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Ballschrank

Vermischtes

Oliver Fritsch | Freitag, 23. April 2004 Kommentare deaktiviert für Vermischtes

Markus Merk ist der Mittelpunkt des Champions-League-Halbfinals zwischen Porto und La Coruña (0:0) – sehr lesenswert! Maradonas „Tango der Selbstzerstörung“ (NZZ) – Gratulation an Stefan Reuter zu seinem 500. Bundesliga-Spiel (FAZ) – FR-Interview mit Karl Auer , Präsident 1860 Münchens; wird 1860 München ins Grünwalder Stadion zurückziehen? (SZ) u.v.m.

Das Spiel war erbärmlich, weil es der Schiedsrichter so wollte

Beim Halbfinale der Champions League notiert Thomas Klemm (FAZ 23.4.) Worte über die Leistung Markus Merks, des Schiedsrichters: „Wenn zwei sich streiten, leidet der dritte. Die Rolle des Leidenden spielte am Mittwoch abend der Leitende, und der hieß wieder einmal Markus Merk. Unter Pfiffen der knapp 50 000 Zuschauer und böser Kritik der Fußballprofis und Trainer verließ der Zahnarzt aus Kaiserslautern das Estadio do Dragão. Merk, der sich nach dem umstrittenen Elfmeterpfiff zugunsten von Borussia Dortmund den Zorn des unterlegenen FC Bayern München zugezogen hatte, stand auch vier Tage später im Kreuzfeuer der Kritik. „Das Spiel war erbärmlich, weil es der Schiedsrichter so wollte“, sagte der Portuenser Trainer José Mourinho, „in zehn, zwölf Jahren habe ich so etwas bei europäischen Wettbewerben noch nie gesehen“. Ein laut Mourinho zerfahrenes „Anti-Spiel“, das von den Nordportugiesen bemüht, aber einfallslos, und von den Galiciern rundum destruktiv geführt wurde, bekam der Unparteiische nie vollends in den Griff. Von der portugiesischen Sportzeitung „O Jogo“ wurde er gar als „Blechpfeife“ verhöhnt. Der FC Porto beklagte sich darüber, daß Merk den Spielfluß oft unterbrochen, ihm kurz vor Schluß einen Elfmeter verweigert und auf das Vortäuschen von Verletzungen seitens der Spanier nicht rigoros reagiert habe; La Coruña haderte mit der robusten Gangart des UEFA-Pokalsiegers des Vorjahres und der Roten Karte gegen Jorge Andrade, dessen kumpelhaften Kick in die Hüfte des am Boden liegenden Deco Merk als Tätlichkeit wertete. Eine Sicht, die nicht einmal der zuvor gefoulte Spielmacher vertreten mochte. „Er ist mein Freund“, sagte Deco über seinen Nationalmannschaftskollegen und früheren Mitspieler bei Porto, „ich glaube nicht, daß seine Aktion aggressiv gemeint war.““

of: Warum eigentlich klagen die Bayern über Merk? Sie müssen sich bei Merk doch bedanken, dass sie das Spiel gegen Dortmund immerhin mit zehn Spielern beenden – und nicht, wie es den Regeln entspricht, mit acht: Jens Jeremies erhält nach einer Tätlichkeit gegen den Dortmunder Ewerthon nur die Gelbe Karte; Oliver Kahn nicht mal, obwohl er Merk den Vogel zeigt. Für die gleichen Vergehen sind kürzlich der Berliner van Burik und der Stuttgarter Zivkovic vom Spiel ausgeschlossen worden. Welch eine Gnade den Bayern zuteil wird! Und sie merken’s nicht mal.

Diego Maradona und Fussball sind eins

Sehr lesenswert! Peter Hartmann (NZZ 23.4.): „Der Patient, der hinter den Mauern des Spitals Suizo Argentina im vornehmen Barrio Norte im künstlichen Koma liegt, ist 43 Jahre alt und hat das Herz eines Greises. Er wiegt 40 Kilo zu viel, und er ist abhängig vom Kokain; eine Sucht, die vielleicht therapierbar wäre, er hat es vier Jahre auf Kuba versucht. Aber noch mehr ist er vom Fussball abhängig. Diego Maradona und Fussball sind eins, seit er als Dreijähriger von seinem Onkel einen Ball geschenkt erhielt, in Villa Fiorito, einer Bidonville draussen im Niemandsland von Buenos Aires, wo die Rauchschwaden der brennenden Abfallberge die Sonne verhüllen. Als 11-jähriger Däumling jonglierte er in den grossen Stadien von Buenos Aires in den Matchpausen mit dem Ball, mit 16 spielte er in der Nationalmannschaft. Jung war er nie, aber mit 20 bereits ein Kandidat für die Unsterblichkeit. Doch unsterblich ist in Argentinien nur, wer tot ist. Maradona hatte am letzten Sonntag seinen beiden Töchtern Giannana und Dalmita im Restaurant wieder diese hinreissende Seehund-Zirkusnummer vorgezaubert: Statt eines Balles liess er eine leere Flasche auf der Stirn tanzen, und der unförmige Körper schaukelte mit animalischer Geschicklichkeit. Später sah er sich in der Bombonera seine Boca Juniors an, aber es ging ihm schlecht. Die Nacht zuvor hatte er durchgefeiert, mit einem Fleischgelage in der Vorstadt General Rodriguez. Im Schlaf geriet Erbrochenes in seine Lunge, und diese Infektion löste nach Ansicht der Ärzte den Zusammenbruch aus, mit einer schweren Herzinsuffizienz, und wahrscheinlich war auch wieder eine gefährliche Menge Kokain im Spiel, wie am Neujahrstag der Jahrtausendwende, als er im uruguayischen Badeort Punta del Este nach einer Überdosis das rettende Spital erreicht hatte, noch auf eigenen Beinen. Damals flüchtete er aus der erstickenden Anteilnahme der Argentinier nach Kuba als Gast Fidel Castros, der die Entziehungskur des schillernden Kranken als eine willkommene Möglichkeit betrachtete, das medizinische System der Zuckerinsel ins mediale Schaufenster zu stellen. Der Revolutionspatriarch im Spätherbst seiner Macht und der kaputte Star, der seine Läuterung erfährt. Er kokst bereits seit 1983. Den Stoff lernte er im Barrio Chino von Barcelona kennen, als ihn eine langwierige Bänderverletzung erstmals aus der Bahn warf. Gegen Coppola strengte er vor wenigen Wochen einen Prozess wegen Unterschlagung einer Million Dollar an, deshalb kehrte er auch nach Buenos Aires zurück. Schon sein erster Manager, der durch Kinderlähmung behinderte Jugendfreund Jorge Cyterspiler, dem er das Studium bezahlt hatte, betrog ihn um zwei Millionen Dollar. Maradona hat in seiner Karriere schätzungsweise 30 Millionen Dollar verdient. Das Geld geht zur Neige. In Neapel, wo er ein Leben zwischen Delirium und Depression führte, hat er das Bild einer Ikone zurückgelassen, aber auch den nicht akzeptierten unehelichen Sohn Diego jun. und eine gewaltige Steuerschuld, die mittlerweile auf 30 Millionen Euro angeschwollen ist. Der Arzt Edoardo Kalina, der ihn in Argentinien erfolglos behandelte, diagnostizierte ein „Popeye-Syndrom“: Wie der Spinatheld, der durch das Gemüse Riesenkräfte entwickelt, spüre Maradona, „der seinen unförmigen, nicht mehr kontrollierbaren Körper hasst, beim Sniffen das Gefühl von Kraft und Unverletzlichkeit“. Das Magazin „Noticias“ publizierte einen erschreckenden Befund: Maradona leide an Nekrosis, einer fortgeschrittenen Schädigung des Gehirns durch jahrelangen Drogenmissbrauch, die zu irrationalen Aussetzern im psychischen Verhalten führt. Sein Herzleistung ist auf weniger als 50 Prozent geschrumpft, letztlich hilft ihm nur eine Transplantation. Maradona ist in der Spirale seiner Selbstzerstörung auch ein Gefangener seiner eigenen Legende. (…) Als der italienische Radrennfahrer Marco Pantani in Rimini an einer Überdosis Kokain starb, war Diego Armando Maradona nur 100 Kilometer entfernt für einen Sponsorensold als Narr verkleidet am Karneval in der Kleinstadt Pieve di Cento aufgetreten. Er ahnte vielleicht noch nicht, wie nah er dem Tod war.“

Ausschweifungen und Stefan Reuter? Davon ist in der Welt des Fußballs nichts bekannt

Roland Zorn (FAZ 23.4.) beglückwünscht Stefan Reuter zu seinem, bevorstehenden, 500. Bundesliga-Spiel: “Bei anderen ist diese Ziffer wie eine Girlande hochgehängt und bestaunt worden. Bei Stefan Reuter aber fragt sich mancher: „Wie? Erst 500 Bundesligaspiele?“ Der bodenständige Franke, der in Dortmund seßhaft geworden ist, gehört in seinem Beruf zu jenen hochgeschätzten Profis, bei denen nur selten nach dem Alter und schon gar nicht nach der Zahl seiner Einsätze gefragt wird. Reuter scheint immer dagewesen zu sein – frei nach dem Motto eines großen Automobilherstellers: Und läuft und läuft und läuft. (…) Reuters beharrliche Spielweise, seine Zähigkeit im Zweikampf, sein leichtathletisch grundierter unauffälliger, schnörkelloser Stil bieten keinen Raum für Schwärmereien und Träumereien. Der erste Diener und Chef seiner Mannschaft tut Spiel für Spiel seinen Job – und das ist eine ganze Menge, bedenkt man, wieviel Kraft, Energie, Tempo und Unbeugsamkeit für seine Art, mit Ball und Gegner umzugehen, vonnöten sind. Stefan Reuter, einst als Läufer bayerischer Crossmeister, entstammt einer sportlichen Familie – Vater Leichtathlet, Mutter Handballspielerin – und hält seine immergrüne Fitneß auch für „genetisch bedingt“. Er, der in jungen Jahren 10,7 Sekunden über die hundert Meter lief, hat einen Kreuzbandriß (1992) und einen Knorpelschaden (2000) aber auch deshalb spurlos überstanden, weil er mit seinem Körperkapital äußerst pfleglich umgegangen ist. Ausschweifungen und Stefan Reuter? Davon ist in der Welt des Fußballs nichts bekannt.“

Ich bin immer einen geraden Weg gegangen
FR-Interview mit _Karl Auer, Präsident 1860 Münchens

FR: Inwiefern haben Sie denn die Wucht der Medien unterschätzt?
KA: In der Wirtschaft arbeitet man eher anonym. Ich habe gewusst, dass gewisse Ansprüche da sind, aber dass das so extrem ist, war schon überraschend.
FR: Woran lag es denn, dass das Duo Auer/Zehetmair gescheitert ist?
KA: Wir sind gemeinsam angetreten, aber man lernt sich auch erst in der täglichen Arbeit kennen. Er hat durch seine langjährige politische Erfahrung eine andere Auffassung als ich. Es war besser, einen Schnitt zu machen.
FR: In den Medien ist der Eindruck erweckt worden, Sie seien als Marionette installiert worden.
KA: Das Wort Marionette stimmt nicht. Ich bin immer einen geraden Weg gegangen. Sonst hätte ich ja auch nicht über Jahrzehnte eine Firma leiten können.
FR: Scheinbar wachsen Sie mit Ihrer ungewohnten Aufgabe.
KA: Am Anfang war das alles Neuland, auch was den Umgang mit den Medien angeht. Ich bin über Nacht in das Amt gekommen und hatte vorher noch nie ein Fernsehinterview gegeben. Aber ich stelle mich dem Interesse und mit jedem Interview wird man sicherer.
FR: Sportdirektor Dirk Dufner hat gesagt, dass Sie den Verein im Geiste ihres umstrittenen Vorgängers Karlheinz Wildmoser weiterführen.
KA: Er meint damit, dass der Verein in der ersten Liga bleibt und gewisse Dinge, wie zum Beispiel die hervorragende Jugendarbeit, fortgesetzt werden. Aber ich sage nicht, ich möchte den Herrn Wildmoser kopieren. Dann wäre ich nicht der richtige Mann für dieses Amt.

Gerald Kleffmann (SZ 21.4.) schildert die Spekulationen über eine mögliche Heimkehr 1860 Münchens: „Für mehr Unruhe als der Verkauf des Publikumlieblings Lauth könnte Detlef Romeikos (Geschäftsführer 1860 Münchens) zweite Überlegung in München sorgen. „Man muss schon mal überlegen, ob man mal ins Grünwalder ausweicht“, sagt er. Das Grünwalder Stadion war jahrzehntelang die Heimat von 1860, ehe der Klub Mitte der Neunziger ins Olympiastadion umzog. Viele treue Anhänger fühlten sich dadurch entwurzelt und verraten, noch heute arbeitet eine Fraktion aktiv auf eine Rückkehr ins alte Stadion hin. Bisher vergebens, bis auf ein Gastspiel im UI-Cup vor zwei Jahren spielte 1860 im Olympiastadion. Wieso der Verein nun anders denkt, begründet Romeiko so: „Nehmen Sie mal an, wir spielen in einem DSF-Livespiel am Montagabend vor 3500 Zuschauern im Olympiastadion – das tut schon weh.“ Im Grünwalder Stadion, so viel steht fest, wäre die Stimmung deutlich besser, bliebe nur die Frage: Ist eine Rückkehr, und sei sie nur gelegentlich, überhaupt möglich? Ja und nein. Ja, weil der Rasen intakt ist, er wird ständig gepflegt. Die Amateurteams der Löwen und der Bayern bestreiten im Grünwalder Stadion regelmäßig ihre Heimspiele. Nein, weil die Anlage nach dem jetzigen Stand nicht den Richtlinien des Profifußballs entspricht. Seit sechs Jahren wurde nichts renoviert, die Mauern, Stufen und Sitzplätze sind porös und renovierungsbedürftig. Die Westkurve ist aus Sicherheitsgründen komplett gesperrt, im Presseraum muss man den Kopf einziehen, so niedrig sind die Decken gebaut. Parkplätze gibt es nicht. Um den Bauauflagen der DFL gerecht zu werden, müsste vieles modernisiert werden, was teuer werden dürfte. „Eine sechsstellige Summe ist da ganz schnell zusammen“, sagt Rudolf Behacker, der Sportamtsleiter München; das Grünwalder Stadion ist im Besitz der Stadt, die bisher für jegliche Kosten rund um die alte Arena aufkam. Sollte 1860 eine Rückkehr samt Modernisierungsmaßnahmen erwägen, streikt aber Behacker: „Erst mal wäre ein Gutachten notwendig. Und dann müsste man sich über die Höhe und Verteilung der Kosten unterhalten.“ Das heißt: 1860 müsste mitfinanzieren. Bei der klammen Lage des Vereins wäre jedoch sehr fraglich, ob der TSV das kann. Ein weiteres Hindernis wäre ein Vorstandsbeschluss aus der Ära Wildmoser, der besagt: Die Löwen bestreiten alle Heimspiele im Olympiastadion und ab 2005 in der Allianz-Arena. Sollte dieser Beschluss gekippt werden, folgt das nächste Dilemma: Wann sollten die Löwen ins Grünwalder Stadion zurückkehren? Behacker erklärt, dass es wohl frühestens ab übernächster Saison ginge, denn das Lizenzierungsverfahren für die kommende Saison wurde ja gerade erst durchgeführt. 1860 hätte darin bereits das Grünwalder Stadion als potenziellen Spielort angeben müssen. Noch ist vieles Spekulation, 1860 nicht abgestiegen.“

Ronglish

Im Medien-Buch der SZ (23.4.) lesen wir: „In der Premier League sitzen fast nur noch smarte Weltmänner mit Fremdsprachen-Diplom auf den Trainerbänken. Männer der alten Schule wurden mit ihren Lammfelljacken und Goldkettchen in die unteren Divisionen abgeschoben. Wenn sie, wie Ron Atkinson, 65, großes Glück hatten, ergatterten sie einen Kommentatorenplatz. 200 000 Pfund lässt sich der Privatsender ITV die eigenwilligen Anmerkungen des ehemaligen Managers von Manchester United und Aston Villa kosten. Atkinson spricht während eines live übertragenen Spiels stets das offen aus, was der Fan denkt und sich der Kommentator nicht traut. Manchmal erfindet „Big Ron“ einfach neue Begriffe: „Ronglish“ heißen diese ungestümen Neologismen in der Mediensprache. Dienstag foulte sich Big Ron allerdings vom Platz. Nach der Niederlage des FC Chelsea hatte ITV bereits ins Studio geschaltet, als Atkinson – erzürnt über das Spiel – Chelseas französischen Profi Marcel Desailly als „fucking lazy nigger“ beschimpfte. In Ländern wie Dubai und Ägypten war er dabei noch auf Sendung. Mittwoch räumte Atkinson seinen Posten: „Es gibt keine Entschuldigung. Das war der schlimmste Tag meiner Karriere, und ich hatte schon einige schlechte.“ Er sei „sehr traurig, denn im Fußball ist niemand weniger ein Rassist als ich.“ Atkinson hats sich bei Desailly entschuldigt und angemerkt, dass er als Trainer stets schwarze Spieler stets gefördert habe. Profis gaben Ehrenbekenntnisse für ihn ab – doch seinen Stadion-Job ist er los.“

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