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| Dienstag, 11. Mai 2004FC Valencia, „die beste, beständigste und leiseste Mannschaft“ (FAZ) – „Lifting für die alte Dame Juventus“ (NZZ) nach einer schlechten Saison u.v.m.
Ralf Itzel (BLZ 11.5.) erklärt das Erfolgsmodell FC Valencia, spanischer Meister: “In Spanien wird der FC Valencia nach dem Titel eines berühmten Films von Stanley Kubrick gerne „Clockwork Orange“ genannt. Orange wegen der Farbe der Trikots, Uhrwerk aufgrund der Funktionsweise. Jedes Rädchen greift in das andere, ist alleine nichts und wird bei Verschleiß sofort ersetzt und repariert. Der, der die Mechanik überwacht, heißt Rafael Benítez. Der Lebenslauf des 44-jährigen Trainers birgt einige Parallelen zu dem von José Mourinho, dem Erfolgscoach des Champions-League-Finalisten FC Porto. Beide büffelten schon in der Jugend Taktik, beide wählten nach einer bescheidenen Karriere als Kicker früh die Seitenlinie und haben in rund drei Jahren mit Sachverstand, Selbstsicherheit und Ehrgeiz vergleichsweise billige Mannschaften auf Sieg programmiert. Fußball wird von ihren Teams eher fabriziert denn zelebriert. Doch der Erfolg heiligt die Mittel. Wie in Porto stehen in Valencia die wichtigsten Akteure in der Abwehr.“
Paul Ingendaay (FAZ 11.5.) ergänzt: „Der Erfolg der Valencianer wäre weniger spektakulär, wenn er nicht vor der Kulisse des dramatischen Leistungseinbruchs bei Real Madrid stattgefunden hätte. Vor gut zwei Monaten führten die Stars um Zidane, Ronaldo und Beckham noch mit acht Punkten Vorsprung die Tabelle an und sahen wie der sichere Meister aus. Doch innerhalb weniger Wochen verspielten sie den Vereinspokal, die Champions League und am Ende, mit drei peinlichen Heimniederlagen in Folge, auch die Titelverteidigung in der Primera División. Valencia dagegen hat jedem Druck standgehalten, seine Fehler erkannt und stillschweigend korrigiert. Dabei wird niemand behaupten, das Team spiele Traumfußball. Für die großen Momente sorgen meistens andere: Real Madrid, wenn seine überragenden Künstler einen guten Tag erwischen; der FC Barcelona mit seiner leidenschaftlichen Aufholjagd in der Rückrunde, die erst nach siebzehn Spielen ohne Niederlage gebremst wurde; oder Deportivo La Coruña wie bei seinem legendären Sieg gegen den AC Mailand. Wenn es aber eine Mannschaft gibt, die sich selbst kennt und aus ihren Möglichkeiten alles herausholt, dann ist es der FC Valencia. Trainer Benítez hat früh begriffen, daß die Belastungen des europäischen Pokalwettbewerbs sowie einer Ligasaison mit 38 Spieltagen ohne vernünftiges Rotationsprinzip nicht zu überstehen wären. Wovon bei Real Madrid die Physiotherapeuten redeten, als wäre es eine Geheimwissenschaft, das praktizierte Valencia nüchtern und konsequent: Selbst ein wichtiger Mann wie Nationalspieler Baraja wurde immer wieder vom Feld geholt und zur Schonung gezwungen.“
Attraktives Kurzpassspiel mit schnellen Triangulationen
Georg Bucher (NZZ 11.5.) blickt auf die Rückrunde der Primera Division zurück: „Am Sonntag gedachte die spanische Metropole am Rio Turia ihrer Patronin, der Jungfrau der Schutzlosen, und feierte zugleich die sechste Landesmeisterschaft des Valencia FC. Wie vor zwei Jahren in Malaga wurde der Titel in Andalusien perfekt gemacht. Mit einem 2:0-Sieg gegen Sevilla durchliefen die Spieler von Rafael Benitez das Ziel. Am 19. Mai im Uefa-Cup-Final gegen Marseille können die Levantinos ihrem Palmarès eine weitere Trophäe hinzufügen. Was umso erstaunlicher ist, als Sparzwänge das Verhältnis zwischen Präsidium und Trainer im vergangenen Sommer arg strapaziert hatten. Davon unbeeindruckt zeigte die ausgeglichen besetzte Equipe mit nüchtern-minimalistischen Auftritten Beständigkeit, die den Unterschied zu den Starteams aus Madrid und Barcelona markierte. Deren Niederlagen hatten die Vorwegnahme der Fiesta nach der drittletzten Runde erst ermöglicht. Mit einer aussergewöhnlichen Performance in der Rückrunde (42 von 48 möglichen Punkten) war der FC Barcelona aus der unteren Tabellenhälfte an die Spitze vorgestossen. Der lange umstrittene Trainer Frank Rijkaard wurde als Fachmann akzeptiert, und Ronaldinho entwickelte sich vom Nur-Ballkünstler zur charismatischen Figur. Auch Angebote jenseits von Gut und Böse wie jenes von Chelseas Krösus Abramowitsch könnten den Publikumsliebling nicht aus Katalonien weglocken, versichert der Präsident Joan Laporta. Da die Mannschaft attraktives Kurzpassspiel mit schnellen Triangulationen verbindet, der im Dezember von Juventus ausgeliehene Edgar Davids Abwehr und Mittelfeld gleichermassen stabilisiert hat und Ronaldinho weiterhin Tore (insgesamt 14) garantiert, scheint Barça auch in der Lage, den schwächelnden Titelhalter Real Madrid vom zweiten Platz zu verdrängen und direkt in die Champions League einzuziehen.“
Juventus Turin steht nach einer schwachen Saison vor einem Schnitt; Peter Hartmann (NZZ 11.5.) teilt mit, warum und wohin die Reise geht: „Es war nicht klar, ob Marcello Lippi im Stadio delle Alpi einfach dem Ausgangstunnel zustrebte. Er begann zu traben. Aber dann setzte von den Rängen der Beifall ein wie warmer Regen, und der Trainer, der mit Juventus fünf Meistertitel und eine Champions League gewonnen hat, beschleunigte seine Schritte. Es wurde eine Ehrenrunde daraus, Lippi fiel sogar in einen gemässigten Freuden-Galopp – am Ende einer Saison, die eine einzige Enttäuschung wurde mit dem dritten Platz und dem frühen Abschied aus der Champions League. Der früh ergraute Trainer, der so aussieht wie Paul Newman vor 20 Jahren, nahm seine Brille ab und rieb sich einige Tränen aus den Augen. Ein Mann zeigte Gefühle. Mit 56 hat er einen Zyklus beendet, wie die erkaltete Mannschaft, von der er sich jetzt trennt. Juventus muss sich neu erfinden, und Lippi wird wahrscheinlich Nachfolger des Commissario tecnico Giovanni Trapattoni, es sei denn, Italien wird Europameister und „Trap“ macht weiter. Der Schnitt wird hart sein. Vor drei Jahren war dem Generaldirektor Luciano Moggi ein Geniestreich gelungen, als er den Star Zidane an Real verkaufte und der Squadra mit Buffon, Thuram und Nedved ein neues Rückgrat einpflanzte. Juventus gewann zweimal in Folge die Meisterschaft und verlor vor einem Jahr den Final der Königsklasse erst in der Penalty-Lotterie gegen Milan. Die Marktstrategie hängt vom neuen Trainer und von den Zwängen des Sparens ab, denn nach sechs Jahren mit positiven Jahresabschlüssen ist nun auch die „alte Dame“ trotz aller Bilanzkosmetik mit rund 30 Millionen Euro ins Minus gerutscht. (…) Das Fiasko von Juventus hat sich über Monate hinweg angekündigt. Es war begleitet von sporadischen Einvernahmen in einem langwierigen Dopingprozess – das mag Zufall sein, hat aber immer wieder Spekulationen um den „muskulösen“ Stil von Juventus angeheizt. Die Leistungseinbrüche einzelner Spieler waren frappant. Pavel Nedved, Europas Fussballer des (vergangenen) Jahres, über den Lippi witzelte, er renne „auch noch im Schlaf“, verfiel in eine Art Leerlauf. Der Sympathieträger Alessandro Del Piero musste zwei längere Verletzungspausen einlegen und kam nie in Form. Er hat sich am letzten Freitag in einer völlig neuen Rolle versucht, als Verkünder der neuen Bescheidenheit: In einem überfüllten Hörsaal der Universität Turin (das Stadio delle Alpi hingegen blieb in dieser Saison halbleer) dozierte er vor der überwiegend weiblichen Studentenschaft über die Gründe, weshalb er und seine Kollegen eingewilligt haben, sich die Saläre um 30 Prozent kürzen lassen.“
Thomas Roser (NZZ 11.5.) skizziert die Lage des polnischen Fußballs: “Obwohl die Vorentscheidungen im Kampf um Meisterschaft und Abstieg gefallen scheinen, sind die Zuschauerzahlen in der chronisch krisengeschüttelten „Ekstraklasa“ am Steigen: Im April wurde anlässlich der Classique Lech Posen – Legia Warschau mit 29 000 gar der grösste Zuspruch an einem Ligaspiel im vergangenen Jahrzehnt registriert. Der stagnierende Transfermarkt im Westen hat den Exodus der heimischen Kicker gestoppt, einige „Legionäre“ gar zur Rückkehr nach Polen bewogen: Die Qualität hat sich dadurch merklich verbessert. Selbst das in der EM- Qualifikation kläglich an Lettland gescheiterte Nationalteam zeigte im letzten halben Jahr einen deutlichen Formanstieg. Immerhin konnten die „Weissen Adler“ im November in aller Freundschaft gar die hoch favorisierten Azzurri besiegen. Mit den Finanzproblemen des Liga-Sponsors Canal plus war der Grossteil der Klubs vor zwei Jahren in erhebliche Zahlungsschwierigkeiten geschlittert. Doch nach der kräftigen Absenkung der Spielergehälter sehen zumindest einige der Vereine etwas Licht am Ende des Tunnels: Das zuletzt anziehende Wirtschaftswachstum in Polen scheint die Suche nach potenten Sponsoren wieder zu erleichtern. Zur Freude der Fans zeitigen auch die Bemühungen des Fussballbundes PZPN zur Erneuerung der baufälligen Stadien endlich Erfolg. Mit Polonia Warschau und dem Aufsteiger Swit Nowy Dwor haben nun auch die letzten A-Klubs ihre Stadien mit Flutlicht aufgerüstet. In der neuen Saison sollen die Fans endlich auch besser vor den Widrigkeiten des Wetters geschützt werden. Nach den Plänen des Verbandes sollen Spielgenehmigungen nur für Stadien erteilt werden, die zumindest über eine überdachte Tribüne verfügen.“
Internationaler Fußball am Wochenende: Ergebnisse, Tabellen, Torschützen, Zuschauerzahlen NZZ