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Auslandsfußball

Oliver Fritsch | Dienstag, 30. März 2004 Kommentare deaktiviert für Auslandsfußball

Arsenal und Manchester United spielen 1:1, „Tempo, Technik, Tacklings, Kombinationen, Intensität von der ersten bis zur letzten Sekunde“ (FAZ) – „die Idylle von Chievo ist verflogen“ (NZZ) – „eine Ansammlung Unterprivilegierter sind Italiens Ultras nicht mehr“ (Tsp) – FC Volendam, „het andere Oranje“ (NZZ) – Real Murcia, „Deportivo des Südens“ (NZZ) – „hire and fire“ (NZZ), Austria Wien feuert Joachim Löw u.v.m.

Tempo, Technik, Tacklings, Kombinationen, Intensität von der ersten bis zur letzten Sekunde

Christian Eichler (FAZ 30.3.) berichtet das 1:1 zwischen Arsenal und Manchester United: „Der „Sonntagsschuß“ ist ein wenig aus der Mode gekommen in der Fußballbildsprache. An Thierry Henry kann das nicht liegen. Wenn es einen perfekten Sonntagsschuß gibt, dann hat ihn der derzeit weltbeste Stürmer am Sonntag nachmittag vorgeführt. Henry, rund 25 Meter vom Tor entfernt, traf mit einer perfekten Fußhaltung, das Bein locker aus der Hüfte schwingend. Die Kunststoffkugel wurde so schnell und nahm eine solch scharfe Flugkurve an, daß Roy Carroll, der Torwart von Manchester United, nicht mal den Arm zu Abwehr hochbekam. „Das war kein Schuß, das war eine Rakete“, schwärmte selbst der sonst vorsichtig formulierende Trainer Arsène Wenger. Der Schütze sah gar höhere Mächte im Spiel: „Ich traf ihn leicht nach rechts versetzt mit dem Spann, meist geht so was rüber, aber diesmal muß jemand da oben ihn ins Tor gesteuert haben.“ Flugüberwachung nach Arsenal-Art im Luftraum über Highbury. Wieder ein Traumtor, wieder ein neuer Rekord – 30 Spiele ungeschlagen von Beginn einer Saison, das hat in mehr als hundert Jahren in der höchsten englischen Liga noch keiner geschafft – und doch war Arsenal nicht nach Feiern zumute. „Sie sind platt, enttäuscht“, sagte Wenger über seine Spieler und nahm es positiv: „Und das nach diesem Rekord, das zeigt, wie ehrgeizig dieses Team noch ist.“ Vier Minuten vor dem Ende eines großartigen Fußballspiels, als Arsenals Kräfte vier Tage nach dem Champions-League-Viertelfinale beim FC Chelsea schwanden, kam Manchester zum verdienten 1:1 durch den Franzosen Louis Saha, der eine flache Hereingabe unerreichbar für Torwart Jens Lehmann verwertete. „Wir haben gezeigt, daß wir noch nicht tot sind“, sagte United-Trainer Alex Ferguson und redete vom „wiedergewonnenen Stolz“. (…) Die letzte Partie der beiden großen Rivalen im Oktober 2003 hatte den unguten Beinamen „Schlacht von Old Trafford“ erhalten, weil sie vor bösartigen Auseinandersetzungen fast aus dem Ruder lief – Tiefpunkt einer Historie von Top-Duellen, in denen Aggression, Adrenalin, archaische Behauptungsinstinkte das Spielerische immer öfter verdrängt hatten. Diesmal aber blieb die Fortsetzung aus, im Gegenteil, der Vergleich der beiden besten englischen Teams der 1992 begründeten Premier League wurde eine Art Mustermesse all dessen, was diese Liga so begeisternd macht: Tempo, Technik, Tacklings, Kombinationen, Intensität von der ersten bis zur letzten Sekunde – ein Spiel mit Herzblut, nicht mit bösem Blut.“

Schrotflinten-Hochzeit

Raphael Honigstein (Tsp 30.3.) wundert sich darüber, dass sich die Öffentlichkeit auf Sven-Göran Eriksson konzentriert: „Der Erste gegen den Dritten im immer noch aufregendsten Duell der Saison: FC Arsenal gegen Manchester United. Ein begeisterndes Spiel ohne Geschwindigkeitsbegrenzung, und von brachialer Intensität. Es gibt viel zu erzählen von diesen wunderbaren 90 Minuten in Highbury, doch das alles beherrschende Thema nach der Partie war der unglaubliche Rekord, der an jenem trüben, ungemütlichen Londoner Märztag aufgestellt wurde. Arsenals geschichtsträchtige Serie von 30 ungeschlagenen Spielen hintereinander? Nur eine Randnotiz – die Rede ist natürlich von Sven-Göran Erikssons sagenhaftem, neuen Vertrag, der dem 1:1 zwischen den beiden Topteams des Landes fast gänzlich die Schlagzeilen stahl. Der Schwede bleibt nun doch Trainer der englischen Nationalmannschaft und geht nicht zum FC Chelsea. Am Donnerstag war „Sneaky Sven“ („Mirror“), der verschlagene Schwede, von Fotografen vor der Wohnung von Chelseas Geschäftsführer Peter Kenyon erwischt worden, der englische Verband bat daraufhin am Samstag zum Rapport. Erst als der Verband ihm mit der Entlassung drohte, versprach der auch von Real Madrid umworbene Nationaltrainer seinen Vertrag bis zur Weltmeisterschaft 2006 (mit gegenseitiger Option bis zum Jahr 2008) zu erfüllen; das Boulevardblatt „Sun“ sprach von einer „Schrotflinten-Hochzeit“. Eriksson ließ sich das „Ja“ dann auch fürstlich entlohnen – sein Gehalt wurde um 2 Millionen Euro auf 3,5 Millionen erhöht. Erikssons Kollegen Arsène Wenger und Alex Ferguson mag es komisch vorgekommen sein, dass vor dem Anpfiff alle Objektive an ihnen vorbei und auf den bebrillten Tribünenbesucher Eriksson zielten, doch auch ohne den Nationaltrainer im Stadion hätte dem Aufeinandertreffen der sich gegenseitig spinnefeinden Kontrahenten wohl in diesem Jahr die ganz große Brisanz gefehlt: zu deutlich war Arsenals 12-Punkte-Vorsprung. Selbst Ferguson, sonst immer für eine markige Fehleinschätzung gut, hatte am Freitag, den Klassenunterschied in dieser Saison anerkannt, sich aber danach mit Daten aus der Marktforschung getröstet: „Es ist unmöglich zu sagen, dass Arsenal der größere Verein ist. Man muss nur einmal durch Gibraltar oder Singapur laufen, die Leute reden da nur von United.“ Mag sein, aber in England gibt das filigrane Ensemble der Londoner den Ton an.“

Die Idylle von Chievo ist verflogen

Peter Hartmann (NZZ 30.3.) hätte Chievo Verona den Sieg beim AC Milan gegönnt: „Es war, wie es früher war, vor der Zeit der Milliardenschulden und der Finanzskandale und vor der Diktatur des Fernsehens. Die Serie A spielte am Sonntagnachmittag um 15 Uhr, gleichzeitig, und Italien stand still. Keine Zersplitterung des Kalenders, keine vorgezogenen und keine nachgezogenen Spiele für die TV-Unterhaltung, sondern 90 Minuten Spannung, und in Mailand fatalerweise noch ein bisschen länger: Im Krater von San Siro schien der Schiedsrichter Gianluca Paparesta einfach nicht pfeifen zu wollen, solange Chievo, das verblüht geglaubte Provinzwunder des Calcio, gegen den haushohen Favoriten AC Milan 2:1 führte. Fünf Minuten Nachspielzeit zeigte der vierte Mann von draussen mit der Leuchttafel an. Nach 47 Minuten und 27 Sekunden ging Chievos 38-jähriger Torhüter-Veteran Marchegiani mit einer Muskelzerrung zu Boden. Trainer Del Neri hatte schon drei Mann ausgewechselt, Marchegiani wurde auf dem Rasen aufgepäppelt. Als er, nach anderthalb Minuten, wieder stand, reckte Paparesta seine Hand hoch mit vier gespreizten Fingern: Eine klare Geste – es ging noch vier Minuten weiter in der Verlängerung. Mit 34 Jahren ist der Sekundenzähler Paparesta der jüngste Top-Arbiter Italiens, erblich belastet von einem Schiedsrichter-Vater, diplomierter Sportmanager der Universität Teramo und Ökonom mit einem glänzenden 110er-Abschluss, hauptberuflich leitender Rechnungsrevisor der apulischen Stadt Ostuni am Stiefelabsatz. Nach 96 Minuten und 27 Sekunden flankte Rui Costa den Ball auf Schewtschenkos Kopf, der handicapierte Marchegiani zögerte beim Hinauslaufen – Tor, Ausgleich, Ende. Alles korrekt, aber bitter für für Chievo, „alles unsere Schuld“, gestand Del Neri ein. (…) Aber auch die Idylle von Chievo ist verflogen: Der Veroneser Vorstadtklub des jugendlichen Panettone-Fabrikanten Luca Campedelli, der vor zwei Jahren als Aufsteiger mit einem fünften Platz und respektlosem Angriffsfussball verblüfft hatte, ist mit 18 Millionen Euro Steuerschulden belastet und mit den Löhnen im Rückstand. Campedelli pokerte, wie fünf Präsidentenkollegen, im vergangenen Sommer falsch, als er die TV-Rechte an den Phantasma-Sender Gioco Calcio verkaufte, der die versprochenen 10 Millionen Euro nicht zahlen konnte und inzwischen den Betrieb einstellte. Nun erhält Chievo vom Monopolisten Sky TV für die restlichen Heimspiele noch ein Trinkgeld. Zerstörend wirkte sich auf das Betriebsmodell Chievo jedoch der Zusammenbruch des Spielermarktes aus. Der Mannschafts-Architekt und Tauschhändler Giovanni Sartori entdeckte auf dem Mercato immer wieder schlummernde Talente oder verkannte Routiniers, zuletzt den früheren Nationaltorhüter Marchegiani und den Regisseur Baronio (beide Lazio), und die Grossklubs bedienten sich gerne im Schaufenster Chievos, etwa Lazio mit dem Stürmer Corradi und zuletzt Juventus mit dem Stopper Legrottaglie. Aber als der Lazio-Präsident Sergio Cragnotti im Schuldensumpf versank, drückte er sich um die 18 Millionen Euro für die Transfers der Aussenläufer Manfredini und Eriberto. Der Brasilianer Eriberto bekannte, unter einer verjüngten Identität gespielt zu haben. Er ist jetzt wieder drei Jahre älter, 28, heisst Luciano, sass eine halbjährige Sperre ab und kehrte vor einigen Wochen von einer abgebrochenen Probezeit bei Inter nach Verona zurück. Für Chievo noch ein geplatztes Geschäft. In der Not verband sich Präsident Campedelli sogar mit Arnold Schwarzenegger: Die Chievo- Spieler warben im Herbst auf ihren Trikots wochenlang für des Gouverneurs letzten Film, „Terminator 3“. Und in Mailand hätte es, acht Sekunden fehlten, beinahe für das Übermenschliche gereicht, den Sieg gegen Milans Padre-Padrone Berlusconi.“
Eine Ansammlung Unterprivilegierter sind die Ultras nicht mehr

Paul Kreiner (Tsp 29.3.) erforscht Macht und Identität italienischer Fans: „15 Prozent der Stadionbesucher gehören nach Einschätzung des italienischen Verfassungsschutzes zu den Extremen, 60 000 Fans, organisiert in 300 Gruppen. Ein Drittel von ihnen lässt sich auch politisch einordnen: ganz weit rechts. In den Siebzigerjahren, als sich die Ultras zu organisieren begannen und den Schwarzhandel mit Tickets unter ihre Kontrolle brachten, da galten sie, wenn überhaupt, als links. Doch die Szene hat sich gewandelt. So hat sich der römische Zirkel „Montemario“, benannt nach dem gutbürgerlichen Wohnviertel oberhalb des Olympiastadions, umgetauft in „Giovinezza“ – so hieß die Siegerhymne der Faschisten von Benito Mussolini. Andere Fankreise nennen sich „Viking“, „Tradizione Distinzione“, also etwa „Hochachtung vor der Tradition“, oder „Irriducibili“ – „Unbeugsame“. Zu ihrem Repertoire zählen Spruchbänder gegen „Negermannschaften und Juden-Kurven“, sie schwenken Kelten- und Hakenkreuze und bedienen sich des „römischen Grußes“, wie man in Italien das Hochheben des ausgestreckten rechten Armes nennt. In Interviews legen sie Wert darauf, als „faschistisch“ und nicht als „nazistisch“ eingestuft zu werden. Eine Ansammlung sozial Unterprivilegierter sind die Ultras allerdings nicht mehr. (…) Beim SS Lazio, der zweiten römischen Mannschaft, sind die „Fedelissimi“, die „Allertreuesten“, sogar zu erfolgreichen Unternehmern geworden: Die Ultras haben dem Verein den lukrativen Handel mit Andenken und Devotionalien abgetrotzt – oder besser: den Verein erst gar nicht herangelassen. Ihre Marke „Original Fans“ vertreiben sie über eine Kette von Geschäften. Eine weitere wichtige Rolle für die Mobilisierung der Fans spielen die Privatradios – wohl auch am vergangenen Sonntag, als im Olympiastadion die Falschmeldung kreiste, ein Roma-Fan sei von der Polizei zu Tode gefahren worden. Das Gerücht, nach dessen Ursprung immer noch gefahndet wird, hatte die Hysterie auf den offenbar überfüllten Rängen ausgelöst. In den viel gehörten Privatradios finden die Fans ihr Forum, dort diskutieren und polemisieren sie. Wer sich über die Szene informieren möchte, kommt um die Sender nicht herum. Geleitet werden die täglich zusammen siebenstündigen Foren von Starmoderatoren wie „Marione“ Corsi oder „Diabolik“ Fabrizio Piscitelli – beide haben eine rechtsradikale Vergangenheit. Wie man die extremen Fans in den Griff bekommen soll, dafür hat Italien offenbar kein Rezept.“

Het andere Oranje

Die Neue Zürcher Zeitung erweitert meinen Fokus; dafür lese und liebe ich sie. Bertram Job (NZZ 30.3.) befasst sich mit der holländischen Provinz und schreibt über den FC Volendam: „Europa im Frühjahr 2004: Überall in den höchsten Spielklassen des Profifussballs rühmen sich die Vereine ihrer wieder erstarkten Nachwuchsarbeit, die sie in Form von Schulen, Internaten und ähnlich edlen Projekten institutionalisieren. Gleichzeitig fahren sie unverdrossen fort, vom globalisierten Markt zwischen Rio und Riga fertige Spieler zu kaufen. Die sportlichen Ziele sollen möglichst umgehend erreicht werden. Für Romantik und Regionalismus ist wenig Platz. Im nordniederländischen Ort Volendam aber, unmittelbar am Deich zum IJsselmeer, ist der Anachronismus scheinbar Programm. Da sitzt Henk Kras eine halbe Stunde nach Spielschluss auf seiner Plastic-Hartschale im gerade 6000 Zuschauer fassenden Veronica-Stadion und lässt seinen kleinen Finger über die Aufstellung seiner Mannschaft wandern. Fünf, sechs Spieler darin, rechnet der „Voorzitter“ des FC seinem Besucher vor, kamen heute wieder aus dem 16 000 Einwohner zählenden ehemaligen Küstenstädtchen oder den benachbarten Gemeinden. Das ist eine Quote, auf die in der niederländischen Eredivisie, oder sonstwo in einer europäischen Spitzenliga, kein anderer Verein verweisen kann. (…) „Wir sagen den Trainern hier: Das sind unsere Spieler, andere gibt es nicht“, so Kras. „Nun macht, was immer ihr wollt – aber seht zu, dass ein paar Talente aus unserem Nachwuchs eingebaut werden.“ So führten die fortgesetzten Beschwerden von Coach Henk Wisman über das Spielermaterial in diesem Frühjahr nur dazu, dass dieser durch seinen Assistenten Johan Steur ersetzt wurde. Die Männer um Kras und Jonk halten in erster Linie daran fest, den vor vier, fünf Jahren noch hoch verschuldeten Verein nachhaltig zu sanieren – und so lange Spielergehälter zu zahlen, die etwa ein Fünftel der Bezüge von Ajax- oder Feyenoord-Profis sind. „Katastrophe“ ist ohnehin kein Begriff, den man in Volendam für ein Ereignis im Fussball verwenden würde. Seit in der Neujahrsnacht 2001 im Bistro-Café „Het Hemeltje“ ein verheerender Brand Hunderte vorwiegend junger Gäste schwer verletzte oder tötete, ist wirkliches Unglück etwas ganz Reales. Der Rechtsstreit um Ursache und Verantwortung hält noch an, und unter den Passanten im malerischen Hafenviertel kann man am Wochenende weiter manches vom Feuer gezeichnete Gesicht entdecken. Damals organisierte der FC ein Freundschaftsspiel seiner Profis gegen die 1988er Auswahl der niederländischen Nationalmannschaft, um Geld für die Opfer zu sammeln. Beim Aufstieg im letzten Sommer feierten erstmals wieder Tausende ausgelassen am Deich. Da mögen kritische Stimmen im FC Volendam das beste Beispiel für das allzu auffällige Leistungsgefälle in der obersten niederländischen Fussballklasse sehen, wenn sie von ihrer Strukturkrise sprechen. Für die tapferen Menschen am Wasser ist „Het andere Oranje“, wie der Klub sich nennt, einfach ein Zeichen, dass es im öffentlichen Leben weitergeht – in welcher Liga auch immer.“

Deportivo des Südens

Georg Bucher (NZZ 30.3.) drückt Real Murcia, wohl vergeblich, die Daumen: „Vor neun Monaten glich Murcia einem Tollhaus. Beide Klubs der südspanischen Provinzhauptstadt hatten den Aufstieg geschafft, Real in die erste und Ciudad in die zweite Division. Mittlerweile ist man wieder auf dem Boden der Realität gelandet und stellt sich für die nächste Saison auf Derbys ein. Ciudad hat gute Aussichten, die Klasse zu halten, während Real das kurze Gastspiel im Oberhaus schon abgehakt haben dürfte. Am Sonntag verzeichneten die „Rotweissen“ gegen Mallorca (2:0) zwar den dritten Saisonsieg, von einem rettenden Platz trennen sie aber noch zwölf Punkte. Nach 14 Spielen ohne Erfolgserlebnis war Joaquin Peiro von John Toshack abgelöst worden. Früher in Madrid, La Coruña und San Sebastián engagiert, findet der Waliser Toshack in Murcia gute Bedingungen für seine Lieblingsbeschäftigung Golf vor. Den Glauben an die Mannschaft hatte er allerdings schnell verloren, legt man die lockeren, ironisch bis sarkastisch anmutenden Sprüche zugrunde. Sein Bonmot, eher fliege ein Schwein über das Bernabeu, als dass er sich korrigiere, gehört zu den stärksten verbalen Stücken in der spanischen Fussballhistorie und provozierte seinerzeit die Entlassung im „königlichen“ Klub. Mit derart scharfem Geschütz wartet Toshack nicht mehr auf. Dafür versteht er es, Anhänger und Medien zu erheitern. Ein Beispiel: „Wenn wir weiterhin solche Fehler machen, spielt es keine Rolle, ob wir im Condomina-Stadion oder in einer Stierkampfarena trainieren.“ (…) Präsident Jesus Samper scheint sich geirrt zu haben. Er träumte von einem „Deportivo des Südens“, von einer Erfolgsgeschichte wie in La Coruña, die im Aufstiegsjahr 1991 angefangen, zunächst in den Uefa- Cup und nach dem Titelgewinn 1999/2000 in die Champions League gemündet hatte, wo Deportivo zu einer festen Grösse geworden ist. Ein neues Stadion sollte den Aufschwung in Murcia anschieben. Das „Nueva Condomina“ steht zwar auf dem Reissbrett, und die Finanzierung ist gesichert. Um wieder nach oben zu kommen, wird der Präsident aber tief in die Tasche greifen, vor allem zueinander passende Spieler verpflichten müssen.“

Michael Smejkal (SZ 29.3.) teilt den Rauswurf Joachim Löws bei Austria Wien mit: „Eigentlich darf sich Joachim Löw sogar als kleiner Sieger fühlen, auch wenn die letzte Woche gar nicht gut gelaufen ist für ihn. Es kam, wie es scheinbar unausweichlich kommen muss bei seinem alten Arbeitgeber Austria Wien: Verpflichtung, Vorstellung, peinliche Niederlage und Ende der Vorstellung im alt-bewährten Neun-Monats-Rhythmus. Löw aber hat dies durchbrochen, der Deutsche hielt sich unglaubliche zehn Monate auf der Bank der Wiener Violetten, länger als seine sieben letzten direkten Vorgänger, die allesamt nur zwischen 27 Tagen und acht Monaten den Job behalten hatten. Selbst sein direkter Vorgänger Christoph Daum war nur acht Monate im Wiener Arbeiterbezirk Favoriten tätig, ehe er das Handtuch warf. Und so rückten Österreichs Tageszeitungen am Donnerstag wieder einmal einen Stehkasten ins Blatt, der Kurioses und Rekordverdächtiges zugleich vermeldet: 19. Trainerentlassung in den letzten 14 Jahren, in Wien glauben sie, dies sei Weltrekord für einen Erstligisten. Gestolpert ist Löw schon im Vorjahr, als der Anlauf Richtung Champions League in Marseille beendet war und das Unternehmen Uefa-Cup mit zwei peinlichen Vorstellungen gegen Borussia Dortmund zu Ende gebracht wurde. Alles Weitere war nur taktisches Geplänkel bei einem Klub, der sich im erlauchten Kreis der Champions League wähnt, im Alltag aber vom Durchschnitt der österreichischen Liga nicht absetzen kann. Konkret war es ein 0:2 beim Tabellenletzten FC Kärnten, das den Ausschlag gab. Danach musste man nur noch abwarten, bis der allmächtige Klub-Eigner Frank Stronach aus Kanada zurückgekehrt war, um Klartext zu reden: „Er hat eh ein Jahr Zeit gehabt, aber er hat uns nicht weitergebracht.“ Nun probiert man es in Wien mit dem 20. Coach seit 1990, und weil es eben keinen passenden Coach zu geben scheint, zimmert man sich eben den Posten selbst zurecht. Künftig wird der Sportdirektor (Günther Kronsteiner) die Austria führen, mit einem Übungsleiter, der weisungsgebunden ist – in Aufstellung und Taktik. Diese Rolle hat man auch Löw angeboten, doch der nahm lieber Hut und Abfindung. Die Premiere unter Kronsteiner klappte mit dem 5:1 gegen Sturm Graz vor den Augen von Stronach recht gut, doch wie immer, wenn Milliardär Stronach in Wien weilt, wird nicht nur der Trainer gewechselt sondern gleich der ganze alpenländische Fußball reformiert – immerhin ist Stronach nicht nur Eigner der Austria, sondern auch noch Chef der österreichischen Bundesliga.“

Hire and fire

Werner Pietsch (NZZ 30.3.) ergänzt: „Stronach hier, Stronach da. Der fussballbegeisterte Industrielle Frank Stronach versteht es glänzend, sich mit spektakulären Themen laufend in den Medien zu präsentieren. Zuerst droht er mit dem Rücktritt als Bundesliga-Präsident, dann feuert er Joachim Löw, schliesslich kauft er einen Klub für österreichische Nachwuchsspieler. Aber der Reihe nach. Nach der 0:2-Niederlage vor Wochenfrist gegen den Tabellenletzten FC Kärnten waren die Tage von Löw als Coach im FK Austria Wien gezählt. Die diffuse öffentliche Kritik von Sportdirektor Günter Kronsteiner war nur das nach aussen getragene Grollen von Stronach und gipfelte in der Beurlaubung des Trainers. Stronach hatte verlangt, dass Kronsteiner in Zukunft stärker in wesentliche Fragen wie Taktik und Aufstellung des Teams eingebunden werden müsse. Löw weigerte sich, die Degradierung vom Trainer zum Übungsleiter [of: In der Fußball-Berichterstattung werden die zwei Begriffe, „Trainer“ und „Übungsleiter“, oft synonym verwendet – falsch und sprachlich grob. Als ob der mächtige Felix Magath ein Übungsleiter wäre.] zu akzeptieren, und wurde vom Präsidenten bei vollen Bezügen beurlaubt. Ein hinlänglich bekanntes Ritual im Wiener Traditionsklub, der in den vergangenen 14 Jahren nicht weniger als 20 Ausbildner verbrauchte. Unter Stronach erhöhte sich die Kadenz des „hire and fire“ noch deutlich.“

Europas Fußball vom Wochenende: Ergebnisse – Torschützen – Tabellen NZZ

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