Ballschrank
Lautsprecher, Schaumschläger, harter Hund
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| Donnerstag, 3. Juni 2004Michael Martin (SZ 3.6.) kommentiert die Absage Christian Gross´ an Schalke 04. „Der Tonfall ließ auf Beiläufiges schließen, doch die Worte des Christian Gross waren von unerwarteter Klarheit. Es war bei einem Glas kalter Schokolade und einem Croissant, als der Trainer des FC Basel am Sonntag seelenruhig verkündete, dass er mit dem FC Schalke verhandle. Und weil Gross mit dem Streuen von Nachrichten zu seiner Person so zurückhaltend ist wie ein Chefkoch beim Salzen seiner Speisen, haben seine Sätze auch ein besonderes Gewicht erhalten. Um so schwerer wiegt, dass auch er sich nun in den Kreis der Schalke-Spekulanten eingetreten ist. Nach mehrtägigen Verhandlungen gab auch er dem Bundesligisten und dessen seit Monaten suchenden Manager Rudi Assauer am Montag einen Korb. Nicht ohne damit seine Stellung beim bisherigen Arbeitgeber sowohl finanziell wie sportlich erheblich verbessert zu haben. Für Schalke ergibt sich daraus eine traurige Parallele: Am Wochenende hat der Wunschkandidat Felix Magath erklärt, er wolle lieber sein angefangenes Werk beim VfB in Stuttgart fort führen. Schalke sieht sich nun in einer Position wie selten ein Bundesligist zuvor: Mit dem Namen des Vereins verbessern reihenweise Übungsleiter ihre Bezüge und Perspektiven.“
Gibt es denn keine willigen, fähigen Trainer mehr?
Ralf Wiegand (SZ 3.6.) fragt sich. „Gibt es denn keine willigen, fähigen Trainer mehr? In Deutschland ist es seit Jahr und Tag so: Über allen schwebt Ottmar Hitzfeld, und dahinter geht’s zu wie in einer gebärfreudigen Monarchenfamilie – dauernd neue Kronprinzen. Einst war es Winnie Schäfer, dem Größe und Ausstrahlung unterstellt wurden, einen Topklub leiten zu können – bis er in Stuttgart unterging. Es kam und ging Christoph Daum. Der Stern des Klaus Toppmöller verglühte in Leverkusen schneller, als er aufgegangen war. Volker Finke hat sich in Freiburg fest betoniert als sein eigenes Denkmal. Die vorhergesagte Karriere des Fußball-Professors Ralf Rangnick steckt in Hannover im Stau. Noch jemand ohne Fahrschein? Ruhm ist vergänglich, der Ruhm von Trainern aber welkt noch schneller als Blattsalat. Warum nur? Viele der hoffnungsfroh Gescheiterten bezogen ihren Charme aus Pointen, dem Lauf über Scherben, dem Knallfrosch in der Umkleide, den Geldscheinen an der Kabinentür, dem Training im Zelt. Effekte, bestaunt als Innovation und doch nur die Masche guter Darsteller. Außerdem sind Trainer in ihrem exponierten Beruf ideale Opfer der deutschen Eigenart, die aus der schönen Tradition des Tontaubenschießens entstanden sein muss: Erst werden sie mit Druckluft in den Himmel gejagt und dann freudvoll wieder heruntergeholt. Man findet manche nie wieder, und wenn, dann exakt etikettiert: Lautsprecher, Schaumschläger, harter Hund, also eher schwer vermittelbar.“
Niveaulose Polterei
Thomas Kilchenstein (FR 3.6.) wird ihn nicht vermissen. „Werner Lorant, Jahrgang 48, hat nie verheimlicht, dass ihm so etwas wie Anstand oder Benehmen oder Respekt schnurz ist. Wer anderer Meinung war als der Zampano, den hat er niedergeplärrt, ruppig und roh. Er hatte ja immer Recht. Der gelernte Anstreicher nölte und brüllte rum, wie es ihm beliebte. Das wirkte auf andere oft peinlich, Lorant indes fand nie etwas peinlich. Wieso auch? Lorants Welt ist ein Fußball. Sein Horizont findet seine natürliche Grenze am Stadionausgang. Deshalb lernt der Rüpel auch nichts dazu: Mit Geld-, Spiel- oder Platzsperren ist ihm, dem vielfachen Wiederholungstäter, nicht beizukommen. Zumal ihm die niveaulose Polterei nicht geschadet hat. Der Fußball hat ihn wohlhabend und unabhängig gemacht, erst als Spieler, dann als Trainer. Auch weil lange Zeit ein barocker Präsident wie Karl-Heinz Wildmoser bei 1860 München seine schützende Hand über den ewig brüllenden Proleten gehalten hat. Vermutlich glaubt Lorant noch heute, er sei so etwas wie eine Type, eine Reizfigur, die der Bundesliga fehle. Das ist er nicht.“
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