Ballschrank
Der Sinn des Spiels ist vorbei
Kommentare deaktiviert für Der Sinn des Spiels ist vorbei
| Sonntag, 18. April 2004Auch if-Korrespondent Christoph Bieber ist am Samstag im Westfalenstadion in Dortmund, sieht aber ein ganz anderes Spiel: „Vom Münchner Ticketbüro in Block 70, Reihe 21, Sitz-Nr. 35 verfrachtet – im Oberrang und an der Grenze zur neu ausgebauten Nordostecke – gestaltet sich das Spiel recht übersichtlich, so viel Distanz wäre nicht nötig gewesen. Doch für Unterhaltung ist auch in unmittelbarer Nähe gesorgt: Die junge Sitznachbarin zur linken war offenbar noch nicht allzu häufig in einem Fußballstadion – ihr Outfit (schwarze Hose, weiße Bluse, graues Cardigan, Handtasche) lässt eher auf den Besuch eines Musicaltheaters schließen. Die Auslegung der Abseitsfalle bereitet sichtliche Probleme und die Bierdusche nach dem – selbstverständlich unberechtigten – Elfmeter für den BVB wird angewidert hingenommen. Erstaunlich ist allerdings die kommunikative Aktivität während des Spiels – weniger mit den Sitznachbarn, mehr mit dem Handy. Bis zum Abpfiff verlassen ungezählte Kurzmitteilungen das Teenager-Handy skandinavischen Fabrikats, teils werden andere Stadiongänger adressiert, teils externe Freunde informiert. Die enge Sitzordnung erschwert die gebotene Diskretion, und eine SMS muss dann doch aus den Augenwinkeln mitgelesen werden – Mitte der zweiten Halbzeit beginnt das Eintippen einer erstaunlichen Nachricht: „DER SINN DES SPIELS…“ – die Neugier des kritischen Fußballfreundes ist geweckt, konnten doch weder Dirk Schümer (in „Gott ist rund“), Klaus Theweleit (in „Tor zur Welt“) und schon gar nicht Hans-Ulrich Gumbrecht (in diversen FAZ-Glossen) diese Frage beantworten. „…IST VORBEI!“ Wie bitte – der Sinn des Spieles sei vorbei?! Das Ende der Geschichte ist erreicht? Nun breitet sich tiefe Ratlosigkeit aus, doch nebenan wird weiter gesimst. Die Auflösung fügt sich stimmig in das Bild vom Stadionmusical, beschreibt aber gleichzeitig die Situation auf der Fußballbühne: „BALLACK IST DRAUSSEN!“ Dem ist wenig hinzuzufügen. Außer vielleicht, dass Herr Ballack am Samstag nicht als fußballerischer Sinnproduzent aufgefallen ist, sondern diese Rolle bei den Bayern eine Halbzeit lang von den Herren Schweinsteiger und Hargreaves übernommen wurde. Aber das ist eine andere SMS…“
Sehr lesenswert! Die taz (17./18.4. 2029, sic!) blickt in ihrer Jubelausgabe zum 25. Geburtstag in die Zukunft der Liga und sieht – Oliver Kahn: „Auch diesmal verfehlte das berühmte Lächeln des Präsidenten der Deutschen Fußball-Liga seine Wirkung nicht: Bang Jui-Hang, Chef des chinesischen Fußballverbandes, zuckte zusammen, als habe sich unversehens ein hungriger Tiger in seinen Weg gestellt, ergriff dann aber doch tapfer die Hand, die ihm Oliver Kahn in bester Absicht darbot. Mit dieser symbolischen Geste im Palast des himmlischen Friedens in Peking war der Kooperationsvertrag zwischen der Bundesliga und der chinesischen obersten Spielklasse endlich perfekt. (…) „Es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte den Laden hier auseinander genommen“, beschrieb Kahn nach dem historischen Handschlag seine Gemütslage, „aber ich bin froh, dass wir uns gütlich einigen konnten“. (…) Der FC Bayern München wird zunächst zwei Jahre in der chinesischen Liga spielen, um die immense Popularität des Fußballs im Reich der Mitte und das Interesse an der Bundesliga weiter zu fördern. Danach wird der entsprechende Platz jede Saison von einem anderen Bundesligisten ausgefüllt. Ausgenommen ist nur Borussia Dortmund, das alle Rechte am Klub bis 2099 an den Disney-Konzern verpfändet hat und damit an den Wirtschaftsboykott der USA gegenüber China gebunden ist.“