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Effes Zukunft ist düster

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Effes Zukunft ist düster

Werbe-Franz hat neuen Auftrag – 1860-Trainer Peter Pacult vor der Saison – Effenberg vor der Karriereende – Barcas Torhüter Robert Enke – Düsseldorfer Niedergang

„Wieder einmal wirbt Aufsichtsratschef Beckenbauer für einen Konkurrenten des teuren Klubsponsors“, erfahren wir von Thomas Kistner (SZ 14.8.) über das Engagement des Bild-Kolumnisten beim Telekomkonkurrenten O2, dem Nachfolger von Viag Interkom. „120 Millionen Euro zahlt die Telekom dem Münchner Renommierverein über die nächsten sechs Jahre, mit Extras und Prämien geht die Summe leicht noch höher – ein in Deutschland, vermutlich sogar in Europa ziemlich beispielloses Sportsponsoring. Da schmerzt es besonders, wenn just der Aufsichtsratsvorsitzende, der eine harmonische öffentliche Darstellung des Klubs ja strikt einzufordern hätte, selbst mit der Konkurrenz ins Geschäft kommt. Zumal, wenn es sich dabei um eine Lichtgestalt handelt. Nun ist die Stimmung wieder mal heikel. Es ist nicht leicht, sich mit Beckenbauer und den ihn umgebenden Mächten anzulegen, und vom operativen Geschäft ist er schon freigestellt (…) Das Ausmaß der Verbitterung beim spendablen Sponsor (Telekom) lässt sich an der aktuellen Marketingkonstellation im Mobilfunk-Markt ablesen. Als Werber für O2, das wie die Telekom eine UMTS-Lizenz besitzt, zieht Beckenbauer frohgemut gegen just den Konzern zu Felde, der ihm in allen drei seiner bedeutenden Fußballämtern finanziell zur Seite steht: Als Aufsichtsratschef des FC Bayern, als Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bunds sowie als Organisationschef für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Als WM-Topsponsor zahlt der Bonner Konzern eine Summe, die sich um die 40 Millionen Euro bewegen wird. Es gibt mehr pikante Überschneidungen im sensiblen Feld der Imagewerbung. Soeben tat O2-Vorstandschef Rudolf Gröger kund, wie glücklich sein Unternehmen über die enge Partnerschaft mit Bayer Leverkusen sei, dem Dauer-Rivalen des FC Bayern in der Bundesliga.“

„Effes Zukunft ist düster“, titelt die Times und beleuchtet den finanziellen Ausnahmezustand auf dem europäischen Festland. „Die Klubs vom Kontinent lassen die englischen noch gesund aussehen. Deren Fernsehverträge sind zusammengebrochen oder werden es bald wie der Transfermarkt. Die einzigen, die auf dem Kontinent noch investieren, ist die Gaddafi-Familie. Die mittelgroßen Klubs, die es mit den Giganten aufnehmen wollten, hat es am schlimmsten erwischt. AC Fiorentina wird diese Saison in der vierten Liga verbringen, während der FC Tirol pleite ist und in einer regionalen Liga spielen wird. Ein anderes Opfer ist Stefan Effenberg, der die Bayern vor nicht mal 15 Monaten zum Triumph im Europacup verhalf. Kürzlich schimpfte er noch auf die Arbeitslosen in Deutschland, dass sie zu faul und zu reich für Arbeit seien, und findet sich nun selbst auf der Liste. Felix Magath sagte kürzlich, dass Spieler nun jeden Tag nachzuweisen hätten, dass sie gut genug seien. Die Gewinner des Sommers sind die kleinen europäischen Ligen, die portugiesische, die skandinavischen, die holländische und die russische, die zum ersten Mal nicht ihre besten Spieler an die an die großen Länder verloren haben.“

Die mit zahlreichen Vereinen an zu hohen Gehaltsforderungen gescheiterten Vertragsverhandlungen mit Stefan Effenberg kommentiert Jörg Marwedel (SZ 14.8.). „Eine solche Zurückweisung muss man wohl als Ausnahmezustand für einen Extremtypen begreifen, der es doch als selbstverständlich erachtet hatte, sich seinen neuen Klub bei der geplanten Stippvisite ins Fußball-Paradies England selbst aussuchen zu können – auch wenn der gerade begangene 34. Geburtstag an die Endlichkeit fußballerischen Glanzes gemahnt. Es hat Monate gedauert, bis Effenberg die neue Lage bemerkte. Zuletzt hat er seine finanziellen Vorstellungen um angeblich zwei Drittel auf 1,5 Millionen Euro reduziert (…) Ohne Erschütterungen des Egos entlässt dieses schillernde Geschäft, das viele Fußballer als eine Art Sucht beschreiben, keinen seiner Hauptdarsteller.“

Ronald Reng (FR 14.8.) über den neuen Torsteher des CF Barcelona – Robert Enke. „In den drei Jahren in Portugal ist Enke aus dem Blickwinkel der Heimat geraten. Im Sommer hatte er, ein Reflextorhüter mit Reaktionen, wie sie in der Bundesliga höchstens vier, fünf Keeper bieten, diverse Angebote von der iberischen Halbinsel (etwa von Alavés, Espanyol Barcelona und FC Porto), aber die meisten deutschen Klubs hatten seine Entwicklung noch nicht einmal verfolgt. Enke in Portugal? So weit weg. Eine zweitklassige Liga. Kommt noch nicht mal im Satellitenfernsehen (…) Enke wäre gerne nach Deutschland zurückgegangen, er ist kein Vagabund, der das Leben in der Fremde grundsätzlich liebt, sondern 1999 dank Heynckes, der ihn von Gladbach nach Lissabon mitnahm, einfach so reingestolpert ins Ausland. Heute ist es kurios, aber vor drei, vier Monaten, als er von seinem Joker, dem Angebot von Barca noch nichts ahnte, war es schmerzhaft zu merken, dass zu Hause niemand schätzte, wie er sich in der Ferne gemacht hat.“

Die Arbeit des 1860-Trainers Peter Pacult beschreibt Christian Zaschke (SZ 14.8.). „Anfang Juli haben die Löwen ihre Saisonvorbereitung in Güssing begonnen, in Österreich. Pacults Vorgänger Werner Lorant ließ seine Spieler vor der Saison laufen wie im Marathontraining, er war berüchtigt dafür. Er mochte den Schmerz und die Härte, weil er zu den Menschen gehört, die glauben, mit Härte und Schmerz könne man im Spielsport Fußball wettmachen, was an Gefühl fehlt. Pacult glaubt das nicht. Er ließ mit dem Ball trainieren, immer. Das liegt daran, dass Pacult selbst ein Gefühlsfußballer war, einer, der instinktiv wusste, was zu tun war auf dem Platz. Es ist eine schwierige Aufgabe für ihn, aus Fußballern, für die im System Lorant die Sekundärtugend Disziplin das höchste Gut war, nun Fußballer zu machen, die sich etwas trauen. Zum Ende der vergangenen Saison haben die Löwen teilweise recht ansehnlichen Fußball gespielt. Sie haben nicht öfter gewonnen als sonst, aber sie sahen besser aus auf dem Platz. Manchmal hat es Spaß gemacht, ihnen zuzusehen.‘“

Holger Gertz (SZ 11./12.8.) erzählt die „Geschichte eines beispiellosen Niedergangs“. „Immerhin ist die Fortuna, obwohl seit Jahren nicht mehr in der Bundesliga, in der ‚Ewigen Tabelle‘ des Kicker immer noch auf Platz 15 von 48 Mannschaften. Wie gut müssen die mal Fußball gespielt haben. Sie spielten gegen den FC Barcelona, im Endspiel des Europapokals der Pokalsieger (…) Düsseldorf ist keine Fußballstadt, eher eine Stadt der Kunst. Nicht ackern, sondern auf Inspiration hoffen: darauf, dass aus Chaos so etwas wie Ordnung entsteht. Man kann das Schluderei Nennen (…) Das Stadion galt mal – in den Siebzigern – als Zierde der Liga. Nun wird es abgerissen; eine Multifunktionsarena kommt her, in der die Fortuna nicht spielen wird. Die Fortuna – das hat sie den Bayern voraus – ist schon umgezogen, dahin zurück, wo einst alles begonnen hatte, ins kleine Paul-Janes-Stadion am Flinger Broich, weg vom schicken Norden, zurück in den räudigen Süden. Wie jemand, der von zuhause aufgebrochen war, um alles zu gewinnen. Und als er alles verloren hat, muss er wieder daheim im Kinderzimmer einziehen.“

Beim glückhaften 1:0-Auswärtssieg in Karlsruhe beobachtete Frank Ketterer (taz 14.8.) Kölns Trainer. „Natürlich hat der rheinische Frohsinn längst Besitz ergriffen vom einstmals so zurückhaltenden Friedhelm F. und eine wahre Wesensmetamorphose bewirkt, wie am Montagabend zu bestaunen war. Da konnte Funkel nicht mehr an sich halten und ist vor lauter Frohsinn nur noch auf und ab gehüpft. Aus der Ferne sah es so aus, als ginge er dieses Jahr als Rumpelstilzchen.“

Zu Trainer Hitzfelds Sorgenbekundungen um die nach Belgrad mitreisenden Münchner Fans meint Michael Martens (FAZ 14.8.). „Da sich auf dem Balkan auch Fußballspiele mit politischer Bedeutung aufladen können, sind Hitzfelds Befürchtungen nicht unberechtigt. Zwar sind schon wesentlich pikantere Partien, wie Partizans Spiel gegen Croatia Zagreb vor fünf Jahren, gewaltfrei verlaufen, aber ausgeschlossen ist es nicht, dass einige Wirrköpfe die Fußballanhänger aus Deutschland auf ihren Status als Angehörige eines Nato-Staats reduzieren, für die das Kosovo nur ein Vorwand gewesen sei, um Serbien anzugreifen, wie eine bis heute verbreitete Lesart lautet. Wozu derlei Gedanken führen können, zumal bei betrunkenen Fans nach einer möglichen Niederlage von Partizan Belgrad, muss nicht erläutert werden.“

Joachim Mölter (FAZ 14.8.) schreibt über die Verhandlungen zwischen Verband und Verein um die Abstellung von Spielern. „Gefordert sind in Zukunft die Verbände. Die haben in der Vergangenheit das Risiko auf die Klubs abgeschoben und dann auch noch die Muskeln spielen lassen: Wer nicht hörte, wenn nach Nationalspielern gerufen wurde, der fühlte auch noch Sanktionen. So einfach wird das nicht mehr gehen, die Klubs werden künftig mehr oder weniger Druck auf die Spieler ausüben – und sie notfalls womöglich zum Rücktritt aus dem Nationalteam bewegen. Vom Basketballspieler Dirk Nowitzki weiß man, dass er liebend gern für Deutschland, Ruhm und Ehre spielt – aber nicht um jeden Preis und schon gar nicht, wenn es die Karriere kostet.“

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