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Zusammenhänge zwischen Ökonomisierung und Globalisierung des Fußballsports

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Zusammenhänge zwischen Ökonomisierung und Globalisierung des Fußballsports

Dass der Fußball nicht nur ein weltweit verbreitetes Spiel, sondern auch eine sich globalisierende Branche ist, gehört sicherlich schon seit einiger Zeit zu den Allgemeinplätzen des Diskurses über dieses Rasenspiel. Durchaus interessante Einblicke in die Zusammenhänge zwischen Ökonomisierung und Globalisierung des Fußballsports liefert der von den österreichischen Kultur- und Sozialwissenschaftlern Michael Fanizadeh, Gerald Hädl und Wolfram Manzenreiter herausgegebene Sammelband „Global Players. Kultur, Ökonomie und Politik des Fußballsports“. Mit seiner interdisziplinären Ausrichtung beabsichtigt das Buch eine Annäherung an die eigenartige Ambivalenz des Fußballs zwischen „säkularer Massenreligion und multinationalem Geschäft“, zwischen Selbstermächtigung und Konsumorientierung zu liefern. Wie bei wissenschaftlichen Sammelbänden durchaus üblich, unterscheiden sich die einzelnen Beiträge hinsichtlich ihres Anspruchsniveaus, ihrer Originalität und Lesbarkeit erheblich. Zu den Highlights zählt dabei sicherlich der einführende Beitrag von Gerald Hädl über die politische Ökonomie des Fußballsports. Ausgehend von der Annahme, dass sich schrittweise eine symbiotische Beziehung zwischen dem Fußballsport, der Medien- und Unterhaltungsindustrie ausbildet, analysiert Hädl kenntnisreich den europäischen Clubfußball entlang der Kategorien Konzentration, Arbeitsmarkt, Diversifizierung, transnationale Netze sowie Ausweitung des Spielbetriebs. Dabei wird sowohl das Wettrüsten der Vereine als auch die zunehmenden Ungleichgewichte zwischen den Clubs und zwischen Anbietern und Anhängern verdeutlicht. Das Fazit fällt vor diesem Hintergrund für Fußballbegeisterte eher beunruhigend aus: Extrapoliert man die beschriebenen Trends und die herrschenden Kräftekonstellationen in die nahe Zukunft, so deutet nichts darauf hin, dass die Kommodifizierungs-, Konzentrations- und Expansionstendenzen sowie die damit verbundene Exklusion der Ökonomisch Schwachen (egal ob Vereine oder Anhänger) abnehmen werden (S. 34).

Der folgende Beitrag von Gertrud Pfister zur Entstehung und Entwicklung des Fußballsports bietet einen kompakten – mitunter aber auch oberflächlichen – Überblick über die Thematik. Unter dem Titel „Kaffeehaus und Vorstadt, Feuilleton und Massenvergnügen“ setzt sich Roman Horak mit der doppelten Codierung des Fußballs im Wien der Zwischenkriegszeit auseinander. Für regelmäßige Kaffeehausgänger dürfte der Aufsatz anregend sein, alle anderen werden wohl achselzuckend weiterblättern. Dies gilt in vergleichbarer Weise für den anschließenden Beitrag Mitropa: Konstruktionen ‚Mitteleuropas‘ im Sport von Matthias Marschik.

Um die Verbindungslinien zwischen dem Lokalen und dem Globalen im Fußballsport kreisen gleich mehrere Texte. Die Bedeutung des Fußballs im sozialen Kontext Ungarns beleuchtet Mikläs Hadas, während Kurt Wachter über Fußball und (Post-)Kolonialismus in Afrika informiert. Der britische Soziologe Richard Giulianotti diskutiert die Zustände im südamerikanischen Fußball, die er unter anderen mit dem Stichwort Politik der Korruption kennzeichnet. Spätestens seit der letzten Weltmeisterschaft in Japan und Korea gilt Asien als der künftige Wachstumsmarkt des Fußballsports. Vor diesem Hintergrund verdienen die Ausführungen von Wolfram Manzenreiter zur Produktion der japanischen J.Leagueâ sicherlich besondere Aufmerksamkeit. Grundsätzlich lesenswert sind ferner die Beiträge von Jörg Zimmermann über die Herstellung von Fußbällen in Pakistan, von Michael Fanizadeh und Markus Pinter über Rassismus und Antirassismus im Fußballsport sowie von Rosa Diketmäller über den Frauenfußball in Zeiten der Globalisierung. Das offenkundige Bemühen der zuletzt genannte Autorinnen und Autoren um gutmenschelnde Political Correctnessâ beeinträchtigt aber mitunter den wissenschaftlichen Wert der Aussagen und hat mich bei der Lektüre durchgängig gestört. überaus anregend ist schließlich der mit Fallbeispielen arbeitende Beitrag von Georg Spitaler und Lukas Wieselberg über die Rolle des Sponsoring bei Fußballweltmeisterschaften. Neben Erläuterungen zum ewigen Duell von Nike und Adidas interpretieren die Autoren auch die Kampagne von Eurocard-Master Card.

Michael Fanizadeh, Gerald Hädl Wolfram Manzenreiter (Hrsg.). Global Players. Kultur, Ökonomie und Politik des Fußballs. Frankfurt / Main : Brandes Apsel 2002.

Jürgen Schwier

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