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Oliver Fritsch | Mittwoch, 14. April 2004 Kommentare deaktiviert für Bundesliga

Allofs und Schaaf, Architekten des Bremer Aufschwungs“ vom Verein zur Marke (Spiegel) – Machtkampf bei 1860 München (SZ) – die Perspektive des 1. FC Köln: spielend aufsteigen (FR) u.v.m.

Allofs und Schaaf, Architekten des Aufschwungs

Werder Bremen wechselt seine Strategie; Michael Wulzinger (Spiegel 10.4.) erklärt sie uns: „Die Zahl der Mitglieder hat sich, angeheizt durch eine großflächig plakatierte und knackig ins Bild gesetzte Kampagne („Ich will Dich!“), innerhalb eines knappen Jahres auf rund 12 000 vervierfacht. Fast 37 000 Zuschauer werden die Heimspiele dieser Saison im Schnitt verfolgt haben, knapp 6000 mehr als im vorigen Jahr. Und dass derzeit in keinem Bremer Sportgeschäft mehr eines der aktuellen Werder-Trikots zu bekommen ist, wertet Mediendirektor Tino Polster als Beleg dafür, „dass wir raus sind aus dem grau melierten Bereich – die Marke Werder Bremen hat sich profiliert“. Als Architekten des Aufschwungs gelten Allofs und Schaaf. Im Abstand von drei Monaten traten sie 1999 ihren Dienst an. Beide waren Werder-sozialisiert, hatten unter Rehhagel in Bremen gespielt, und beide waren ohne besondere Berufserfahrung: Schaaf hatte nach seiner Spielerkarriere als Jugend- und Amateurtrainer bei Werder begonnen, Allofs war zehn Monate lang Trainer von Fortuna Düsseldorf gewesen. Mehr hatten sie nicht vorzuweisen. Vor allem Allofs stieß bei den Lordsiegelbewahrern des Clubs zunächst auf Vorbehalte. So beäugte der damalige Präsident Franz Böhmert, heute Vorsitzender des Aufsichtsrats, argwöhnisch Allofs‘ Leidenschaft für Rennpferde und dessen Engagement als Mitherausgeber der Galopperzeitschrift „Top-Tip“. Diese Art von Stallgeruch, fand der Chefarzt der Anästhesie, passe schlecht zu dem hanseatischen Traditionsverein. Doch Allofs setzte sich durch. Von Anfang an verstand er sich in Bremen als „Mann für die unkonventionellen Gedanken“. Bereits mit seinem ersten Transfer setzte er eine Duftmarke: Er verpflichtete den brasilianischen Edelkicker Julio Cesar. Seinen skeptischen Vorständen vermittelte er den Abwehrmann durch eine pfiffige Entgeltregelung: Cesar wurde pro Spiel bezahlt. Seit Allofs und Schaaf als Doppelspitze bei Werder auftreten, ist kein Profi geholt worden, von dem nicht beide überzeugt gewesen wären. „Wir diskutieren oft kontrovers“, sagt Allofs, „aber im Kern verfolgen wir die gleiche Philosophie.“ Schaaf wiederum hebt hervor, „dass unsere Ansichten unheimlich gut ineinander greifen und dass wir uns gegenseitig nichts neiden“. Die Zusammenarbeit von Sportdirektor und Fußball-Lehrer ist keineswegs selbstverständlich in der Liga. Zum Normalfall gehören eher Animositäten oder gar Dauerfehden, die wie beim Hamburger SV fast täglich über die Medien ausgetragen werden oder wie jüngst beim VfL Wolfsburg und bei Hannover 96 mal wieder in der Entlassung des Trainers mündeten. Dennoch: In den Führungsgremien kann sich das Duo längst nicht mit all seinen Vorschlägen durchsetzen. Zuweilen vermisst Allofs die nötige Courage. So hatte der Sportdirektor mit dem portugiesischen Abwehrspieler Fernando Meira bereits verhandelt, als der noch einen Bruchteil der 7,5 Millionen Euro kostete, die der VfB Stuttgart im Winter 2001 bezahlte. Auch zu dem Brasilianer Gilberto Silva unterhielt der Werder-Stratege frühzeitig aussichtsreichen Kontakt. Heute spielt der Mittelfeldstar bei Arsenal London. Mit knapp 40 Millionen Euro Jahresbudget, damit hatte sich Allofs abzufinden, waren große Sprünge auf dem Personalsektor nicht möglich. Dass ein Provinzverein wie Werder dennoch in dieser Saison in der Lage ist, weitaus umsatzstärkere Großstadtclubs wie Hertha BSC oder den Hamburger SV abzuhängen, Fußballkonzerne wie Borussia Dortmund, Schalke 04 oder Bayer Leverkusen auszustechen und sportlich auf Augenhöhe mit dem finanziell weit enteilten FC Bayern zu konkurrieren, belegt: Solide Kaufmannsprinzipien können auf lange Sicht auch in der schnelllebigen Fußballbranche zum Erfolg führen. Es ist ja kein Zufall, dass Werder Bremen seine sportliche Qualität ausgerechnet in den vergangenen zwei Jahren spürbar verbessert hat, in denen bei anderen Clubs vorzugsweise über Millionenschulden und Gehaltskürzungen debattiert wurde. (…) Erst seit wenigen Wochen kann Werder mit künftigen Champions-League-Einnahmen kalkulieren, und seither ist der Club auf dem Transfermarkt äußerst rege. Aus Kaiserslautern kommt Nationalspieler Miroslav Klose, aus Brasilien der Defensivmann Gustavo Nery, aus Bochum der Verteidiger Frank Fahrenhorst und aus Leverkusen voraussichtlich der türkische Mittelfeldstar Yildiray Bastürk. Die Offensive auf dem Spielermarkt ist ein Paradigmenwechsel in der Vereinsphilosophie. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte investieren die Bremer satte Millionenbeträge in neue Profis. Es ist der Kurs, für den vor allem Klaus Allofs steht.“

Loyalität sollte man nicht bewerben

Christoph Biermann (SZ 15.4.) analysiert den Mitgliederzuwachs vieler Vereine: „Hatten die 18 Erstligisten im Sommer 2001 insgesamt 220 000 Mitglieder, sind es inzwischen schon 275 000, bei rasant wachsender Tendenz. Der VfB Stuttgart hat innerhalb dieser Saison die Mitgliederzahl von gut 8000 auf fast 22 000 gesteigert. In Bremen wirbt der SV Werder mit Großplakaten, auf denen Trainer Schaaf, eingerahmt von Johan Micoud und Frank Baumann, auf die Betrachter zeigt. „Wir wollen Dich“, ist darunter zu lesen, das erinnert an die Rekrutierungsplakate der amerikanischen Armee, auf denen „Uncle Sam wants you!“ stand. Auch bei Borussia Dortmund werden im Rahmen der „Aktion 40 000″ neue Mitglieder geworben – die Hälfte des Weges ist immerhin schon geschafft. Erstaunlich ist dieser Run, weil die Mitgliedschaft eigentlich nur dort besondere Vorteile verspricht, wo es bei der Kartenvergabe eng werden könnte. „Bei uns werden bei zehn bis zwölf Heimspielen die Eintrittskarten quasi nur an Mitglieder abgegeben“, sagt Manfred Angermeyer, der Direktor Ticketsystem, Mitgliederservice und Internetdienst beim FC Bayern. Die Münchner werden voraussichtlich im Sommer die Grenze von 100 000 Mitgliedern übertreffen, schon jetzt sind sie nach eigener Angabe der größte Klub in Europa. „Wir betreiben keine aktive Mitgliederwerbung und haben es nie getan“, sagt Angermeyer, „Loyalität sollte man nicht bewerben.“ Der Reiz, Mitglied beim FC Bayern zu sein, liegt eben vor allem darin, bei der Verteilung der Eintrittskarten berücksichtigt zu werden, die zudem günstiger und ohne Vorverkaufsgebühr abgegeben werden. Ansonsten gibt es die Vereinszeitschrift Bayern-Magazin frei Haus. Fast alle Bundesligisten haben ähnliche Modelle, bieten zumeist aber noch Rabatte auf Fanartikel an, die dem Ganzen einen Hauch von Schnäppchenjagd geben. Borussia Dortmund lockt gar mit einem „Begrüßungsgeschenk“, das aus einem Mitglieder-Kugelschreiber und einer Mitglieder-Anstecknadel besteht. Ansonsten werben die Klubs vor allem mit einem emotionalen Mehrwert. „Durch die Mitgliedschaft bringt man zum Ausdruck, dass man Teil des Vereins ist, ihn unterstützt. Dass man mehr ist als nur“ ein Anhänger oder Sympathisant“, heißt es in einer Eigenwerbung des FC Schalke 04.“

Was ich heute kann besorgen, geht genauso gut auch morgen

Christian Zaschke (SZ 15.4.) schildert den Machtkampf bei 1860 München: „Der Präsident des TSV 1860 München wehrt sich. Karl Auer ließ eine Pressemitteilung verfassen und verschicken. Darin verkündet er: „Es gibt kein Ultimatum. Dieses Wort ist nicht gefallen. Hans Zehetmair wurde zwar so zitiert, er hat es aber nicht gesagt.“ Zehetmair ist Vizepräsident des Vereins, und er hat sich sehr wohl so geäußert, wie er zitiert wurde. Er hat dem Trainer Falko Götz ein Ultimatum gestellt. Entweder der Coach gewinnt am kommenden Samstag das Heimspiel gegen den Hamburger SV, oder er muss gehen. Die Frage ist zum einen, ob Zehetmair mächtig genug ist, dieses Vorhaben bei Bedarf durchzusetzen. Die Frage ist zum anderen, was der Vize mit seiner Attacke gegen den Willen des Präsidenten bezweckt. Es ist davon auszugehen, dass Zehetmair genug hat von der Amtsführung des Präsidenten. Hinter sich weiß er eine Fraktion im Aufsichtsrat, die sich von Auer entfremdet. Dass dieser am Dienstag eine Präsidiumssitzung einberief, an welcher der designierte zweite Vizepräsident Wolfgang Hauner teilnahm, hat die Opposition verprellt – denn Hauner ist noch nicht vom Aufsichtsrat berufen. Ein Aufsichtsratsmitglied hat den Eindruck: „Die koppeln sich ab.“ Dieser Bewegung versucht der ehemalige bayrische Kultusminister Zehetmair entgegenzusteuern. „Er wittert Morgenluft“, heißt es bei der Opposition. Diese sieht Auer als „Manana-Präsidenten“, der nach dem Motto handele: „Was ich heute kann besorgen, geht genauso gut auch morgen.“ Kritisiert wird die Entscheidungsschwäche des Präsidenten, der keine Anstalten macht, den Posten des zweiten Geschäftsführers zu besetzen, den zuvor der noch immer inhaftierte Karl-Heinz Wildmoser junior innehatte. Diese Position ist der Opposition wichtig, weil sich dort die Macht konzentrieren soll. Ohne eine starke Person auf diesem Posten sei der Verein nicht handlungsfähig. Vorbild ist das Modell beim FC Bayern München, bei dem Franz Beckenbauer mit dem Tagesgeschäft nicht viel zu tun hat, es mit Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge aber eine eminent effektive Exekutive gibt. Karl Auer weiß, dass die Opposition stark ist.“

Ein Verein in dieser Lage braucht Ruhe und keinen Machtkampf

In einem Kommentar von Christian Zaschke (SZ 15.4.) lesen wir dazu: „Hans Zehetmair, Vizepräsident des TSV 1860 München, hat mit seiner Attacke innerhalb des Vereins lange gewartet. Er suchte jenen günstigen Zeitpunkt des Handelns, und die Frage ist, ob er ihn nun gefunden hat. Die fachlichen Argumente der Opposition, auf die Zehetmair sich stützt, sind klar. Es besteht seit dem Rücktritt des ehemaligen Präsidenten Wildmoser ein Machtvakuum im Verein. Mittels einer Strukturveränderung soll dieses gefüllt werden, durch die Installation eines sportlich kompetenten Geschäftsführers. Dagegen wehren sich Präsident Karl Auer und die Angestellten des Vereins, weil sie alle weniger Macht hätten, manche müssten wohl gehen. Durch eine solche Strukturveränderung soll der Klub handlungsfähig werden, wie die Opposition argumentiert. Zugleich ist zu sehen: Der TSV 1860 steckt im Abstiegskampf, die Mannschaft leidet unter einer Formkrise, Abwehrspieler verletzen sich, die Konkurrenz gewinnt, der Abstand zum 16. Platz schrumpft. Ein Verein in dieser Lage braucht Ruhe und keinen Machtkampf, der den Klub zu spalten droht. Der von Zehetmair gewählte Zeitpunkt des Handelns entspringt eher der Verzweiflung.“

Es reicht nicht mehr, 1:0 in Burghausen zu gewinnen

Moritz Küpper (FR 15.4.) erläutert die Perspektive des 1. FC Köln: „Die Blicke am Geißbockheim gehen nach vorne. Ganz blauäugig ist selbst Overath dabei nicht: „Wer dreimal innerhalb von sechs Jahren absteigt, muss etwas ändern.“ Seine Gedanken hat er sich deswegen schon gemacht: „Falls wir absteigen, müssen wir eine spielstarke Mannschaft aufbauen“, sagt er und sieht darin das Versäumnis der vergangenen Jahre. Aufgestiegen sei der FC wegen seiner Routine und der Effektivität bei Standardsituation. „Jetzt muss man einen Schritt weiterdenken und eine Mannschaft formen, die auch spielerisch in der ersten Liga mithalten kann“, sagt der ehemalige Spielmacher der Nationalmannschaft und gibt damit den Weg vor. „Es reicht nicht mehr, 1:0 in Burghausen zu gewinnen.“ Mit dieser Sichtweise steht Overath nicht alleine da. Schon vor und während der Saison hat Manager Andreas Rettig die Mannschaft umgebaut und junge, spielstarke Leute namens Albert Streit und Markus Feulner geholt – und sich dafür viel Kritik anhören müssen. Nicht ganz zu Unrecht, wie der Abstieg zeigt. Den Vorwurf fehlender Risikobereitschaft kann Rettig jedoch nicht nachvollziehen: „Man muss auch über die Saison hinaus planen“, sagt er, „wir sind ein sportliches Risiko eingegangen, aber kein wirtschaftliches.“ Auch die Begründung für diese Vereinspolitik klingt vernünftig: „Wenn das sportliche Risiko sich nicht auszahlt, kann man es reparieren, passiert das beim wirtschaftlichen Risiko, reiht man sich bei St. Pauli, Ulm oder Düsseldorf ein.“ Eine Haltung, die jedoch den in den Erfolgen der Vergangenheit schwelgenden kölschen Anhängern nur schwer zu vermitteln ist. Auch die Lokalpresse attackiert den Manager fast pausenlos, und Rettig gesteht ein, dass Überschriften wie „Rettig statt Rettung“ (Express) nicht spurlos an ihm vorbeigehen: „Die ständigen Vorwürfe zermürben schon“. Dass die sportliche Führung auch Fehler gemacht haben muss, bestreitet der Manager nicht: „Bei nur 20 Punkten aus 28 Spielen hat auch das Management Fehler gemacht“, sagt er, bemüht aber direkt einen Vergleich aus dem Casino: „Ich weigere mich, alles auf rot oder schwarz zu setzen.“ Der Gang in die zweite Liga steht so gut wie fest, doch dank der Planungen des Managers steht der FC nicht vor einem Scherbenhaufen.“

Richard Leipold (Tsp 15.4.) blickt auf den Samstag: “In der einstigen Wachstumsbranche Fußball-Bundesliga galt Borussia Dortmund lange als Gegenspieler des FC Bayern München. Die Westfalen begegneten den Bajuwaren mehr als ein Jahrzehnt lang auf Augenhöhe und wurden auch im europäischen Geschäft zu einem bedeutenden Marktteilnehmer. Fußballspiele der beiden Klubs wurden als Gipfeltreffen annonciert. An diesem Samstag treten die Bayern wieder im Westfalenstadion an. Doch die Koordinaten haben sich sportlich wie wirtschaftlich verschoben. Die Bayern kommen zwar ausnahmsweise nicht als Titelfavorit, aber immer noch als solide finanziertes Schwergewicht der Liga. Der BVB indes ist in Schieflage geraten; wirtschaftlich trennen die beiden Rivalen inzwischen Welten. Allein im ersten Halbjahr erwirtschaftete die Kommanditgesellschaft auf Aktien einen Verlust von knapp 30 Millionen Euro. Die Dortmunder müssen in den nächsten Tagen mit einem Blauen Brief der DFL rechnen. Wenn überhaupt, werden sie das zu erwartende Defizit nur durch beträchtliche Transfererlöse auf ein erträgliches Maß reduzieren können. Die roten Zahlen wirken sich auch auf das Verhältnis zu den Bayern aus. Während die Borussen den Münchnern früher die Marktposition streitig machen wollten, müssen sie in der Not vielleicht sogar ihren begehrtesten Profi an den Rivalen abgeben: Torsten Frings.“

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