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Champions League

Oliver Fritsch | Freitag, 26. März 2004 Kommentare deaktiviert für Champions League

Chelsea will zu schnell nach ganz oben – „there’s only one Claudio Ranieri“ – Madrids Retter zeigt seine Zahnlücke (SZ) u.a.

Ein Gladiator, der immer weiter kämpft
Raphael Honigstein (taz 26.3.) befasst sich mit der Lage Claudio Ranieris nach dem 1:1 zwischen Chelsea und Arsenal: „Thierry Henry wirbt im englischen Fernsehen als cooler Jazzmusiker verkleidet für ein französisches Auto. Vieles, was er und seine Kollegen am Ball machen, sieht so mühelos aus, dass es dem neutralen, Kampf und Leidenschaft schätzenden Fußballfan auf der Insel schon wieder hochgradig suspekt ist. Die Grenze zwischen spielerischer Leichtigkeit und Überheblichkeit ist manchmal ungenügend markiert. „Arrogant“ findet nicht nur Chelseas Jimmy Floyd Hasselbaink das Team. Doch aus diesem Vorwurf spricht letztlich der pure Neid. Arsenals Kicker sind nicht nur jung und reich, sie haben auf dem Platz darüber hinaus oft auch noch das im Überfluss, was im Alltag allen anderen fehlt: Raum und Zeit. Am Mittwoch, im überall als „größtes Londoner Fußballspiel aller Zeiten“ gehypten Champions-League-Derby, nahmen die wie besessen kämpfenden Blues dem designierten Meister beides über 90 Minuten fast gänzlich weg. In der Vergangenheit brannten in Arsenals schöner Traummaschine in solchen Situationen regelmäßig die Sicherungen durch. Die Kanoniere aber sind dieses Jahr aus einem anderen Metall gegossen – zur Kreativität gesellt sich eine phänomenale mentale Stärke und die Bereitschaft zur Arbeit. Angeführt vom majestätischen Patrick Vieira hielt man kräftig dagegen, heraus kam ein atemberaubend intensives Match ohne viele Chancen. Dass muss kein Widerspruch sein, wenn sich zwei technisch versierte Teams auf höchstem Tempo gegenseitig die Bälle abgrätschen. Obwohl sich in den beiden Strafräumen über weite Strecken nichts tat, tobten so gewaltige Schallwellen durch das Stadion. „Testosteron schwappte über den Platz“, freute sich die Times. Chelsea hat nur noch geringe Chancen, trotzdem durfte sich Trainer Claudio Ranieri, laut eigener Einschätzung „ein Gladiator, der immer weiter kämpft“, als Sieger fühlen. Geschäftsführer Peter Kenyon hatte ihn in den vergangenen Tagen äußerst perfide demontiert, im Stadion wurde er dafür gefeiert: Für Leute, die auf verlorenem Posten die Haltung bewahren, hat man auf der Insel eine große Schwäche. Seine Entlassung ist unabhängig vom Rückspiel längst besiegelt. Wie ein „dead man walking“, ein zu Tode Verurteilter, sei er sich in den vergangenen Wochen vorgekommen, hat Ranieri erzählt. Die Rache wird ihm im Diesseits nicht mehr gelingen, bis zu Saisonende bleibt er ein Untoter. „Wenn Arsenal gewinnen will, müssen Sie uns erst umbringen“, sagte er am Mittwoch. Es hörte sich fast wie eine Bitte an.“

There’s only one Claudio Ranieri

Die NZZ (26.3.) ergänzt: „In Chelsea beginnen Fussballspiele nicht erst mit dem Anpfiff des Schiedsrichters. Das ausgedehnte Warm-up vieler Matchbesucher findet in den lokalen Pubs statt – unter Wettkampfbedingungen quasi. Neben ausreichend Tranksame gibt’s auch viel Psychohygiene: zum Beispiel im „Slug and Lettuce“. Dort wird die Grossleinwand jeweils Stunden vor dem ersten Kick heruntergelassen und den Fans das geboten, was sie später im Stadion an der Stamford Bridge sehen möchten: grosse Momente der Klubgeschichte und jubelnde Spieler in Blau. Im Vorfeld des Champions-League-Schlagers gegen Arsenal schob der Barkeeper am Mittwoch eine ganz spezielle Kassette in den Videorecorder: „Die 100 schönsten Premier-League-Goals des Chelsea FC“. 60 Minuten Tor um Tor, 60 Minuten spektakuläre Schüsse, Direktabnahmen und Dribblings von Gullit, Zola, Wise, Stein, Hasselbaink. Wer das Lokal verliess, fühlte sich wie nach einer Gehirnwäsche und hatte das Gefühl, besser als Chelsea sei niemand – nicht einmal der FC Basel. Kurz vor zehn Uhr abends war dieses Missverständnis korrigiert. Zwar hatte die Mannschaft von Trainer Claudio Ranieri dank einer leidenschaftlichen Leistung den Stadtrivalen Arsenal in Verlegenheit gebracht, doch letztlich reichte auch der Treffer des Isländers Gudjohnsen nicht zum ersehnten Sieg. Im Stile eines echten Champions reagierte Arsenal auf den Rückstand und lenkte die Partie bloss sechs Minuten später nach einer Massflanke Coles und dem Kopfballtor Pires‘ in die erwarteten Bahnen. (…) Die Blues hatten an diesem kalten Märzabend ihre Grenzen aufgedeckt erhalten – wenn auch auf sehr hohem Niveau. Doch wer innert weniger Monate 120 Millionen Pfund für neues Personal springen lässt, für den kann nur das Beste gut genug sein – und das ist Chelsea noch nicht. Während Arsène Wenger mit Arsenal nach siebenjähriger Aufbauarbeit endlich am Portal der europäischen Noblesse steht, fehlt im Südwesten der Stadt – nach ungleich kürzerer Anlaufzeit allerdings – ein entscheidendes Mosaiksteinchen: Es betrifft die Position des Goalgetters. (…) Vor allem für Claudio Ranieri wäre ein Erfolg gegen Arsenal eine grosse persönliche Genugtuung. Der Italiener muss den Klub am Ende dieser Saison verlassen – so oder so. „There’s only one Claudio Ranieri“, hallte es am Mittwoch zu Beginn der zweiten Halbzeit durchs Stadion an der Stamford Bridge. Die Solidaritätsaktion beeindruckte alle im ausverkauften Stadion; nur den wichtigsten Mann nicht. Roman Abramowitsch will die 100 schönsten Chelsea-Tore nicht nur auf Video schauen; er will den ganz grossen Fussball an die Stamford Bridge holen – koste es, was es wolle.“

Ronald Reng (SZ 26.3.) lotet das Madrider Befinden aus: “Das letzte Tor eines kühlen Abends schoss der Gegner, doch der Schütze wurde gefeiert. Es war ja mehr als ein Treffer für AS Monaco – es war eine Hommage an 190 Tote und 1500 Verletzte des Terroranschlags vom 11. März. Schütze Fernando Morientes deutete nach seinem zielgerechten Kopfball in den nächtlichen Himmel, und viele der 65 000 Zuschauer riefen dankbar seinen Namen, obwohl Morientes den Sieg von Real Madrid auf 2:4 verkürzt hatte. „Ich denke, die Leute haben mehr wegen meiner Geste applaudiert als wegen etwas anderem, aber sie mögen mich, und ich mag sie“, sprach der spanische Nationalspieler im Team der Franzosen. Die meisten Fans von Real Madrid wollten ihn nie gehen lassen, und zuletzt merkte auch die sportliche Leitung, dass man Morientes gut gebrauchen könnte. Der vermeintlich bestbesetzten Fußballmannschaft der Welt gingen die Stürmer aus, als sich Ronaldo vor drei Wochen verletzte. Frischling Javier Portillo ist überfordert, Raúl González müde – kein Wunder bei dem Stress, im 26. Lebensjahr hat der Teamkapitän soeben sein 86. Europacupspiel bestritten, Rekord. Selbst Zinedine Zidane läuft schwerfällig übers Feld, und so geriet die Institution in eine Krise. Gegen den FC Bayern kam die matte Zaubertruppe gerade noch über die Runden, das Finale im Königspokal gegen Saragossa indes ging verloren, am Samstag folgte ein 2:4 in Bilbao. Vor dem Besuch aus dem Fürstentum herrschte Alarmstufe rot, und es wurde noch schlimmer, ehe der Retter erschien und seine Zahnlücke zeigte.“

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