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Wolfs vergleichsweise leise inszeniertem Abgang
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| Donnerstag, 25. März 2004
Wolfgang Hettfleisch (FR 5.3.) gibt zu bedenken. „Das eigentlich Interessante an Wolfs vergleichsweise leise inszeniertem Abgang ist aber, dass sportlicher Misserfolg hier nur bedingt das in Gang setzte, was man gern als die Mechanismen der Branche bezeichnet. Der bodenständige Fußballlehrer aus der Pfalz hat aus Sicht so manches Kochs in Nadelstreifen, der in der VfL-Suppe mitrührt, einen Makel, der schwerer wog, als etliche Niederlagen: Er passte nicht zum angestrebten Image. Mit neuem Stadion und Stefan Effenberg wähnen sich viele im Umfeld des VfL auf dem Weg zum Topclub. Da soll auch der Mann an der Seitenlinie ins Bild passen. Jürgen Röber weiß offenbar, was von ihm erwartet wird. Brav preist er die großartigen Perspektiven der Wolfsburger. Derlei hört man dort gern. Erfolg, so lautet das Lehrstück aus Leverkusen oder auch jenes aus Berlin, wo die abgewrackte Hertha binnen weniger Jahre ins deutsche Fußball-Establishment zurückkehrte, ist planbar – die entsprechenden Millionen vorausgesetzt. Und an Geld ist kein Mangel beim VfL Wolfsburg. Auch Charisma auf der Trainerbank kann man kaufen. Das sollte auch Röber zu denken geben.“
Jörg Marwedel (SZ 5.3.). „Die Debatten um den Trainer Wolfgang Wolf sind somit beendet, ob es seinem Nachfolger auf Dauer besser ergeht, muss abgewartet werden – schließlich war Röber längst nicht mehr die erste Wahl. Der VfL hatte bei internationalen Kalibern angeklopft. Beim Schweizer Christian Gross, der schon in Englands Premier League arbeitete; beim Dänen Morten Olsen, der die Nationalelf seines Landes betreut und als Profi ein Star war. Doch beiden hat sich der Reiz der Fußballstadt Wolfsburg trotz der schönen neuen Volkswagen Arena nicht auf Anhieb erschlossen. So opferte VfL-Manager Peter Pander unter wachsendem Druck schließlich einen Teil seiner Visionen. Er brauchte jemanden, der sofort bereit stand zur Schadensbegrenzung. Röber für Wolf, das ist im Grunde eine kuriose Personalie. Nicht nur, weil Röber den Kollegen Wolf auf Wunsch des VfL-Aufsichtsrates schon vor Jahresfrist ablösen sollte, was damals am Veto Panders scheiterte. Es sind vor allem die Parallelen zwischen den beiden Fußballlehrern, die einen staunen lassen. Wie Wolf den VfL Wolfsburg führte auch Röber seinen letzten Arbeitgeber Hertha BSC aus den Tiefen des Raumes bis ins internationale Geschäft – Ausgangspunkt war die zweite Liga gewesen. Wie bei Wolf stagnierte das Team am Ende und schürte Zweifel, ob Röber die Kompetenz für den dauerhaften Sprung in Europas Spitzenklasse mitbringe. Und wie Wolf war Röber an dem Versuch gescheitert, trotz beschlossener Trennung zum Saisonende auf der letzten Etappe die nötige Autorität zu bewahren. Auch er musste vorzeitig gehen.“
Peter Unfried (FTD 5.3.). “Nicht zu übersehen ist, dass Röbers Profil Panders Zielvorgabe entspricht. Er kann mittelfristigen Erfolg für gehobene Ansprüche nachweisen – und hat zudem Erfahrung in der Champions League. Wenn man nachvollziehen will, woran Wolf letztlich scheiterte, reicht ein Blick auf die Tabelle nicht: Der VfL steht zwar nicht gut. Aber fast exakt da, wo er immer steht – auf Platz elf. Die Sache hatte nun die branchenübliche Dynamik bekommen. Zum einen durch die beschlossene Trennung: Das schwächt einen Trainer extern und intern. Nach der Winterpause jedenfalls funktionierte der auf Laufarbeit, Engagement und Stefan Effenbergs Strategien fußende Kollektivfußball des ordentlich besetzten Teams nicht mehr. Dazu beteiligten sich an der daraufhin einsetzenden öffentlichen Diskussion auch Teile des Aufsichtsrats. Am Ende herrschte jedenfalls tatsächlich Aufregung in der sonst eher stillen 120.000-Einwohner-Stadt im Osten Niedersachsens. Kritiker werfen Wolf schon länger vor, er hätte in knapp fünf Jahren mehr leisten müssen, als aus einem zufällig aufgestiegenen Zweitligisten einen etablierten Mittelklasseklub zu machen. Wolf selbst hat die tabellarische Stagnation angesichts eines begrenzten Haushalts stets als „Fortschritt“ gedeutet. Er zählt sich zur Generation, die in den letzten Jahren nach der Vorleistung von Kollegen wie Volker Finke und Christoph Daum den deutschen Fußball in der Breite modernisiert und darüber hinaus die Jugend gefördert hat.“
Frank Heike (FAZ 5.3.). „Seit im Januar bekannt wurde, daß Wolf zum Saisonende gehen würde, war der 45 Jahre alte Fußballehrer nicht mehr Herr des Verfahrens – die Profis machten, was sie wollten. Er habe Klimmzüge machen müssen, um die Mannschaft noch zu erreichen, sagte Wolf. Daß ihm das am Ende gar nicht mehr gelang, verrieten nicht nur die schwachen Heimspiele in der neuen Arena, sondern vor allem die vielen Disziplinlosigkeiten: die Posse um Effenbergs Auswechslung im Spiel gegen Bielefeld, die Weitergabe von Mannschaftsinterna an die Medien, vier Rote Karten und Schlägereien im Training zwischen Thiam und Präger, Effenberg und Karhan. Wir wollten mit dem neuen Trainer die richtigen Signale in Richtung Mannschaft senden, sagte Manager Pander, so konnte es nicht weitergehen. Überhaupt Effenberg: Zunächst als der Mann gefeiert, der die graue Maus VfL in die Medien bringt, nun als derjenige entlarvt, der die Mannschaft in einem halben Jahr in zwei Lager geteilt hat: in Freunde und Feinde Effenbergs. Wolf und Pander, der seine Verpflichtung verantwortet, haben immer zu ihm gehalten. Auch wenn seine Leistung selten gut war. Miroslaw Karhan, der eigentlich der Mann im zentralen Mittelfeld sein sollte, hat sich von Effenberg an den Rand drängen lassen und spielt nur noch mit. Jürgen Röbers Hauptaufgabe wird es sein, Effenberg zu integrieren. Der machtbewußte Altstar lobte den neuen Chef vorauseilend schon einmal als genau den richtigen Mann für Wolfsburg.
Hans Trens Wolfgang Hettfleisch (FR 5.3.). „Ich kann gut nachvollziehen, wie Wolfgang Wolf sich jetzt fühlt, sagte Jürgen Röber denn auch, als er gestern in der Wolfsburger Arena nach knapp einjähriger Arbeitslosigkeit als neuer Cheftrainer des Bundesligisten präsentiert wurde. Röber selbst war anzusehen, dass er sich prima fühlt. Die erzwungene Untätigkeit muss zuletzt am Selbstbewusstsein genagt haben. Aber Röber wusste, was er wollte, genauer gesagt: Er wusste, was er nicht wollte. Aus Graz und Istanbul kamen Anfragen. Röber sagte ab. Und zum Weg von Kollege Werner Lorant über die Türkei in die westfälische Provinz zum abstiegsgefährdeten Zweitligisten LR Ahlen hat er jüngst mal sinngemäß gesagt: Für so etwas sei er nicht verzweifelt genug. Lohn der Geduld ist nun ein Vertrag als Cheftrainer beim VfL Wolfsburg bis zum 30. Juni 2006. Die beträchtliche Laufzeit könnte entweder für Röbers Verhandlungsgeschick sprechen oder dafür, dass der Neue als Idealbesetzung gilt. Der VfL-Aufsichtsratsvorsitzende und VW-Markenvorstand Lothar Sander mühte sich gestern naturgemäß, die zweite Version zu stützen: Röber ist ein Trainer mit internationaler Erfahrung, der alle Voraussetzungen dafür mitbringt, um aufbauend auf der Basis, die Wolfgang Wolf geschaffen hat, erfolgreiche Arbeit zu leisten. Und Wölfe-Manager Peter Pander, dessen ursprünglich bis 2005 datierter Vertrag vorzeitig bis sage und schreibe 30. Juni 2008 verlängert wurde, erklärte auf skeptische Nachfragen kategorisch: Der Trainer, den wir holen, ist immer erste Wahl. Nun ja. Der VfL Wolfsburg hatte durchaus noch ein paar andere Kandidaten im Auge, seit Wolf und Pander im Dezember überein gekommen waren, den zum Saisonende auslaufenden Vertrag des Fußballlehrers aus der Pfalz nicht zu verlängern. Nur zu gern, so erzählt man sich in Wolfsburg, hätten die eifrig am Fußball-Mittelklassewagen VfL herumschweißenden VW-Manager einen ausländischen Trainer unter Vertrag genommen. Einen, der den vom Weltkonzern ersehnten Imagetransfer leistet; der imstande ist, den grün-weißen Fußball-Golf binnen weniger Jahre ins (schwer vermittelbare) VW-High-end-Modell Phaeton zu verwandeln. Kurz: Einen, der das genaue Gegenteil dessen verkörpert, wofür der hemdsärmelige Arbeiter Wolf steht. Doch der Schweizer Christian Gross (FC Basel) soll ebenso abgewunken haben wie der dänische Nationaltrainer und Ex-Coach des 1. FC Köln, Morten Olsen.“
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