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Zu Großem berufen

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Zu Großem berufen

Raimund Witkop (FAZ 22.4.) ist von Bremens französischem Spielmacher enttäuscht. „Vielleicht bedarf es zur Inspiration dieses Künstlers der großen Bühne. Daß Johan Micoud den Bremer Rahmen beim Spiel seines SV Werder gegen den VfL Wolfsburg nicht zureichend fand, war am Karsamstag nur allzu rasch zu sehen: ein paar Kabinettstückchen ohne Ertrag, ein paar Ideen ohne Nutzwert, und dahin war es mit der Laune des Franzosen, der Werder an guten Tagen über den Durchschnitt hinausheben kann. In der manchmal genialischen, manchmal ärgerlichen Attitüde des Johan Micoud scheinen sich alle Probleme der Bremer in der zweiten Saisonhälfte zu spiegeln. Zuerst auf einer symbolischen Ebene: Micoud fühlt sich zu Großem berufen, wie Werder im Grunde auch. Geht es gut, hat die Mannschaft Erfolg und sogar Ausstrahlung, wie bei den voraufgegangenen Auswärtssiegen bei Borussia Dortmund und Bayern München. Wenn nicht, hat Micoud keine rechte Lust und Werder keine Substanz mehr – wie in so vielen Partien der mißratenen Rückrunde. Am Samstag war diese Wandlung innerhalb von Minuten zu beobachten: Einer schwungvollen Anfangsphase mit hübschen Kombinationen folgte ein rasches Ermatten; jedenfalls kein Versuch mehr, dem Gegner das eigene Spiel aufzuzwingen. Wenn man beobachtet, mit welcher Energie sich etwa der norddeutsche Rivale Hamburger SV durch vergleichbare Spiele beißt, dann ist klar, woran es in Bremen mangelt. Kopfschüttelnd oder verächtlich winkend über den Platz zu schreiten, wie es Micoud manchmal tat, hebt nicht gerade die Moral der Gruppe und ist entschieden das falsche Signal. In besseren Spielen hat er sich als Antreiber hervorgetan. Nur so ist die ungewöhnliche Schwankungsbreite zu erklären, in der Werder mal glanzvoll, mal peinlich durch die Liga schlingert (…) Vergleichbare Probleme mit einer Führungsfigur haben sich die Wolfsburger mit der Trennung von Stefan Effenberg erfolgreich vom Hals geschaffen. Wie es scheint, geht es manchmal auch ohne Häuptling: In Bremen versuchte sich Jungnationalspieler Tobias Rau in der zentralen Rolle; ohne das gestische Repertoire eines Fußball-Regisseurs, aber durchaus effektiv. Der Wandel im Team ist eher eine Sache jedes einzelnen, wie Trainer Jürgen Röber festgestellt hat.“

Das ist eine absolute Sauerei

Jan Christian Müller (FR 22.4.) kommentiert diese Personalie. “Bei Werder Bremen ist es wie beim Osterhasen: Alle Jahre wieder die gleiche Chose. 2001 ging Claudio Pizarro zum FC Bayern. Keine Chance, den Peruaner zu halten. 2002 zog es Torwart Frank Rost zu Schalke 04 und Torsten Frings zu Borussia Dortmund. Die Bremer kassierten jeweils kräftig und nannten die etwa achteinhalb Millionen Euro aus Dortmund Schmerzensgeld. Im vergangenen Jahr, gleich nach Silvester, hatte sich Manager Klaus Allofs im FR-Gespräch noch so angehört: Wir wussten doch gar nicht mehr: ,Wer sind wir eigentlich und wohin wollen wir? Sind wir der SV Werder von vor ein paar Jahren, der sich dem Schicksal fügt, nicht mithalten zu können, oder gehen wir bewusst auch mal ins Risiko?‘ Allofs hatte erreichen wollen, dass Frings bleibt. Vergeblich. Jetzt, in den Tagen vor und in den Stunden nach dem ernüchternden 0:1, heißt Frings Micoud. Die Namen ändern sich, das Thema bleibt identisch: Ein finanzstärkerer Klub, hier: Schalke 04, frisch versorgt mit 75 Millionen Euro aus US-amerikanischen Pensionsfonds, buhlt um die Gunst eines vertraglich noch an Werder Bremen gebundenen Profis, hier: Johan Micoud. Der ebenso launische wie geniale Franzose spielte am Ostersamstag so, als wolle er seinen Beitrag dazu leisten, dass sein derzeitiger Arbeitgeber zum Saisonende wieder eine fette Überweisung auf dem Girokonto mehr und dafür einen wichtigen Spieler auf dem Trainingsplatz weniger vorfindet. Denn wenn Werder den Uefa-Cup verpasst, was passieren wird, wenn der wichtigste Mann Micoud sich nicht anstrengt, wird mit spitzem Bleistift gerechnet werden müssen. Auch wenn Trainer Thomas Schaaf sagt: Johan hat einen Vertrag bis 2005. Aus und Basta. Schaaf passt es überhaupt nicht, dass die Schalker via Co-Manager Andreas Müller im kicker ihr Interesse kund getan hatten. Das ist eine absolute Sauerei, sagte Schaaf im DSF. Ein Zeichen, dass sie unruhig werden an der Weser, auch weil Micoud nicht der Mann ist, der ein glasklares Treuebekenntnis zu jenem Klub ausgibt, der ihn vom Abstellgleis aus Parma auf die Überholspur nach Bremen geholt hat.“

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