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Fußball am Samstag

Oliver Fritsch | Samstag, 3. April 2004 Kommentare deaktiviert für Fußball am Samstag

ist die Debatte um die Berner Helden weitere Recherche und Kommentierung wert? Erik Eggers (FR) meint „ja“ – was soll man auf die Aussagen Franz Beckenbauers, etwa seine Rückendeckung für Hitzfeld, geben? Elisabeth Schlammerl (FAZ) meint „nichts“ – Deutschlands große Zeitungen prophezeien die Entlassung Jürgen Röbers in Wolfsburg; „die VfL Wolfsburg Fußball GmbH ist kein normaler Fußballklub“ (SZ) u.a.

Erik Eggers (FR 3.4.) resümiert die Debatte um den Mythos von Bern – und treibt sie voran: „Ist der Mythos 1954 zu stark? Der Berichterstattung nach sieht es so aus, hatten die Recherchen der letzten Tage doch nur wenig Weltmeisterliches an sich. Die FAZ etwa reagierte erst am Freitag in einem Kommentar, der „Zeitung für Deutschland“ zufolge ist die Sache eine reine Mediengeschichte: „Was dieser ziemlich schattenhafte Report damit suggerieren will, ist vollkommen klar: Das Wunder von Bern ist ungültig – Herbergers Jungs waren gedopt!“ Ähnlich reagierten die Agenturen, allen voran der Sportinformationsdienst aus Neuss, der eine Reihe von Experten präsentierte, die eine Dopingpraxis bei der WM 1954 kategorisch ausschlossen. Allein die SZ befand, dass die Frage „genauer behandelt“ gehöre, wegen der Gelbsuchtepidemie und der Mentalität, die hinter der Spritzerei stecke. Was das angeht, könnte ein Artikel im Spiegel weiterhelfen, der am 19. Mai 1954 unter dem provokanten Titel „Sauerstoff-Stürmer“ erschien. Den Leser empfängt ein seltsames Foto: Um eine große „Oxygen-Flasche“ herum gruppiert liegen – die Beine schräg nach oben – eine Reihe von Fußballspielern, die durch Schläuche hindurch reinen Sauerstoff inhalieren. Der Text verhandelt den künstlich zugeführten „Kampfgeist aus der Flasche“, der von Schweizer Fußball-Nationalmannschaft bei der WM-Generalprobe im April 1954 in Basel gegen die Herberger-Elf ausprobiert worden war. „Unsere Spieler haben in der Halbzeit eine Sauerstoffpumpe erhalten“, bestätigte deren Trainer Carl Rappan und liefert damit, so der Spiegel, „den verwirrten deutschen Fans eine maßgerechte Patentlösung für das Rätsel von Basel: Nicht mangelhafte Kondition der Deutschen, sondern die durchdachte Anwendung neuzeitlicher Alchimie beim Gegner war an dem verqueren Spielverlauf schuld.“ Die Deutschen hatten klar 4:0 geführt und am Ende noch glücklich 5:3 gewonnen. Dieser Text diskutiert seriös, ob die Sauerstoff-Aufnahme als „Doping“ zu betrachten sei. Und er weist darauf hin, dass Fachorgane wie die L‘Equipe diese Form der Leistungssteigerung angepriesen hatten. Der DFB habe diese Praxis im Jahr 1952 zwar als „unsportlich“ erachtet. Nun jedoch, nur wenige Wochen vor dem im Juni beginnenden WM-Turnier, habe der DFB offenbar seine Meinung revidiert, Trainer Herberger jedenfalls habe sich bei einem Insider über diese Form der Leistungssteigerung informiert. „Wenn wir in die Schweiz fahren und die anderen werden mit Sauerstoff aufgepumpt“, sagte DFB-Pressesprecher Carl Koppehel, „weiß ich nicht, ob wir es nicht ebenso machen sollen“. Benutzt hat diese Zeitdokument bisher indes keine deutsche Sportredaktion, obwohl der Spiegel es am Mittwoch – parallel zum Bild-Titel – als Teil eines Dossiers über 1954 online stellte. Das Nachrichten-Magazin aus Hamburg hält das Thema offenbar für nicht beerdigt.

Keiner fliegt so schön wie Amoroso

„Am Sonntag werden über 80 000 Betriebswirtschaftsstudenten wider Willen auf den Rängen wieder einem Spiel zuschauen“, schreibt Freddie Röckenhaus (SZ 3.4.) über das Befinden der Dortmunder Anhänger: „Gemeinsame Feinde stärken seit jeher die Freundschaft. Und so freut man sich dieser Tage an Dortmunds Rheinlanddamm, in der Konzernzentrale der Borussia, nicht nur an den Frühlingsknospen vor den Fenstern, sondern auch daran, wie freundlich die Anhängerschaft den Rauswurf oder Abgang, auf jeden Fall die spektakuläre Vertragsauflösung mit dem einstigen Liebling Marcio Amoroso aufgenommen hat. „Keiner fliegt so schön wie Amoroso“ triumphierte eines der beiden konkurrierenden Internet-Fanmagazine ganz im Einklang mit der Chefetage des BVB, die ansonsten in den verschiedenen Internet-Foren für ihre Verschuldungs-Politik immer heftiger niedergemacht wird. Im Gegenzug buhlen die Borussen-Bosse Gerd Niebaum und Michael Meier um die Zuneigung der BVB-Fans wie noch nie. Vor dem Lokalderby am Sonntag, gegen den nur zwölf Kilometer entfernten Nachbarn VfL Bochum, ist die Gesichtspflege auch nötig. Denn den meisten BVB-Fans stößt der Erfolg des jahrelang belächelten kleinen VfL besonders bitter auf, weil dort, direkt vor der eigenen Haustür, mit einem Jahresetat gewirtschaftet wird, der kleiner ist als die Ablösesumme, die der abgehobene BVB für einen einzigen Amoroso verpulvert hat. Sollte Dortmunds für die Champions-League eingekaufte Zuckertruppe gegen Bochums Low-Budget-Team keine drei Punkte im Westfalenstadion behalten, dürfte der Unmut hochgehen – mit den Stars, mit Trainer Matthias Sammer und mit dem Vorstand, den die Hälfte der Anhänger offenbar lieber heute als morgen aus dem Amt jagen würde. Wenn es denn ginge – und wenn eine personelle Alternative bereit stünde. „Es gibt wichtige Oppositionelle“, beschreibt ein BVB-Intimus die Lage, „aber noch keine Opposition. Man wartet ab. Es kann nicht mehr lange dauern, bis den Teller-Jongleuren Niebaum und Meier die ersten rotierenden Teller vom Stöckchen fallen.“ Offenbar warten die Widersacher des amtierenden Borussen-Managements vor allem auf zwei Ereignisse: Die Entscheidung der DFL, ob und unter welchen Auflagen oder gar Bedingungen dem massiv verschuldeten BVB eine Lizenz für die kommende Saison erteilt wird. Und was die Finanziers und Aktionäre des Klubs im Falle eines Lizenzentzugs oder Beinahe-Entzugs tun würden. Dass die Borussia die Lizenz ohne Auflagen erhalten könnte, halten Kenner der Lizenzierungs-Methoden der DFL für unwahrscheinlich. Der aktuelle Stand der Verbindlichkeiten soll bei rund 140 Millionen Euro angekommen sein.“

Elisabeth Schlammerl (FAZ 3.4.) misstraut Beckenbauers Rückendeckung für Ottmar Hitzfeld: „Beckenbauer widersprach sich schon einen Tag später wieder und leistete einen beachtlichen Anteil an neuen Spekulationen. „Irgendwas muß passieren, die Verfassung der Mannschaft stimmt nicht“, sagte er in einem Interview mit dem „kicker“. Beckenbauer hat damit wohl nicht nur die psychische Verfassung gemeint, sondern wohl in erster Linie die körperliche. Schon seit längerem übt Beckenbauer Kritik am Trainingsprogramm von Hitzfeld. Es sei zu lasch, so sein Vorwurf. Die Rollen beim FC Bayern sind klar verteilt. Manager Uli Hoeneß möchte Hitzfeld gerne behalten, wenigstens bis zum Ende des laufenden Vertrages 2005. Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge ist sich noch nicht so sicher, allerdings zieht er sich zum Grübeln nicht ins stille Kämmerlein bzw. in sein großzügiges Büro an der Säbener Straße zurück, sondern teilt der Öffentlichkeit den Stand der Entscheidungsfindung mit. Dies zeigt auch, wie groß die Distanz zwischen ihm und Hitzfeld in den vergangenen Monaten geworden ist. Beckenbauer ist schon weiter als Rummenigge, für ihn stet längst fest, daß die Mannschaft nur ein neuer Trainer noch weiterbringen könne. Er wirkt zwar nicht mehr im operativen Geschäft, hat deshalb keinen unmittelbaren Einfluß mehr, aber sein Wort hat beim FC Bayern immer noch Gewicht. Vor allem, wenn sich seine Meinung in vielen Punkten mit der von Rummenigge deckt. Die Ära Hitzfeld beim FC Bayern neigt sich ihrem Ende entgegen. Die Frage ist nur noch, ob schon nach dieser Saison oder erst 2005. (…) Die Spekulationen dürften Hitzfeld die Arbeit mit der Mannschaft nicht gerade erleichtern. Die meisten Spieler stehen zwar hinter Hitzfeld, vor allem Kapitän Oliver Kahn hat sich wiederholt für ihn stark gemacht, aber es gibt Beispiele genug, die zeigen, daß die Autorität des Trainers schwindet, wenn der Rückhalt der Vereinsoberen nachläßt.“

Deutschlands neue Rätselhauptstadt

Jan Christian Müller (FR 3.4.) beschreibt die Sorgen des VfL Wolfsburg und seines Trainers: „Es lohnt sich, zwischen den Bahnhöfen Braunschweig und Berlin auf Höhe Wolfsburg zum richtigen Zeitpunkt links aus dem ICE zu schauen. Der schnelle Zug hält nur manchmal an. Meistens fährt er ungebremst weiter durch die Stadt, dessen führender Fußballclub nach jüngsten Erhebungen die wenigsten Fans der Liga für sich begeistern kann. Links der Gleise liegt sie, die imposante VW-Arena. Das Symbol der Zukunft für den VfL. Doch ist diese Zukunft schon vorbei, ehe sie begonnen hat? Die DFL hat den Bundesliga-Aufsteiger von 1997 nach einer ersten Auswertung der Lizenzunterlagen und einem flüchtigen Blick auf die Bundesliga-Tabelle freundlich, aber bestimmt aufgefordert, auch einen Aktenordner für den Abstiegsfall abzuliefern. Das ist unangenehm und im Master-Plan, der die VfL Wolfsburg Fußball-GmbH in dieser Saison auf einen Uefa-Cup-Platz bringen sollte, nicht vorgesehen. Die Wolfsburger investierten im Sommer gegen den Branchentrend weit über zwölf Millionen Euro in Fußballerbeine, was allerdings folgenlos für die Platzierung in der Bundesliga-Tabelle blieb. Im Gegenteil: Der Trend zeigt abwärts, und zwar durchaus bedrohlich. Stolz können sie in „Deutschlands neuer Rätselhauptstadt“ (Wolfsburger Allgemeine Zeitung) derzeit nur aufs schöne Stadion und das frisch aufgelegte Rätselheft aus Wolfsburger Produktion mit dem einprägsamen Titel „Knack mich“ sein. Die Realität in Fußball-GmbH und Auto-Konzern ist dagegen vergleichsweise trostlos. Der Absatz des neuen Golfs kommt nur behäbig in Gang, die Fußballprofis seit der Winterpause überhaupt nicht mehr. So kommt es, dass sich der erst zu Saisonbeginn (entgegen dem ausdrücklichen Wunsch des Managers Peter Pander) verpflichtete Trainer Jürgen Röber vor dem heutigen Spiel gegen den VfB Stuttgart einer unangenehmen Situation ausgesetzt sieht. Der 50-Jährige, ein in seiner Umtriebigkeit kaum zu bremsender Mann mit mitunter übertriebenem Eifer, darf sich eine Niederlage jedenfalls nicht leisten, womöglich noch nicht einmal ein Unentschieden.“

Die VfL Wolfsburg Fußball GmbH ist kein normaler Fußballklub

Jörg Marwedel (SZ 3.4.) fügt hinzu: „Es ist wieder viel los in Wolfsburg an diesem Samstag: Erwartet wird in der Volkswagen-Arena die Rallye-Fahrerin Jutta Kleinschmidt; überdies verbringen 67 VW-Händler einen Teil ihres „Exklusiv-Wochenendes“ beim Bundesliga-Spiel des VfL gegen Stuttgart. Eingeladen wird auch zum „Kopfball-Contest“, bei dem geschickte Fans im Rahmen der jüngsten Imagekampagne des VfL diverse Preise gewinnen können. Zu berichten ist schließlich von der Versteigerung zweier Trainerstühle, die via Internet 893 Euro zu Gunsten der Krzysztof-Nowak-Stiftung einbrachte. Die Sache mit den Trainerstühlen entbehrt freilich nicht der Doppeldeutigkeit. Auf einem der Exponate saß bis vor kurzem noch Jürgen Röber, 50, der amtierende Coach des VfL. Und ob ihm nun auch das verbliebene Sitzmöbel unter dem Allerwertesten weggezogen wird, darüber werden, wie es aussieht, die 90 Minuten gegen Stuttgart entscheiden. Fest steht schon jetzt: Die Trainerfrage ist in Wolfsburg zum Politikum geworden, das die Grenzen einer normalen Personalie sprengt. Wäre der VfL Wolfsburg ein normaler Fußballklub und keine 90-prozentige Tochter der Volkswagen AG, die Angelegenheit wäre wohl längst nach den Gepflogenheiten der Liga geregelt worden – mit dem Hinauswurf des Trainers, der den VfL mit sieben Niederlagen in neun Rückrundenspielen in die Nähe der Abstiegszone statt in die angepeilten Uefa-Cup-Ränge geführt hat und zudem nicht gerade mit Manager Peter Pander harmoniert. Doch die VfL Wolfsburg Fußball GmbH ist kein normaler Fußballklub, und deshalb spielten noch ganz andere Kriterien eine Rolle, als sich der mit etlichen Werksvertretern besetzte Aufsichtsrat in dieser Woche im VW-Gästehaus Rothehof traf, um über Röbers Zukunft in Wolfsburg zu beraten. Heraus kam dabei Röbers wohl letzte Chance. Zu verdanken hat er dies weniger der Gnade seiner internen Richter, von denen einige sich im vergangenen Jahr noch vehement dafür einsetzten, dass er einen Vertrag bis 2006 bekam. Vielmehr treibt sie die Sorge um, das soziale Ansehen des Autokonzerns könne Schaden nehmen, wenn angesichts des aktuellen Geschäftsgangs, der zu drastischen Sparmaßnahmen zwingt, beim Ableger eine Führungskraft mit Millionenabfindung vor die Tür gesetzt wird. „In so einer Lage mit Geld um sich zu schmeißen“, sagte VfL-Geschäftsführer Klaus Fuchs, „passt nicht ins Bild, das VW abgeben will.““

Frank Heike (FAZ 3.4.) ergänzt: „Die Wolfsburger Defensive ist nicht erstligatauglich, aber da Spieler nun einmal nicht entlassen werden (und machen sie noch so viel falsch), muß der Trainer den Kopf hinhalten. Röber hat das in dieser Woche professionell und erstaunlich ruhig getan. Er hat sogar Befriedungssignale in Richtung Peter Pander geschickt – das Verhältnis zwischen Trainer und Manager ist kaum mehr als geschäftsmäßig. „Ich gebe mir Mühe, daß es besser wird, weil ich nur in Harmonie arbeiten kann“, sagt Röber. Er versucht sich in der Krise zurechtzufinden und verspürt doch den großen Druck des Gewinnenmüssens: Bei einer Niederlage gegen den VfB Stuttgart wird er seinen Job in Wolfsburg mit großer Wahrscheinlichkeit verlieren. Der VfL war mit ehrgeizigen Zielen und teuer verstärkt in die Saison gestartet. Nun steht er wegen einer ganz schwachen Rückrunde nur noch fünf Punkte von einem Abstiegsrang entfernt.“

Moritz Küpper (FR 3.4.) schildert die Strategie Wolfgang Overaths in Köln: „Berater des Präsidium nennt sich Overath jetzt, 2005 soll er Caspers als Präsident beerben. Doch die Macht im Geißbockheim hat der Weltmeister von 1974 jetzt schon. Vergangene Woche saß er bei der wöchentlichen Pressekonferenz, bei der sonst nur Trainer Koller und Manager Andreas Rettig sitzen. Viel Substantielles gab es nicht, stattdessen war es eine Vorführung der neuen Machtverhältnisse. Overath thronte zwischen den Protagonisten des alltäglichen Geschehens und gab den Takt vor. Ähnlich wie bei Bayern München schwebt ihm ein Konzept vor, in dem ehemaligen FC-Größen aus sportlich besseren Zeiten den Verein wieder auf Vordermann bringen. Aber nicht nur auf diesem Gebiet orientiert sich Overath am Rekordmeister. Er intensiviert die Zusammenarbeit mit den Münchnern auf dem Gebiet der Nachwuchsförderung. Junge Bayern-Talente sollen in Köln Spielpraxis bekommen.“

Christian Eichler (FAZ 3.4.) fragt: „Textile Psychologie? Modischer Aberglaube? Egal, solange es hilft. In manchen Sachen fühlt man sich einfach stärker, selbstbewußter; dazu gehört vielleicht auch die Erinnerung, die mit ihrem Design verbunden ist. Ist sie negativ, zieht man sich besser um. Brasilien zum Beispiel verlor 1950 in Rio den sicher geglaubten WM-Titel gegen Uruguay. Als eine der Ursachen wurde das Trikot ausgemacht: weiß mit blauem Kragen und damit zu „unpatriotisch“. So wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, ein neues Nationaltrikot zu finden: mit allen Farben der brasilianischen Flagge, Gelb, Grün, Blau, Weiß. Unter 300 Vorschlägen gewann der Entwurf des neunzehnjährigen Aldyr Garcia Schlee: gelbes Hemd mit grünem Kragen und grünen Manschetten, blaue Hose mit weißem Streifen, weiße Strümpfe. Es wurde einer der größten Modehits der Welt. Zum ersten Mal spielte Brasilien vor fünfzig Jahren, im Frühjahr 1954, in dieser Kombination. Doch bei der folgenden WM brachte sie noch kein Glück, man scheiterte an Ungarn. Vier Jahre später, beim ersten WM-Sieg, mußte man andersfarbig spielen, weil Finalgegner Schweden Gelb trug. 1962 endlich der erste WM-Erfolg in Gelb, aber eigentlich erst 1970: Denn diese WM war die erste im Zeitalter des Farbfernsehens; die erste, die der Welt farbigen Fußball bot. Das schwarz-weiße Outfit der „Helden von Bern“ konnte schon 1954, schon im Schwarzweiß-Zeitalter, eine textile Kontinuität begründen, eine Aura weltmeisterlicher Autorität, die noch heute jeden Novizen beim Schlüpfen ins Nationaltrikot anweht. Die Farbe des brasilianischen Fußballs, das wunderbare Sonnengelb von „Brazil“, das zu verbreiten sich Nike 1996 mehr als 100 Millionen Dollar kosten ließ, führt dagegen für immer auf jene WM-Wundermannschaft um Pelé von 1970 zurück – damals, als der schöne Fußball gelb wurde. Seitdem kleidet dieses Trikot ein Lebensgefühl: Man schlüpft hinein und fühlt „Brazil“. Fünfzig Jahre nachdem es auf die Welt kam, soll es Männer in ähnlichem Alter geben, die sich zum Geburtstag keinen dezenten Seidenschlips wünschen, sondern ein knallgelbes Kunstfaserleibchen. Und es dann tagelang nicht mehr ausziehen.“

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