die Auffassungen beider Vereine deckungsgleich zu sein. Ludger Schulze (SZ 27.11.) und Martin Hägele (NZZ 27.11.) schildern die finanziellen Aussichten des Asientrips. Für den diesbezüglichen Erfolg hätten die beiden Teams selbst gesorgt. In dem Wissen um die immense Bedeutung des Cups in Japan setzten sie die beiden Veranstalter – Uefa und Conmebol – unter Druck, indem sie drohten, den Wettbewerb in Eigenregie mit Hin- und Rückspielen auszutragen. „Es hätte in der Tat dumm ausgesehen für die Gastgeber, wenn ihnen ein halbes Jahr vor dem WM-Festival im eigenen Land ausgerechnet jenes Ereignis weggenommen worden wäre, dem sie den Fußballboom in ihrem Land verdanken“ (Hägele). Daraufhin gab es finanzielle Zusagen seitens der beiden Kontinentalverbände sowie der Gastgeber. „Knapp vier Millionen Mark“ (Schulze) würden beiden Teilnehmern wohl mindestens bleiben. Borussia Dortmund – Sieger von 1997 – musste sich noch mit 300 000 Dollar Antrittsgeld sowie heimatlichen Fernsehgeldern begnügen.

siehe dazu auch:

Sieger Trondheim (29.11.)

Neues und Traditionelles in Tokio (28.11.)

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