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Bundesliga
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| Freitag, 16. April 20041860 München streitet mit 1860 München; Falko Götz wirkt gelassen, „tut ihm die Krise gut?“ (SZ) – Borussia Dortmund diskutiert über Geld, Schulden und Lizenz, weniger über Bayern München – Hans Meyer kehrt für einen Tag nach Mönchengladbach zurück u.v.m.
Elisabeth Schlammerl (FAZ 16.4.) schildert die Lage bei 1860 München: „Die sportliche Krise hat beschleunigt, was ohnehin nur eine Frage der Zeit war, denn die neue Führung des Münchner Fußballklubs spielt seit ihrer Amtsübernahme Mitte März mit dem Feuer. Aus einem Schwelbrand wurden in dieser Woche nun lodernde Flammen, die alles zu vernichten drohen, was seit der Rückkehr in die Bundesliga vor zehn Jahren aufgebaut worden war. Es ist kein Geheimnis, daß Präsident Karl Auer und Vizepräsident Hans Zehetmair nicht immer einer Meinung sind – vor allem, wenn es um die Zukunft von Falko Götz geht. Zehetmair hätte den Trainer lieber schon vorgestern als gestern entlassen, Auer würde auch morgen noch gerne mit ihm arbeiten. Zwei Niederlagen hintereinander lieferten nun neue Argumente für Zehetmair, aber auf der Präsidiumssitzung am Dienstag konnte sich noch der Chef durchsetzen. Man hat sich darauf geeinigt, das Spiel gegen den HSV abzuwarten, allerdings nicht, dies öffentlich kundzutun. Aber Zehetmair, der es als Politiker gewohnt ist, vor jedem Mikrofon stehenzubleiben, hat hinterher bereitwillig erklärt, man habe Falko Götz das Vertrauen ausgesprochen, „verbunden mit der Erwartung, daß wir am Samstag siegen“. Auf dem Münchner Boulevard, auf dem Götz schon länger nicht mehr wohlgelitten ist, wurde des Vizepräsidenten Ultimatum dankbar aufgenommen und schon mögliche Trainerkandidaten ins Gespräch gebracht. Zumal Zehetmair auch noch freimütig einräumte, die Nachfolgefrage schon besprochen zu haben. (…) Der Machtkampf ist nun ein öffentlicher geworden, der Machtkampf zwischen dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten. Auer hatte sich an jenem 15. März, als Karl-Heinz Wildmoser zurückgetreten war, nicht in die Chefrolle gedrängt, andere hievten ihn da hinein. Zehetmair gehörte zu der Fraktion im Aufsichtsrat, die den Verein gerne umkrempeln wollte, und sah in dem in Fußball- und Funktionärsfragen unerfahrenen Wurst- und Fleischgroßhändler einen leicht lenkbaren Verbündeten. Schnell stellte sich heraus, daß Auer nicht nur Strohmann sein wollte, sondern seine eigenen Ansichten hatte von der Führung eines Fußballvereins. Der Konflikt war also zu erwarten, und doch hätte es keinen unpassenderen Zeitpunkt für ein Kompetenzgerangel geben können.“
Die Krise tut ihm gut
„Wie sieht ein Trainer aus, der mit einem Ultimatum konfrontiert ist?“, fragt sich Christian Zaschke (SZ 16.4.) und besucht die Pressekonferenz in München: „Lächelnd trat Falko Götz an. Der Trainer wirkte, als sei er gerade aus einem zweiwöchigen Entspannungsurlaub in einem tibetischen Kloster zurückgekehrt. Die Frisur saß, wie immer, sein Blick war klar, seine Stimme fest. Geduldig antwortete er auf Fragen, manchmal lachte er. „Ich muss locker sein“, sagte er, „ich kann der Mannschaft nicht vorleben, dass ich ein frustrierter Mensch bin. Wir wollen kreativ sein, wir müssen Mut haben, und das muss ich vorleben.“ Sollte Götz unter der Situation im Verein leiden, so hat er dies perfekt verborgen. Es war der vielleicht beste Auftritt seiner Amtszeit beim TSV 1860. Zuletzt hatte der Trainer nach Niederlagen die immer gleichen Erklärungen abgegeben, eine Litanei über individuelle Fehler, verletzte Spieler und verschenkte Punkte, wie sie von fast jedem Trainer im Abstiegskampf zu hören ist. Am Donnerstag klagte er nicht, er sagte: „Dass es so schwierig wird, hätten wir nicht gedacht.“ Götz war ehrlich, wirkte selbstbewusst, ohne in Arroganz zu verfallen. Wäre es nicht so absurd, müsste man sagen: Die Krise tut ihm gut. (…) Im Falle eines Sieges könnte es Götz gelingen, sich selbst aus dem Zentrum des Konflikts an der Vereinsspitze herauszuhalten. Dann könnte es um ihn herum gewaltig krachen im Klub, während er selbst im Auge des Sturmes sitzt, dort, wo es tatsächlich so ruhig ist wie im tibetischen Kloster.““
Daniel Pontzen (Tsp 16.4.) merkt, dass sich die Öffentlichkeitsreferenten der Münchner viel Mühe geben: „Es hat sich in diesen Tagen ein amüsanter Meinungsaustausch entwickelt zwischen den Münchner Tageszeitungen und dem TSV 1860. Während die Gazetten die sportliche Krise und den inzwischen offen ausgetragenen Streit innerhalb der Führungsriege vergnügt in fetten Lettern ausschlachten, kommt die Presseabteilung des Vereins kaum nach, eilig Berichtigungen in Umlauf zu bringen. Diese tragen so schöne Titel wie „Keine Differenzen zwischen Aufsichtsrat und Präsident Karl Auer“ oder „Kein Ultimatum an Falko Götz“. Niemand hätte sich gewundert, wenn noch ein Blatt aus dem Fax gerattert wäre mit der Auskunft: „Keine Abstiegsgefahr für die Löwen“.“
Niebaum hat es bisher noch immer geschafft, die Skeptiker in der DFL mit Druckmitteln und Anwaltsrhetorik umzustimmen
Vor dem Spiel gegen die Bayern diskutiert man in Dortmund weiterhin über Geld und Schulden; Freddie Röckenhaus (SZ 16.4.) meint, dass die BVB-Anhänger nicht mit dem Schlimmsten rechnen müssen: „Gipfeltreffen-Stimmung vergangener Jahre will sich in Dortmund nicht einstellen. Zu weit liegen die Münchner und ihr langjähriger Widersacher nun schon im zweiten Jahr auseinander. Die verbalen Scharmützel mit Bayern-Manager Uli Hoeneß beziehen sich auf die finanzielle Lage beim BVB. (…) Selbst auf der meist vorstandskonformen Fan-Website schwatzgelb wird nun diskutiert, ob Borussia die Lizenz für die kommende Saison bekommen wird. DFL-Insider berichteten vor zwei Wochen von einem Zwischenstand im Lizenzierungsverfahren. Damals, so sickerte durch, wäre die Lizenz verweigert worden. Inzwischen haben Manager Michael Meier, der selbst im DFL-Vorstand sitzt, und Präsident Gerd Niebaum nachgebessert und versucht, Überzeugungsarbeit zu leisten. Der DFL-Kenner: „Niebaum hat es bisher noch immer geschafft, die Skeptiker in der DFL mit Druckmitteln und Anwaltsrhetorik umzustimmen.“ Eine Lizenzverweigerung für Dortmund ist schon deshalb undenkbar, weil das Westfalenstadion Austragungsort eines WM-Halbfinals sein soll. Selbst bei einer Verweigerung in erster Instanz würde der BVB deshalb die Lizenz, da sind alle Experten sicher, „auf dem Gnadenweg in der zweiten Instanz“ bekommen.“
Sauerei
Tim Bartz (FTD 16.4.) schüttelt den Kopf: „Erst in der Niederlage zeigt sich wahre Größe, heißt ein Sprichwort, und in der Geschichte gibt es Belege für den Wahrheitsgehalt dieser Vermutung. So zog sich Milliardär Benjamin Guggenheim angesichts des drohenden Untergangs der „Titanic“ mit einer Flasche Champagner in seine Erste-Klasse-Kabine zurück, um wie ein Gentleman zu sterben. Ungarns Fußballkünstler nahmen ihre traumatische Finalniederlage 1954 gegen den mit zweifelhaften Methoden angesp(r)itzten deutschen Gegner sportlich fair hin, obwohl ihnen der Schiedsrichter kurz vor Spielende den 3:3-Ausgleich wegen vermeintlicher Abseitsposition nicht gönnen wollte. Legendär auch der Ausspruch Galileo Galileis, der – unter Androhung von Folter und Scheiterhaufen – an seiner Entdeckung, dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht andersherum, mit den Worten festhielt: „Und sie bewegt sich doch!“ Angesichts dieser heroischen Beispiele wirkt Michael Zorc, der Sportmanager des früheren Arbeitervereins Borussia Dortmund, geradezu jämmerlich. Dass der nächste BVB-Gegner Bayern München Zorcs Mittelfeldstar Torsten Frings schöne Augen macht, erbost den weiland „Susi“ Gerufenen so sehr, dass er von „Sauerei“ spricht. Susi heult. „Aber sonst Prost Mahlzeit“, möchte man Zorc entgegnen. Es ist noch nicht lange her, dass die Dortmunder mit dicken Taschen und lockerer Hand alle halbwegs rheumafreien Kicker dieses Planeten aufkauften. Selbst die Bayern schreckten vor Investments zurück, die die börsenblinden Borussen mit schmalem Lächeln eingingen. Wie wohl kein Verein zuvor in der Geschichte der Liga trieben die Schwarz-Gelben das Preisniveau hoch.“
Stefan Hermanns (Tsp 16.4.) berichtet die bevorstehende Rückkehr Hans Meyers nach Gladbach: „Hans Meyer hat einmal gesagt, dass er zu zwei Vereinen aus seinem Lebenslauf eine besondere Beziehung besitze: der eine ist der FC Karl-Marx-Stadt, weil er dort ab Mitte der Achtzigerjahre eine neue junge Mannschaft nach seinen Vorstellungen aufbauen konnte; der andere Borussia Mönchengladbach, der westdeutsche Traditionsklub, den er 1999 als Tabellenletzten der Zweiten Liga übernommen und zwei Jahre später zurück in die Bundesliga geführt hat. Noch immer besitzt Meyer Bindungen an den Verein. Mit Torhüter Jörg Stiel telefoniert er gelegentlich, und erst vor drei Wochen, am Tag vor Herthas Spiel in Leverkusen, war Meyer zur Beerdigung von Borussias Präsident Adalbert Jordan in Mönchengladbach. „Das rechne ich ihm sehr hoch an“, sagt Gladbachs Vizepräsident Siegfried Söllner. Am Bökelberg ist Meyer während seiner Amtszeit fast kultisch verehrt worden. In Anlehnung an Borussias Trainerlegende Hennes Weisweiler wurde er „Hennes“ genannt, und bei der Mitgliederversammlung vor einem Jahr setzten die Fans den Antrag durch, Meyer zum Ehrenmitglied des Vereins zu ernennen. Trotzdem glaubt Herthas Trainer: „Für die Zuschauer wird es sehr belanglos sein, ob ich da unten stehe. 300 werden pfeifen, 300 werden klatschen, dem Rest ist es egal.“ Vermutlich irrt er mit dieser Ansicht. Vizepräsident Söllner sagt, es werde ein sehr merkwürdiges Gefühl für alle werden. „Das Denkmal ist eingestürzt, der Respekt ist noch da“, sagt Thomas Weinmann, Borussias Fanbeauftragter. Wie Meyer auf dem Bökelberg empfangen wird? „Keine Ahnung“, sagt Weinmann. Meyers Abgang fand er „nicht so ruhmreich“, und mit dieser Ansicht steht Weinmann nicht allein. Die Unstimmigkeiten sind vor allem dadurch entstanden, dass Hans Meyer vor 13 Monaten nach seinem Rücktritt als Cheftrainer offiziell verkündet hatte, er werde nie mehr in diesem Beruf arbeiten. Dass er seine Meinung geändert hat, hat viele irritiert.“