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Bundesliga
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| Dienstag, 11. Mai 2004Sonntagsspiele in Bochum und Rostock – Paul Freier, Bochumer und Leverkusener Spekulationsobjekt – 1860 München erfährt das Mitleid der Beobachter; neuer Trainer Gerald Vanenburg schon in der Kritik – 1. FC Kaiserslautern, dieses Jahr so gut wie gerettet, doch wie geht es weiter? „die schlechte Phase wird sportlich und finanziell noch lange andauern“ (NZZ) u.v.m.
VfL Bochum – SC Freiburg 3:0
Alle Bochumer feiern, bis auf einen, meldet Richard Leipold (FAZ 11.5.): „Während die Bochumer auf die in solchen Fällen übliche Ablösesumme spekulieren, läßt Bayer offen, ob Freier in diesem Jahr wechseln soll oder, dann ablösefrei, im nächsten. Auf eine solche Hängepartie will der VfL sich nicht einlassen. Cheftrainer Peter Neururer kündigte an, er werde nach dieser Saison in jedem Fall auf Freiers Dienste verzichten. „Ob er dann noch einen Vertrag bei uns hat, weiß ich nicht, aber er wird in der nächsten Saison definitiv nicht mehr für den VfL Bochum spielen.“ Mit dieser Drohkulisse hofft der Trainer die ins Stocken geratenen Verhandlungen zu beleben. „Wollen doch mal gucken, ob Leverkusen einen Spieler verpflichtet, der ein Jahr auf der Tribüne sitzt – und sie haben ihn ja verpflichtet.“ Auf diese Möglichkeit habe er den Leverkusener Manager Reiner Calmund und auch den Bayer nahestehenden DFB-Teamchef Rudi Völler hingewiesen. Der Bochumer Trainer will seine Ankündigung nicht als Bluff in einem grotesken Transferpoker verstanden wissen. „Die denken vielleicht, ich rede viel“, sagt Neururer, „aber ich falle nicht um.“ Sein Entschluß, ohne Freier zu planen, sei mit der Vereinsführung abgestimmt. „Ich habe die Rückendeckung des Präsidenten.“ Die Leverkusener wollen offenbar abwarten, ob sie wenigstens einen ihrer Spitzenverdiener teuer verkaufen können. (…) Der sportlich hochveranlagte, aber einfach strukturierte Freier ist in einen Widerstreit der Interessen von Vereinen und „Beratern“ geraten, auf den er keinen Einfluß mehr hat. Vor diesem Hintergrund wird allmählich klar, warum er seit vielen Wochen unter Form spielt, obwohl seine Bochumer Kollegen Fußball nach dem Lustprinzip zelebrieren.“
Hansa Rostock – 1860 München 3:0
München spielte fast mitleiderregend
Dirk Böttcher (taz 11.5.) schildert Rostocker Easy-Going und Münchner Tristesse: „“Wir wollen Freibier für alle“, hatte der Anhang bereits ab der 75. Minute skandiert, und der Verein tatsächlich zog sich die Spendierhosen an: Bis 20 Uhr trank halb Rostock auf Hansas Deckel, woraufhin die Spieler noch beim Auslaufen gefeiert wurden. Nach Ausschankschluss im Ostseestadion entwickelte sich vor den Stadiontoren ein spontanes Spiel: hundert gegen hundert mit einem Ball – was selbst die Polizei zu Freudentränen rührte. Weniger ausgelassen ging es bei den Münchener Löwen zu. Die sitzen nach der Niederlage derart tief im Abstiegsschlamassel, dass Präsident Karl Auer in den Katakomben bereits vom „sofortigen Wiederaufstieg“ nuschelte, der „selbstverständlich“ sei. Viel gab es ja auch nicht mehr zu sagen, nach diesem Nulldrei, von dem Gerald Vanenburg meinte: „Wir müssen damit zufrieden sein.“ Stimmt! Es hätte ebenso ein 0:5 sein können – und 1860 hätte immer noch zufrieden sein müssen. Münchens Trainer war der Einzige, dem es in Rostock trotzdem nicht die Sprache verschlug. Die Pressekonferenz eröffnete er mit der Feststellung: „Okay, das war heute nicht so schön für uns. Das Leben ist schwer, aber wir haben noch zwei Spiele.“ Und vier Punkte Rückstand wohlgemerkt. Der Gute-Laune-Trainer verriet: „Ich weiß, wo das Problem liegt.“ Nur sagen wollte er es nicht. Auf jeden Fall scheint es etwas Ernstes zu sein, denn München spielte fast mitleiderregend. (…) Im Spiel sah es dann meist so aus wie in der 62. Minute. Da stand Lance Davids an der Seitenlinie zum Einwechseln bereit und als Schiedsrichter Kircher die Partie unterbrach, um Davids Zutritt zum Spiel zu verschaffen, wollte kein Sechziger runter. Vanenburg brach den Vorgang ab, zeterte mit Davids – und das Spiel ging weiter. Eine Minute später folgte der zweite Versuch: Wieder Davids an der Seitenauslinie, wieder wollte keiner runter – bis Marco Kurz ein Einsehen hatte und vom Platz trottete. Die zum Abklatschen ausgestreckte Hand Vanenburgs übersah Kurz kurzerhand und trat dafür entschlossen und ausdauernd gegen die Auswechselbank. So energisch hatte man ihn in den ganzen 60 Minuten zuvor nicht erlebt.“
Elisabeth Schlammerl (FAZ 11.5.) sucht nach Ursachen des Münchner Niedergangs: „Vanenburg scheint ratlos. Der sonst immer so freundliche Holländer wollte am Tag nach dem Spiel nichts sagen, angeblich, weil er keine Zeit hatte. Er muß sich in seinem dritten Spiel als Trainer der „Löwen“ vorwerfen lassen, die Rostocker mit falscher Taktik zum Kontern eingeladen zu haben. Im Abstiegskampf mit drei Stürmern auf des Gegners Platz anzutreten ist beinahe schon fahrlässig. Allerdings hat das Münchner Desaster schon viel früher begonnen – spätestens am Ende der vergangenen Saison. Zum einen waren routinierte Profis wie Martin Max und Thomas Häßler aus Kostengründen durch Talente aus dem eigenen Nachwuchs ersetzt worden, zum anderen haben die „Sechziger“ Spieler verpflichtet, die als Schnäppchen galten, die Erwartungen allerdings nie erfüllten. Verantwortlich sind dafür in erster Linie der inzwischen zurückgetretene Präsident Karl-Heinz Wildmoser, außerdem der vor drei Wochen entlassene Trainer Falko Götz und Sportdirektor Dirk Dufner, der einzige aus dem Triumvirat, der noch im Amt ist. Die Frage ist, wie lange. Wahrscheinlich hat Präsident Karl Auer aber noch eine viel größere Sorge im Falle des Abstiegs: die der Finanzierung des Unternehmens zweiter Klasse.“
Joachim Mölter (FR 11.5.) berichtet Kritik an Trainer Vanenburg: „Die Fans fangen an, an ihm rumzunörgeln, obwohl sie ihn erst vor drei Wochen freudig als Retter begrüßt haben. Nun möchten sie wissen, wie er bloß auf die Idee gekommen ist, in Rostock mit drei Stürmern anzufangen. Der Holländer kann es ihnen nicht erklären, er muss noch schnell heim nach Eindhoven fliegen: Am Dienstag hat er eine Prüfung für die A-Lizenz als Trainer. „Der dritte Anfänger hintereinander, den sie geholt haben“, schimpft ein Anhänger auf die Clubverantwortlichen.“
Steht derzeit alles zur Disposition bei 1860?
Gerald Kleffmann (SZ 11.5.) fügt hinzu: „Noch ist nicht entschieden, ob Vanenburg bleibt, sagt Auer. Gespräche sollen folgen, diese Woche, nächste Woche. Der Präsident verriet: „Wir werden Fragen stellen, erwarten klare Antworten.“ Ob es so kommt, ist fraglich, bisher weiß keiner, was Vanenburg will. Zweifel regen sich ob dieses Zögerns, Hofmann deutete an, dass die Arbeit der Stimmungskanone Vanenburg auch kritisch betrachtet wird: „Götz war zu streng, bei Gerald haben wir nur einen Punkt aus drei Spielen.“ Und das mit drei verschiedenen Aufstellungen. Der oftmals unterschätzte Auer hat dies registriert, sein Kommentar zeigt ungewohnten Biss: „Wir denken auch über Alternativen nach.“ Trainer, Spieler, Taktik, Jugendkonzept, selbst die Rückkehr ins alte Grünwalder Stadion wird in Vereinskreisen wieder stärker diskutiert – steht derzeit alles zur Disposition bei 1860? Offenbar.“
Heinz-Wilhelm Bertram (FTD 11.5.) fasst zusammen: „Klaus Toppmöller, heute Trainer des Hamburger SV, ahnte es schon zu Saisonbeginn: „Ich hatte sie als Absteiger auf der Rechnung.“ Auch Andere wussten früh Bescheid. Schon vor dem Derby gegen den FC Bayern am 25. April hatte die Geschäftsführung begonnen, für die zweite Liga zu planen. „Sonst wären wir naiv“, sagt Geschäftsführer Detlef Romeiko. Einer, der im Grunde nicht mehr mitplanen muss, ist Sportdirektor Dirk Dufner. Die Entlassung des im April 2000 verpflichteten Juristen zum Saisonende gilt als sicher; die Mitglieder des Aufsichtsrates sind mehrheitlich gegen ihn. Dufner werden neben eher unspektakulären Flops vor allem die teuren Fehleinkäufe von Janne Saarinen (1,5 Mio. Euro) und Fernando (2,25 Mio. Euro) angelastet. Am schwerwiegendsten aber ist der Vorwurf, der Mannschaft in vier Jahren keinerlei Perspektive nach oben eröffnet zu haben. Zu einer schwierigen Angelegenheit werden die Finanzen des Vereins. Von knapp 13 Mio. Euro in der Bundesliga werden die Fernsehgelder auf gerade mal 2,7 Mio. Euro in der zweiten Liga sinken. Die große Mehrzahl der Sponsoren wird ihre Investitionen im Falle der Zweitklassigkeit um 50 Prozent reduzieren; Hauptsponsor Liqui Moly gab bislang 1,5 Mio. Euro pro Jahr. Firmeninhaber Ernst Prost schimpft jetzt: „Der ganze Zirkus im Umfeld hat einen Imageschaden verursacht. Ich weiß nicht, welche Sponsoren da zukünftig noch einsteigen.“ Immerhin, Hacker-Pschorr will es, ab der neuen Saison bis zum Jahr 2010. 6 Mio. Euro will die Brauerei geben. Aber: Als diese Zahl genannt wurde, standen die Löwen noch auf einem rettenden Rang. Bis zum 30. Juni 2005 läuft der Vertrag zwischen 1860 und der Olympiapark München GmbH, wonach die Löwen ihre Spiele im Olympiastadion austragen. Dieser Vertrag ist bindend; alle derzeitigen Diskussionen, die Sechziger würden im Falle eines Abstieges für ein Jahr ins Grünwalder Stadion – die morbide, altehrwürdige Arena an der Grünwalder Straße – zurückziehen, gehen an der Realität vorbei. Danach finden die Spiele, auch bei Zweitklassigkeit, definitiv in der neu erbauten Allianz-Arena statt. Entgegen vielerlei Gerüchten steht die Finanzierung für München 1860 auch im Falle eines Abstieges.“
Die schlechte Phase wird sportlich und finanziell noch lange andauern
Martin Hägele (NZZ 11.5.) kann nicht alle Sorgen und Bedenken in Kaiserslautern entkräften: „Als Klaus Fuchs, in der Fussballabteilung des VW-Konzerns zuständig für Marketing und Organisation, am Samstagmorgen in der Innenstadt von Kaiserslautern spazieren ging, traf er viele alte Bekannte. Manche von ihnen erzählten dem ehemaligen Geschäftsführer des Pfälzer Traditionsklubs, sie hätten sich inzwischen abgewandt vom Betzenberg. Fuchs: „Die Leute haben resigniert, die sind enttäuscht, was dort oben in den letzten Jahren abgegangen ist. Um den FCK herrscht Negativstimmung.“ Ein paar Stunden später wurde der leitende Angestellte des VfL Wolfsburg im Fritz-Walter-Stadion dann gewahr, dass der Mythos um seine alte Firma doch noch halbwegs lebt. Durch den 3:2-Erfolg gegen die Niedersachsen setzten sich die „Roten Teufel“ um vier Punkte aus der Abstiegszone ab; auch weil die zuletzt als „Null-Bock-Gruppe“ und wegen ihrer „Fremdenlegionärs-Mentalität“ an den Pranger gestellte Mannschaft in puncto Kampf und Einsatz imponierte. Dass diese Art von Teamgeist – früher eine Selbstverständlichkeit für jeden, der ein rotes Trikot trug – erst in allerhöchster Not geboren wurde, mochte selbst Coach Jara nicht verheimlichen: „Die Spieler wollten hier nicht als Absteiger gebrandmarkt werden und auch nicht als Absteiger zu einem anderen Klub wechseln.“ (…) Bevor es richtig Sommer wird im Fritz-Walter- Land, müsste nur noch geklärt werden, wer den Traditionsverein in welcher Form führt. Nachdem die Zugehörigkeit zur ersten Klasse zu 99 Prozent gesichert ist, könnte René C. Jäggi die Pfälzer nun ja verlassen, wie er das angekündigt hat. Der Schweizer müsste nur noch einen Nachfolger präsentieren. Andererseits favorisiert der Vorstandsvorsitzende die Umwandlung des Vereins in eine Kommanditgesellschaft – dann könnte er als gut bestallter Generalbevollmächtigter den FCK von Basel aus regieren. Ein moderner Pendler halt, wenn’s pressiert nimmt man den Helikopter, und die von Jäggi so geschätzte Medienpräsenz bliebe ihm erhalten. Die zweite Saison seines FCK- Mandats bescherte ihm längst nicht mehr so viele positive Schlagzeilen wie zu Beginn, als die Südwestregion dem Sanierer wie einem Heilsbringer zu Füssen lag. Demnächst startet vor diversen Gerichten eine ganze Reihe von Prozessen gegen die ehemalige Vereinsführung um die Vorstände Jürgen Friedrich, Robert Wieschemann und Geschäftsführer Gerhard Herzog, für Jäggi „Scharlatane, die den Goodwill der Menschen missbraucht haben“. Umgekehrt hat die alte Funktionärsriege ihren Nachfolger verklagt; der habe sich mehrfach bei Personalentscheidungen über die Satzung und das Aufsichtsratsgremium hinweggesetzt. Es werden auf jeden Fall keine schönen Zeiten für Menschen, die mit dem Herzen an diesem Verein hängen. Und so, wie es aussieht, wird die schlechte Phase sowohl sportlich als auch finanziell noch lange andauern.“