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Zustand deutscher Sportberichterstattung

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Zustand deutscher Sportberichterstattung

Roderich Reifenrath (FR 16.7.) bringt den Besorgnis erregenden Zustand deutscher Sportberichterstattung auf den Punkt. „Der Prozess verläuft schleichend, hat nicht erst jetzt begonnen, gewinnt aber immer deutlichere Konturen. Der Prozess hat überwiegend etwas mit Eitelkeiten und Einschaltquoten zu tun, womit dann klar wäre, wovon hier die Rede ist: vom Fernsehen (das Wort natürlich könnte einem da leicht über die Lippen kommen), dem Leitwolf in einer zerklüfteten Medienlandschaft, in der Verlage und Anstalten nun schon drei Jahre in Folge krisengeplagt auf bessere Zeiten warten. Was sich zielstrebig da auszuwalzen beginnt, betrifft einen ganzen Berufsstand mit zigtausenden Journalisten. Unter ihnen befinden sich zugleich viele meist gut ausgebildete junge Frauen und Männer, die zurzeit ohne Festanstellungs-Aussichten auf ihre Lebenschancen warten. Und die deshalb allen Grund hätten, verbittert zu registrieren, wie hier und dort, vor allem aber in der Sportberichterstattung des Fernsehens, viel Geld verpulvert wird, um Prominente als Journalisten-Darsteller in Szene zu setzen. Qualitäts-Zeitungen leisten sich diesen doppelbödigen Luxus so gut wie nie. Und selbst wenn sie es könnten, würden sie im Zweifel auf das häufig geistlose Gerede oder den unredigierbaren Promi-Humbug aus guten Gründen verzichten. Max Merkel als Autor in Bild oder Franz Beckenbauer als Kommentator irgendwo auf der Mattscheibe: Terminatoren der deutschen Sprache, allzeit bereit, zum eigenen Wohl und Nutzen drauflos zu schwadronieren. Wen außer einen Kabarettisten amüsiert das eigentlich? Das Fernsehen vor allem begünstigt die schleichende Entwertung professioneller Standards auf eine Weise, die zur Frage provoziert, warum Leute mit einem korrekt ausgestellten Presseausweis nicht aufbegehren, wenn andere kraftvoll dabei sind, ihr Berufsbild zu schleifen. Bei nahezu jedem wichtigen Sportereignis bekommen neben den moderierenden Journalisten weitläufig vermarktete Experten auf eine Weise die Mikrofone ausgehändigt, das selbst Insider die Orientierung verlieren. Sind das nun Kollegen? Am Sportrechte-Händler Günter Netzer als Analyst von Länderspielen der Fußball-Nationalmannschaft lassen sich zurzeit die unscharfen Grenzen am sinnfälligsten demonstrieren. Neben seinem Alter Ego Gerhard Delling agiert er – ohne Zweifel kenntnisreich – gleichrangig wie der Reporter. Aber ihm fehlen zugleich wesentliche Merkmale, die einen Journalisten neben handwerklichen Fähigkeiten auszeichnen sollten: Unabhängigkeit etwa. Zwar ist nicht zu erkennen, dass sich der Kommentator Netzer ungeniert vor den Karren des Rechtehändlers Netzer spannt, doch damit ist das Problem der doppelten Loyalität und Interessenkollision nicht wegdiskutiert. Es galt und gilt, bereits den Anfangsverdacht einer möglichen Befangenheit zu meiden, wie das in anderen sensiblen Berufen selbstverständlich ist: bei der Justiz zum Beispiel. Aufschlussreich und ärgerlich sind auch die Auftritte des multifunktionalen Kaisers, den Sportjournalisten des bayerischen Fernsehens wie Gerd Rubenbauer in ihren Sendungen mit Franz anreden und damit zu erkennen geben, wie sehr in manchen Sparten der Klüngel das Zepter schwingt. Solange Leo Kirch noch ein mediales Imperium dirigierte, bediente der idiomgehärtete Boss des deutschen Fußball-Meisters im Gestus des Journalisten privates Fernsehen. Es bescherte ihm, Manna fällt bekanntlich vom Himmel, in vier Jahren viele Millionen Euro. Würde ihn das ZDF nun mit sattem Salär ins eigene Fußball-Format einbetten, dann leisteten künftig die Mainzelmännchen mit Reporter Franz der Nivellierung journalistischer Arbeit weiteren Vorschub. Die beiden einstigen Fußballer sind schöne Beispiele für die Deformationen eines Berufs, bei dem es offenkundig gar keine Rolle mehr spielt, was einer gelernt hat, bevor er sich ans Mikro wagt.“

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