indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ballschrank

Bundesliga

Oliver Fritsch | Mittwoch, 14. April 2004 Kommentare deaktiviert für Bundesliga

„rollt bald der Regionalliga-Fußball auf dem Betzenberg?“ (FAZ) – Hamburgs Allergie gegen Mittelmaß (SZ)

Rollt bald nur noch der Regionalliga-Fußball auf dem Betzenberg?

Michael Ashelm (FAZ 14.4.) befürchtet das Schlimmste für den 1. FC Kaiserslautern: „Gehen beim 1. FC Kaiserslautern die Lichter bald ganz aus? Immer schwerer tut sich die Mannschaft im Kampf gegen den Abstieg. Und dann meldet sich nach dem desaströsen 0:6 vom Wochenende auch noch der Vorstandsvorsitzende René C. Jäggi zu Wort und warnt in aller Öffentlichkeit vor dem drohenden Lizenzentzug. Panik geht um in der Fußball-Pfalz. Befürchtet wird die Bankrotterklärung der „Roten Teufel“, die schon lange ohne Fortüne den Anschluß ans große Fußball-Geschäft suchen. „Endzeitstimmung“ – die vermeldete die ansässige Zeitung am Dienstag in ihrer Berichterstattung, zählte noch einmal die vielen Fehler der jüngsten Vergangenheit in aller Breite auf und kam letztlich zu keinem guten Schluß. Wer weiß, ob nicht bald nur noch der Regionalliga-Fußball auf dem Betzenberg rollt. Wie ein einsamer Kämpfer an mehreren Fronten kommt sich Trainer Kurt Jara vor, der erst kürzlich den Risikojob zur Rettung der Lauterer übernommen hatte; hier die Kritik und der heraufbeschorene Finanzcrash, da eine kraftlose, vielleicht sogar motivationslose Mannschaft. Auch wenn der Österreicher zugibt, daß einige Spieler nicht wüßten, „was Sache ist“, sagt er: „Ich bin totaler Optimist. Wir dürfen jetzt nicht alles in Frage stellen.“ Zehn Minuten Zeit nahm sich der Trainer am Dienstag vor der ersten ausgiebigen Übungseinheit nach der blamablen Niederlage in Leverkusen, um den Kader auf die Wochen der Entscheidung einzustimmen – und seinen Profis die Konsequenzen eines sportlichen Versagens vor Augen zu führen. „Alle haben die Pflicht, bis zum 30. Juni alles zu geben“, sagt Jara. Seine Sätze klingen wie das Einmaleins des Fußballs, doch wie es ausschaut, muß sich das Team auf die grundlegenden Dinge besinnen, um überhaupt ein kleines Stück nach vorne zu kommen. Fragt sich nur, inwieweit der eine oder andere Profi, der sich innerlich vielleicht schon von seinem jetzigen Arbeitgeber verabschiedet hat, noch bereit ist, dem FCK bedingungslos zu helfen.“

Selten hat ein Tabellenachter so schlechten Fußball gespielt

Jörg Marwedel (SZ 14.4.) schildert Hamburgs Allergie gegen Mittelmaß: „Vom früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt, einem schneidend-nüchternen Hanseaten, ist der Satz überliefert, wer Visionen habe, solle zum Arzt gehen. Dietmar Beiersdorfer, 40, hat das ganz anders gesehen, als er im August 2002 seinen Dienst als Sportchef beim Hamburger SV antrat. Der frühere Fußballprofi, immerhin Doktorand mit dem Thema „Strategisches Management in einem Bundesligaverein“, hatte nämlich äußerst verheißungsvolle Visionen. Volksnah sollte die Mannschaft werden, bestückt mit hungrigen Talenten, die sich mit ihrem Arbeitgeber identifizieren und die Fluktuation bremsen würden, die unter Beiersdorfers Vorgänger Holger Hieronymus ein Schwindel erregendes Tempo aufgenommen hatte. Das Konzept sollte den HSV wieder dorthin bringen, wo sich der siebenmalige Deutsche Meister eigentlich noch immer sieht – in die europäische Spitzenklasse. Gut eineinhalb Jahre später könnte sich der bissige Altkanzler bestätigt fühlen. Unerreichbar und stets im Dunst sich auflösend, wenn man glaubte, dem Trugbild ein Stück näher gekommen zu sein wie nach dem vierten Tabellenplatz in der vergangenen Saison und dem Gewinn des Supercup. Im Internetforum des Vereins häufen sich die Klagen über einen „tiefen Graben zwischen Fans und Mannschaft“. Die Mannschaft hat keine Zukunft und ist zersplittert in eine Jugendfraktion um Spieler wie Schlicke, Rahn oder Kling und eine Seniorenriege um die Routiniers Hollerbach, Hoogma oder Barbarez. Und dass dieses Team derzeit noch den achten Platz in der Bundesliga belegt, ist, wie die Hamburger Morgenpost konstatierte, „ein Wunder“, denn „sie spielen wie ein Abstiegskandidat“. So aufgeladen ist die Atmosphäre mittlerweile, dass sich nach dem Spiel die Profis Bernd Hollerbach und Kapitän Nico Hoogma handgreiflich gegen Pressesprecher Marinus Bester wehrten, der sie zum TV-Interview bringen wollte. Kurz darauf wurde Hoogma beim Verlassen des Stadions von rund 50 aufgebrachten HSV-Anhängern geschubst, beschimpft und in die Enge getrieben, was sein Mitspieler Bastian Reinhardt erschrocken als eine „neue, bedenkliche Qualität der Auseinandersetzung“ erkannte. Wer nach den Ursachen des allgemeinen Aufruhrs forscht, wird nicht nur bei Fehlern des Trainers Klaus Toppmöller oder des Sportchefs Beiersdorfer fündig. Die ohnehin explosive Stimmung wird vor allem von Bild geschürt – so sehr, dass das ebenfalls im Springer-Verlag erscheinende Hamburger Abendblatt dezent, aber deutlich anmerkte, die Fans seien auch „durch Zeitungsberichte aufgewiegelt“ worden. Schon vor dem jüngsten Reinfall gegen Dortmund hatte Bild fast eine Seite reserviert, um Toppmöller als Chaos-Trainer darzustellen: „HSV nur noch ein Sauhaufen“, war dort zu lesen. Und: „Toppi hat nichts mehr im Griff“. Noch nie ist ein neuer Trainer, der ein Team allen Problemen zum Trotz binnen sechs Monaten von Rang 13 auf Rang 8 geführt hat, so massiv attackiert worden wie der Nachfolger Kurt Jaras. Selten allerdings hat ein Tabellenachter so schlechten Fußball gespielt.“

Kommentare

Comments are closed.

  • Quellen

  • Blogroll

  • Kategorien

  • Ballschrank

104 queries. 0,538 seconds.