Ballschrank
Zwei Aufstiegskandidaten treffen aufeinander: Mainz besiegt starke Nürnberger mit 2:1
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| Donnerstag, 25. März 2004Wahrscheinlich wäre auch Mittwoch nachts um elf noch ausverkauft
Thomas Becker (SZ 20.8.) berichtet den Sieg eines ganz heißen Aufstiegskandidaten. „Irgendwas müssen sie eingebaut haben in die Sitzschalen der neuen Haupttribüne, irgendwas, das Feuer unterm Hintern macht. Wie von unsichtbarer Hand gelenkt, springen 3500 Menschen synchron aus den Plastiksitzen, beginnen rhythmisch zu klatschen und sich kollektiv vorzufreuen. Freistoß am Sechzehner? Schwupp, steht die Meute. Die ersten Silben des Fankurven-Klassikers „Steht auf, wenn ihr Mainzer seid“ genügen und – zack, steht die Haupttribüne wie eine Eins. Wohlgemerkt, die vornehme Haupttribüne, gewöhnlich Inbegriff des Fan-Unmuts, die zur La Ola die Arme nicht hoch bekommt und auch ansonsten eher fad ist. Im Mainzer Bruchwegstadion ist das anders. 18400 sahen den glücklichen 2:1-Sieg gegen Nürnberg – am arbeitnehmerfeindlichen Montagabend, trotz der Fernseh-Live-Übertragung. Wahrscheinlich wäre auch Mittwoch nachts um elf noch ausverkauft. Teil der Erlebniswelt Mainz 05 zu sein, ist einfach hip in der Stadt. Und das nicht erst seit dem herzerweichenden Last-Minute-Drama um den verpassten Aufstieg. Der brachte zwar zigtausend Beileidsbezeugungen, viele Sympathiepunkte, ein paar neue Spitznamen („Meister der Schmerzen“, „Die Unaufsteigbaren“), aber weder die schon bereit stehenden Großsponsoren noch die erhofften zwölf Millionen Euro TV-Gelder. So steht der Etat wie im Vorjahr bei vergleichsweise bescheidenen 8,5 Millionen Euro; dafür ist die Euphorie noch mal gewachsen. 6100 Dauerkarten wurden bereits verkauft.“
Das Nürnberger Klima hat sich gewandelt
Tobias Schächter (taz 20.8.) zählt auch den unglücklichen Verlierer zu den Liga-Favoriten. „Einer fehlte: Präsident Michael Adolf Roth erlebte die erste Niederlage seines 1. FC Nürnberg in der zweiten Liga nicht vor Ort. Der weißbärtige Teppichhändler urlaubt am Gardasee und trat letzte Woche die Reise nach Italien mit einem bunten Strauß von Fragezeichen im Gepäck an. Ist trotz der Hitze und der langen Dürre genug Wasser im See? 1,20 Meter nur soll der Gardasee in Strandnähe tief gewesen sein. Zu wenig, um sein großes Boot zu Wasser zu lassen, orakelte der nur knapp 1,60 m kleine Mann, der sich im deutschen Fußball fleißig einen Namen als fröhlicher Trainerentlasser gemacht hat. Ob der Franken-Napoleon nun von der 1:2 Niederlage des Clubs am Montag in Mainz auf dem Gardasee schippernd erfahren hat oder nicht, ändert nichts daran, dass das Club-Schiff in naher Zukunft in unsicheren Gewässern segelt. Und dies, obwohl in Mainz zunächst einmal alle Clubberer stolz waren. Trainer Wolfgang Wolf: Das war die beste Saisonleistung. Doch kaum dass den gebeutelten Fans endlich mal wieder ansehnlicher Fußball geboten wurde, kam am Ende nichts heraus. Immerhin: Die 1.500 mitgereisten Fans der Rot-Schwarzen feierten ihre Mannschaft nach dem Schlusspfiff. Das Klima hat sich gewandelt. Geschuldet ist dies Wolfgang Wolf. Der Pfälzer identifiziert sich mit seiner Aufgabe, den neunmaligen Deutschen Meister wieder in die Beletage des deutschen Fußballs zu hieven. Wolf ist so etwas wie die Fleisch gewordene ehrliche Arbeit. Er ist mit seiner Familie in die Stadt an der Noris gezogen. Das kommt gut an in Franken, zumal Vorgänger Augenthaler sich nie zu diesem Schritt entschließen konnte. Es gibt auch viel zu tun für den 45-Jährigen am Valznerweiher, ist er doch Trainer und Manager in Personalunion.“
Kultur, Kampf und Körpereinsatz
Die FAZ (20.8.). „Gut gespielt, verloren, aus den Aufstiegsrängen gerutscht, aber trotzdem hochzufrieden: Wolfgang Wolf geriet geradezu ins Schwärmen: Über vierzehn Stationen haben wir den Ball gehalten, und die Mainzer hatten keine Chance, ihn zu bekommen. Fürwahr, die 18 400 Zuschauer im Bruchwegstadion brauchten ihr Kommen nicht zu bereuen. Die Nürnberger boten ihnen eine gehörige Prise Fußballkultur und Spielwitz, die Mainzer machten die Tore und entschieden die Partie für sich. Das war brutal schwer, sagte 05-Trainer Jürgen Klopp, der Architekt des nun im dritten Jahr anhaltenden Mainzer Aufschwungs. Aber wir alle haben es ja gewußt, daß hier zwei mehr als ordentliche Mannschaften aufeinandertreffen. Zwei Mannschaften, die am Ende einer noch langen Spielzeit auch den angestrebten Aufstieg erreichen können? Mit Sicherheit. Club-Trainer Wolf hat ein feines Team zusammengestellt, aus dem Ballkünstler wie David Jarolim oder Jacek Krzynowek herausragen. Die spielerische Linie stimmt; in Nürnberg soll Fußball mehr zelebriert als gearbeitet werden. Doch ganz ohne Arbeit, das hat das 1:2 von Mainz gezeigt, geht es denn doch wohl nicht. Aber auch hier sieht der kämpferische Wolf keine Probleme. Meine Mannschaft kann den Ball ganz hervorragend laufen lassen. Und wenn es angesagt ist, können wir auch rustikal spielen. Eine schöne Vorstellung: Kultur, Kampf und Körpereinsatz.“
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