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Oliver Fritsch | Dienstag, 6. April 2004 Kommentare deaktiviert für Sonstiges

in seiner Autobiografie entsorgt Marcel Reif, der „sportfanatische Germanist“ (taz), Sprachmüll der Fußball-Berichterstattung – Jahn Regensburg schlägt den 1. FC Nürnberg und erfüllt sich einen Traum u.v.m.

Der sportfanatische Germanist

Jan Freitag (taz 6.4.) liest mit Begeisterung die Autobiografie Marcel Reifs: „Ein Sportreporter ist ein Sportreporter. Er moderiert, redet viel, kritisiert gern, manchmal lobt er, ganz selten kriegt er Fernsehpreise, fast nie Aufmerksamkeit über sein Metier hinaus. Nur der Boulevard bläst ab und an Privates über die Menschen hinterm Mikro in die Hirne. Dann ist der Sportreporter immerhin Promi. Aber sonst? Sportreporter gelten als Fachidioten, häufig auf ein Spiel spezialisiert, und wenn sie wie JBK oder Beckmann die Seite wechseln, wird es entsprechend seicht im Studio. Single-Issue-Experten hieße das freundlicher im Neusprech – dem Genre verhaftet, unflexibel, freizeitfixiert, nicht ernsthaft journalistisch. So weit die Regel. Plötzlich aber kommt jemand, schreibt über sein Werden, Wirken, Sein, und es wird weltmännisch. Marcel Reif heißt dieser jemand und gibt in seiner Biografie „Aus spitzem Winkel. Fußballreporter aus Leidenschaft“ Einblicke in ein Leben rund ums Leder, das längst aus Plaste ist. Doch wenn es das allein wäre: eine Biografie mehr, ein Bohlen auf dem Rasen, ein Effenberg an dessen Rand, eine sexfreie Naddel. Nein, wenn Marcel Reif schreibt, erlebt man Fußball wie eine Art Lebensbeichte ohne Schlüpfrigkeiten, eine Zeitreise ohne Ziel, als unpathetische Liebeserklärung. Wenn nämlich der schlagfertigste deutsche Kommentator („die Spieler von Ghana erkennen Sie an den gelben Stutzen“) befindet, „Niederlagen, die einen kalt lassen, sind schlimm. Siege die einen kalt lassen, sind noch schlimmer“, spricht er allen Fans mit Worten aus dem Herzen, die einem nur nie einfallen. Wenn er „ergebnisorientierten Fußball“ zynisch nennt und Reporterphrasen à la „Mittelfeld überbrücken“ oder „Direktabnahme“ als Sprachmüll entlarvt, spricht daraus der liebende Kenner, der sportfanatische Germanist.“
Besprochenes Buch:
Marcel Reif, mit Christoph Biermann: „Aus spitzem Winkel. Fußballreporter aus Leidenschaft“. Kiepenheuer & Witsch, 256 Seiten, 18,90 Euro.

Rudolf Neumaier (SZ 5.4.) gratuliert Jahn Regensburg zum Sieg über den 1. FC Nürnberg: „Eine originelle Gefühlswallung hat den ehrenamtlichen Schatzmeister des SSV Jahn Regensburg in der Nachspielzeit erfasst. Sein Überschwang paarte sich mit Kampfeswut, als auf dem Platz ein Scharmützel zwischen Spielern entbrannte: Der korpulente Pralinenfabrikant, klein von Wuchs, doch wild entschlossen, steuerte auf den Ort des Geschehens zu, als wolle er den Nürnberger Fußballern mit Gewalt beibringen, dass sie sich gefälligst zu beugen hätten – und hätten ihn nicht Kollegen aus dem Präsidium aufgehalten, wer weiß, was passiert wäre. Die Szene spielte sich am Rande ab, doch sie ist Sinnbild des unbändigen Eifers, mit dem der Sport- und Schwimmverein Jahn Regensburg seinen Minderwertigkeitskomplex als Emporkömmling aus der Provinz zu überwinden trachtet. Mit nämlichem Eifer bezwang er den 1. FC Nürnberg 2:1. Zwischen Nürnberger und Regensburger Fußballanhängern herrscht also eine gewisse Rivalität, die Eingriffsversuche des Schatzmeisters waren nur der Anfang, nach dem Spiel gab es dann tatsächlich Gewalttätigkeiten. FCN-Fans, vermutlich von der Niederlage gereizt, griffen Polizeieinheiten an, und attackierten später sogar noch Autofahrer auf Autobahnraststätten. Die Bilanz: Vier verletzte Polizisten und 21 Festnahmen. Der 1. FC Nürnberg, dessen Fans sonst nicht für harte Randale bekannt sind, wirkte irritiert und suchte nach Erklärungen. Man distanzierte sich, fand aber irgendwie doch einen Grund, das eigene Lager in Schutz zu nehmen. „Es scheint auch, dass die Ordnungskräfte überfordert waren. Einige Stehplatzblöcke waren sehr voll, einige Zugänge absolut verstopft“, erklärte Pressesprecher Martin Haltermann. Die Regensburger sprachen trotz allem von einem historischen Abend – aus rein sportlicher Sicht.“

Eine Welt des Fußballs mit lauter geläuteten Gutmenschen würde furchtbar langweilig sein

Katrin Weber-Klüver (FTD 5.4.) erweitert die Rubrik „der Schiedsrichter und ich“: „Fans des spanischen Erstligisten FC Valencia haben sich zur Erziehung eines Schiedsrichters etwas ausgedacht: Sie bringen ihn vor Gericht. Der Referee hatte bei einem Spiel Valencias in Madrid den Gastgebern in der Nachspielzeit einen umstrittenen Foulelfmeter zugestanden, durch den Real noch zum Ausgleich kam. 120 Valencianer machen deshalb nun seelischen Schaden geltend und fordern, der Mann mit der Pfeife solle eine symbolische Spende von einem Euro leisten sowie öffentlich seinen Irrtum eingestehen. Das ist doch mal ein wegweisender Vorschlag. Künftig sollten sich alle am Fußball Beteiligten selbst zu besseren Menschen erziehen, indem sie wöchentlich öffentlich um Entschuldigung für ihre Verfehlungen bitten: Spieler, die schlecht spielten, Schiedsrichter, die sich verguckten, Trainer, die falsch einwechselten, Kommentatoren, die die Aufstellung falsch verstanden, Fans, die vorschnell Spieler entlassen wollten. Einziger Nachteil: Eine Welt des Fußballs mit lauter geläuteten Gutmenschen würde furchtbar langweilig sein.“

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