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Auslandsfußball

Oliver Fritsch | Dienstag, 13. April 2004 Kommentare deaktiviert für Auslandsfußball

verspielt Real Madrid auch die dritte Titel-Chance? – „Italien träumt vom Fussball-Prinzen“ (NZZ) – FC Porto zwischen Bescheidenheit und Euphorie – „Paternalismus“ belastet kroatischen Ligafußball u.v.m.

Eine Saison, die als die glorreichste der Klubgeschichte vorgesehen war, droht zur Blamage zu werden

Ralf Itzel (BLZ 13.4.) kommentiert die Heimniederlage Real Madrids: “Kurz vor Schluss bekam Real Madrid noch einen Freistoß. Roberto Carlos lief an und traf – den Kollegen Luis Figo. Der fiel gekrümmt zu Boden. Eine typische Szene am Sonntagabend im Bernabeu-Stadion. Doch den meisten Besuchern blieb sie verborgen. Viele der 70 000 hatten längst das Weite gesucht, andere waren damit beschäftigt, Schimpfworte Richtung Präsidentenbalkon zu schicken oder mit weißen Tüchern zu wedeln. Einige interessierten sich nur noch für den Gegner und begleiteten dessen Passstafetten mit „Olé, olé“-Rufen. 0:3 im eigenen Stadion gegen Osasuna, welch eine Schande! Fünf Tage nach dem 1:3 in Monaco war die Partie eigentlich als Versöhnungsfest geplant – und nun wieder ein Debakel. Damit hat die Wundermannschaft nach der Schlappe im Pokalfinale und dem frühen Aus in der Champions League auch die Tabellenführung in der Meisterschaft verspielt. Eine Saison, die eigentlich als die glorreichste der Klubgeschichte vorgesehen war, droht zur Blamage zu werden.“

Die Nation träumt vom Fussball-Prinzen

Peter Hartmann (NZZ 13.4.) befasst sich mit Italiens Sehnsucht: „Es gibt Geburtsdaten, die sind wie ein Stigma, sie können kein Zufall sein. Antonio Cassano, der rebellische römische Ballkünstler, kam am 11. Juli 1982 in Bari zur Welt. Was geschah sonst an jenem Tag? Die Frage kann nur ein Italiener beantworten: Damals wurde Italien in Madrid Fussballweltmeister. Alberto Gilardino, Stürmer der AC Parma, erblickte das Licht der Welt am 5. Juli 1982 in Biella, als Paolo Rossi in Barcelona gegen Brasilien seine legendäre Tripletta schoss. Heute gilt Cassano als das grösste und schwierigste Talent des Calcio. Und Gilardino hat, als zweitbester Torschütze der Serie A hinter Milans Schewtschenko (20 Goals), gerade seine Saisontore 16 und 17 zum 3:1-Sieg über Lecce erzielt. In andern Ländern suchen sie den trällernden Superstar, aber da in Italien jeder und jede singen kann, träumt die Nation vom Fussball-Prinzen. Alle zwei Jahre, wenn die WM oder die Europameisterschaft rufen, wird erwartet, dass er wie eine Sternschnuppe vom Himmel fällt. Wie 1978, als die Squadra Azzurra des pfeifenrauchenden Philosophen Enzo Bearzot an der WM in Argentinien den schönsten Fussball seit Menschengedenken spielte, mit den fabelhaften Entdeckungen Antonio Cabrini und Paolo Rossi, und nur das undankbare Resultat, der vierte Platz, schnell vergessen war. Vier Jahre später wurde die Mannschaft in Spanien Weltmeister, dank Rossis Toren, und wieder hatte Bearzots Wünschelrute im letzten Moment einen jungen Unbekannten aufgespürt: Giuseppe Bergomi, den 18-jährigen Verteidiger mit dem finsteren Blick: Er machte im Final Rummenigge zur Schnecke. Am WM-Turnier 1990 verzauberte Totò Schillaci, ein Nobody aus Palermo, mit seinen Toren und den weit aufgerissenen Augen die römischen Nächte, bis zum verlorenen Halbfinal gegen Argentinien. In zwei Monaten beginnt in Portugal die EM, und würde das Turnier schon morgen lanciert, der Commissario tecnico Giovanni Trapattoni, der 2002 am WM-Turnier in Fernost kläglich an Südkorea gescheitert ist, auch weil er personell nichts wagte, wäre im Dilemma. Wegen einer schwer verunsicherten Abwehr: Nesta (Milan) und Cannavaro (Inter) sind verletzungsanfällig geworden, Legrottaglie hat seine erste Saison bei Juventus völlig verpatzt, Panucci (Roma) ist und bleibt ein unberechenbarer Hitzkopf, und Veteran Maldini (Milan) widersteht allen Rückkehr-Angeboten. Auch der Angriff erweist sich als Sanitätsfall: Der „Rammbock“ Vieri (Inter) scheint in eine frühe Midlife-Crisis gefallen zu sein, die Gelenke seiner Zehnkämpfer-Postur knacken und reissen. Del Piero (Juventus) bereitet gerade sein zweites Comeback nach Muskelschäden vor. Inzaghi (Milan) leidet an einem Identitätsproblem: Der „Grande Egoista“, der nichts kann ausser Tore schiessen, schiesst keine mehr.“

Der FC Porto kann diese Saison zwei wichtige Titel erspielen: Meisterschaft und Champions League. Georg Bucher (NZZ 13.4.) schreibt dazu: „Der Vorsprung auf Sporting beträgt vier Runden vor Ende vier Punkte, fünf, zieht man den direkten Vergleich heran. Sogar sieben wären es, wenn am Dienstag in einem Nachtragsmatch die Auswärts-Hürde beim Tabellenvierten Nacional da Madeira genommen würde. Inselklubs setzen dem Titelhalter traditionell zu. Bereits in der Vorrunde reichte es gegen Maritimo nur glückhaft zu einem Remis. Und erneut verkaufte das mit Brasilianern gespickte Team des Algarvios Manuel Cajuda die Haut teuer, hätte gar durch Alan und Danny, in Führung gehen können. Die Madeirenses ergriffen selber die Initiative, wurden jedoch vom kompakteren, physisch stärkeren Platzklub allmählich unter Druck gesetzt. Marcos und der Holländer van der Gaag mussten Schwerarbeit verrichten; in der spielentscheidenden Szene behinderten sie sich gegenseitig. Mourinho fühlt sich verpflichtet, Meister zu werden, die Champions League komme erst an zweiter Stelle. Was nach Understatement klingt und von den Anhängern auch so begriffen wird. Wann, wenn nicht jetzt, da Milan, Real und Arsenal auf der Strecke geblieben sind, ist die Gelegenheit günstiger, den europäischen „Königstitel“ von 1987 zu wiederholen, sagen die Portistas und begründen ihre Zuversicht mit dem Argument, kein anderer Halbfinalist habe die gleiche internationale Erfahrung und sei so beständig wie der FC Porto, für den auch das ausgeglichene Kader spricht, die Möglichkeit, gleichsam ohne Substanzverlust zu rotieren.“

Paternalismus

Dario Venutti (NZZ 13.4.) schildert die schwierige Lage des kroatischen Ligafußballs mit: „Seit der Unabhängigkeit 1991 war Fussball in Kroatien mit einer Ausnahme stets eine Angelegenheit zwischen Dinamo Zagreb und Hajduk Split. Vor zwei Jahren wurde NK Zagreb Meister, sonst teilten die beiden Grossvereine die Meistertitel unter sich auf. Dies hatte ein Herabsinken des Niveaus zur Folge, was die fehlenden Erfolge kroatischer Vereine im Europacup dokumentieren. Die Zuschauerzahlen bewegen sich überdies unter denjenigen der Schweiz oder Österreichs. Gut gefüllt sind die Stadien lediglich bei den Derbys zwischen Dinamo und Hajduk. Nach Jahren der Dominanz Dinamos scheint der Verein aus der Hauptstadt von Hajduk Split abgelöst zu werden. Die Wende zugunsten von Hajduk Split ist in erster Linie das Werk von Igor Stimac. Der frühere Nationalspieler, der mit dem kroatischen Team an der WM 1998 in Frankreich Dritter wurde, hat als Sportdirektor von Hajduk innert zweier Jahre eine Mannschaft zusammengestellt, die sich durch eine gelungene Mischung aus jungen, talentierten und erfahrenen Spielern auszeichnet. Stimac repräsentiert eine jüngere Garde von Fussball-Funktionären, auf denen aber weiterhin der Schatten der Vergangenheit lastet. Dem Restaurant- und Nachtklubbesitzer wird vorgeworfen, zu Beginn der Jugoslawienkriege zusammen mit anderen Anschläge auf Serben in Split verübt zu haben. – Die Last der Vergangenheit im kroatischen Fussball zeigt sich auch in den Reflexen, die immer dann geäussert werden, wenn sich die Entscheidung über die Titelvergabe zuspitzt. Es gilt als offenes Geheimnis, dass die Dominanz Dinamos von der Mitte bis zum Ende der neunziger Jahre mit staatlicher Unterstützung errichtet worden war. Seit dem Tod des Staatsgründers Tudjman scheinen sich die Kräfteverhältnisse langsam zu verschieben, der Meisterschaftsbetrieb aber hat sich immer noch nicht von seinem negativen Ruf (manipulierte Spiele, gekaufte Schiedsrichter) befreien können. (…) Der Paternalismus im kroatischen Fussball ist mit dem Tode Tudjmans nicht an sein Ende gekommen. Ebenso wie Tudjman will auch der neue Premierminister, Ivo Sanader, sich einen eigenen Klub unterhalten. Weil der Chef der angeblich geläuterten Regierungspartei Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ) aus Split stammt, ist es naheliegend, dass er sich Hajduk für diesen Zweck ausgewählt hat.“

Europas Fußball vom Wochenende: Ergebnisse – Tabellen – Torschützen – Zuschauerzahlen NZZ

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