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Improvisiertes Fußball-Proseminar
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| Donnerstag, 3. Juni 2004Christian Zieges Glück – „mit Zinedine Zidane feiert sich Frankreich als offene Gesellschaft und schöne Republik“ (Spiegel) – der lange Weg Lettlands u.v.m.
Improvisiertes Fussball-Proseminar
Dario Venutti (NZZ 3.6.) berichtet den Sieg Deutschlands gegen Schweiz: “Das Spiel begann mit einem improvisierten Fussball-Proseminar für Ludovic Magnin. Der linke Schweizer Aussenverteidiger erhielt von Goalie Stiel einige Grundkenntnisse über das Stellungsspiel unter besonderer Berücksichtigung deutscher Gegnerschaft vermittelt. Stiel konnte den Unterricht einigermassen gelassen vortragen, weil vor seinem Tor keine unmittelbare Gefahr aufkam. Dennoch verkörperte Magnin, der in der Rückrunde im Team des deutschen Meisters Werder Bremen aus Verletzungsgründen nie zum Einsatz gekommen war, die Defizite der Schweizer Mannschaft in der ersten Halbzeit: fehlende gedankliche Frische, Schwierigkeiten im Spielaufbau und Nachlässigkeiten im defensiven Bereich. Dass sich die Probleme allerdings nicht auf die linke Abwehrseite und die Person Magnins beschränkten, verdeutlichte die erste Viertelstunde, in der die Deutschen der Schweiz eine Lektion in schnellem Angriffsfussball für Fortgeschrittene erteilten. In dieser Phase zeigte sich, dass die dürftigen Auftritte der SFV-Auswahl in den Testspielen gegen Marokko (1:2) und Griechenland (0:1) dieses Jahres nicht von ungefähr kamen. Neu war das Tempo des Gegners, das die Abwehr zeitweise überforderte. Trotzdem erarbeiteten sich die Deutschen mit Ausnahme eines Schusses von Klose keine Torchancen. Die Wirkung ihrer Angriffe verpuffte meist an der Strafraumgrenze. Bis dorthin hatten die Schweizer jedoch wenig entgegenzusetzen.“
morgen mehr über dieses Spiel
Es gibt Medien, mit denen ich nicht mehr sprechen werde
Interview mit Jens Nowotny auf Spiegel-Online
SpOn: Als Sie im Frühjahr in die Bayer-Elf zurückkehrten und Ihre Leistungen nach der langen Pause eher durchwachsen waren, sind Sie scharf, bisweilen auch unfair angegangen worden. Prallt solche Kritik an einem gestandenen Nationalspieler ab?
JN: Abprallen ist zu viel gesagt. Ich habe mir damals durchaus meine Gedanken gemacht und genau beobachtet, wer zu mir gehalten hat und wer nicht, wer die Schwere einer solchen Verletzung auch tatsächlich beurteilen kann und wer dagegen einfach nur billige Schlagzeilen produzieren möchte. Und aus diesen Beobachtungen habe ich meine Konsequenzen gezogen, die ich bis ans Karriereende durchzuhalten gedenke.
SpOn: Welche sind das?
JN: Es gibt fraglos Medien, mit denen ich nicht mehr sprechen werde. Namen werde ich hier aber nicht nennen.
SpOn: Ihr Leverkusener Mannschaftskamerad Carsten Ramelow ist aus ähnlichen Beweggründen aus der Nationalmannschaft zurückgetreten. Hat er mit Ihnen darüber gesprochen?
JN: Nein. Ich glaube, dass man so etwas mit sich ganz alleine ausmachen muss. Natürlich wäre es gerade für mich und auch für Bernd Schneider schön gewesen, wenn Carsten dabei gewesen wäre, aber man muss seine Entscheidung respektieren. Er hat eigentlich immer und überall, im Verein und in der Nationalmannschaft, seinen Job klaglos und jederzeit verlässlich erledigt. Trotzdem hat er, mit Verlaub, von den Medien immer wieder auf die Fresse bekommen, vielleicht gerade, weil er ein eher stiller Typ ist und nicht zurückschlägt. Jetzt aber war das Maß wohl einfach randvoll.
SpOn: Sie selbst konnten stets auf die Loyalität von Teamchef Rudi Völler vertrauen. Hätten Sie diese Nibelungentreue erwartet?
JN: Für mich war es eminent wichtig, dass Rudi Völler mir immer zu verstehen gegeben hat: „Ich rechne ganz fest mit dir, du kommst wieder dahin, wo du bereits einmal warst und du bist dann auf jeden Fall gesetzt.“
SpOn: Dieser Vertrauensvorschuss könnte auch zur Bürde werden.
JN: Das stimmt; denn natürlich möchte man dann auch etwas zurückgeben und dieses Vertrauen auf gar keinen Fall enttäuschen.
Thomas Klemm (FAZ 3.6.) schildert Christian Zieges Glück: „Ziege lächelt und lächelt und lächelt. Egal, ob er in Winden den Trainingsplatz gemeinsam mit Miroslav Klose verläßt und die jugendlichen Fußballfreunde nur nach „Miro“ rufen. Gleichgültig, daß er bei seiner Einwechslung gegen Malta von vielen Freiburger Fans ausgepfiffen wurde. Bedeutungslos, daß seine späte Nominierung in den Kader bei seinem Schalker Konkurrenten Jörg Böhme Empörung und in Teilen der Öffentlichkeit Unverständnis ausgelöst hat. Das Meckern stört Ziege nicht, für ihn ist das Badische zum Land des Lächelns geworden, ebenso wie es demnächst Portugal sein soll. „Die letzten 15 Monate waren eine schwere Zeit“, sagt der lange verletzte Fußballprofi von Tottenham Hotspur, „die EM hat mich mehr oder weniger am Leben erhalten.“ Ein bißchen Pathos schwingt immer mit, wenn der Zweiunddreißigjährige über die überraschende Gelegenheit spricht, nach zwei Welt- und Europameisterschaften an seinem fünften Großturnier teilnehmen zu dürfen. Schließlich ist es noch gar nicht so lange her, daß er die EM-Teilnahme weitgehend abgeschrieben hatte – und die Öffentlichkeit ihn. Vor anderthalb Jahren war es, „am 26. Dezember 2002″, wie Ziege stets exakt den Beginn seiner Leidensgeschichte datiert, als er nicht nur vor dem Ende seiner Profikarriere, sondern kurz vor der Invalidität stand. Auf einen harmlosen Pferdekuß am Oberschenkel folgte ein Blutstau, und nur eine Notoperation konnte verhindern, daß Ziege sein linkes Bein verlor. Kaum war der Nationalspieler wieder genesen, zog er sich beim Comeback einen Innenbandriß im Knie zu, litt anschließend an muskulären Problemen. In fünfzehn Monaten kam er gerade mal auf zehn Einsätze in der Premier League, lief dabei nur dreimal von Beginn an auf und kämpfte vergeblich um einen neuen Vertrag in Tottenham. Nun bietet die am 12. Juni beginnende EM eine neue Möglichkeit, nach zweijähriger Abwesenheit in der Nationalmannschaft wieder international auf sich aufmerksam zu machen. „Hier auf dem Rasen zu stehen, das ist, als ob du wieder neu mit dem Fußball anfangen darfst“, sagte Ziege.“
Mit Zinedine Zidane feiert sich Frankreich als offene Gesellschaft und schöne Republik
Ulrich Fichtner (Spiegel 29.5.) befasst sich mit dem Einfluss des weltbesten Fußballers auf das Befinden und die Identitätssuche Frankreichs: „Es gibt zwei Zidanes: Es gibt den Spieler auf dem Feld, den Souverän, den mutigen Entscheider am Ball, den Welt- und Europameister, den dreifachen Weltfußballer, den Champions-League-Sieger, den Meister Italiens und Spaniens, den Zidane, der jüngst bei einer Uefa-Umfrage zu „Europas bestem Spieler der vergangenen 50 Jahre“ gewählt wurde, den Zidane der fünf- bis zehnmal wiederholten Zeitlupe, wenn er wieder, in vollendeter Ballbeherrschung, etwas ganz, ganz anders gemacht hat. Und es gibt Yazid. Zinedine Yazid Zidane, den jüngsten Sohn algerischer Einwanderer aus dem entlegenen Dorf Taguemoune in der Bergwelt der Kabylei. Den treuen Ehemann von Veronique, den Vater von Enzo, Luca und Theo. Der keine Ferraris fährt, sondern praktische Vans. Der nicht in Villen wohnt, sondern in einer Reihe hübscher, alter Häuschen am Rand von Madrid. Der die Familie über alles stellt. Das ist der Zidane nach dem Schlusspfiff, ein Jedermann mit schütterem Haar und guten Augen. Ein Niemand, fast. Sein Leben, das sind mindestens diese beiden Geschichten. Ihre Kombination hat ihn zum beliebtesten Franzosen werden lassen. Jährlich findet diese Wahl mit großem Tamtam statt, und in diesem Januar landete er erstmals auf Platz eins. Die Franzosen lieben diesen Weltstar ohne Allüren. Sie verehren das Genie, das nicht über die Stränge schlägt. Aber trotz solcher Erklärungen bleibt Zidanes Erfolg eine unfassbare Erzählung, und spielte sie nicht in Frankreich, wäre sie die klassische amerikanische Geschichte. Der Roman eines Aufstiegs von weit unten nach ganz oben. Amerikanisch daran ist vor allem, dass hier ein Einwandererkind mit Ehren überschüttet wird. Das war bislang, in Europa, nicht wirklich vorgesehen. Mit Zidane feiert sich Frankreich als offene Gesellschaft, als schöne Republik. Natürlich beginnt diese Liebesgeschichte vor sechs Jahren, am 12. Juli 1998, als Frankreich und Brasilien um die Weltmeisterschaft spielten und die Blauen, les Bleus, durch zwei Tore von Zidane am Ende strahlend gewannen. Als sich die Mannschaftsaufstellung las wie ein blumiges Gedicht in elf Zeilen. Djorkaeff, Desailly, Karembeu, Thuram, Lizarazu, Barthez. In jener Nacht wurde Zidane zum Gesicht Frankreichs. Sein Porträt erstrahlte übermenschlich groß von der ganzen Fassade des Arc de Triomphe, überflammt von der Laserschrift „Merci, Zizou“. Die Champs-Elysées waren ein Menschenstrom in Bleu-Blanc-Rouge zu seinen Ehren, das ganze Land verschwand für Tage unter einer Glocke aus Stolz und Rührung, und die patriotischen Gefühle von Millionen reimten sich auf seinen Namen: Zidane. In jener Nacht wurde er adoptiert als größter Sohn der Nation, die er zum Weltmeister gemacht hatte. Diesen Titel zu erringen, im Fußball, produziert ein kollektives, flirrendes Glücksgefühl, wie es nur wenige gibt, und es teilt sich selbst Menschen mit, die den Sport verachten. Die Weltmeisterschaft zu erringen ist ein Gefühl wie: für alles entschädigt zu werden, alles richtig gemacht zu haben, endlich angekommen zu sein. Tatsächlich war die Euphorie in Frankreich so überwältigend, dass es für den Vorgang nur einen Vergleich gab: die Befreiung von der deutschen Besatzung 1944. Hervé Gattegno, der ernste Politikchef von Frankreichs großer Tageszeitung „Le Monde“, sagt noch heute, „ohne zu lächeln“, dass der von Zidane besiegelte Triumph im WM-Finale „alles“ verändert habe. Dass die Franzosen „niemals seit der Revolution von 1789 so stolz über die Botschaft waren, die sie der Welt schickten“. Die Botschaft lautete: Frankreich ist noch immer ein Modell, auch in Zeiten der Globalisierung, ist ein funktionierendes, kraftvolles Einwandererland. Auf dem Siegerpodest versöhnten sich die französischen Franzosen mit jenen, die aus Algerien stammten, aus Mali, aus Kamerun. Frankreich vergab sich die Katastrophen der eigenen Kolonialgeschichte, der Sieg wusch das kollektive Gewissen rein. Fünf Spieler der französischen Weltmeistermannschaft waren Einwandererkinder wie Zidane. Sie führten den sichtbaren Beweis, dass die Ideale der Französischen Revolution im Land ihres Ursprungs intakt waren. Dieses Gefühl wird nie in Deckung zu bringen sein mit der alltäglichen gesellschaftlichen Realität. Aber die Idee, dass die gemischte Gesellschaft zum Besten aller funktionieren kann und dass Frankreich dieses Beispiel gibt, davon lässt der Fußball die Franzosen träumen. (…) Aimé Jacquet sitzt in einem Dienstbotenzimmer im kleinen Schloss von Clairefontaine bei Paris, der nationalen Fußballschule Frankreichs, das Zimmer ist sein Büro. Er hat nach dem WM-Sieg den Chefposten hier übernommen. Er kann über Zidane reden wie ein Verliebter. Seine Anwesenheit allein löse schon viele Probleme, sagt Jacquet. „Das Spiel beruhigt sich, wenn er in der Nähe ist. Alle fühlen sich sicher, freier, fähiger.“ Das ist eine sehr gute Beschreibung. Zidane lässt seine Mitspieler durch seine Qualität eigene, neue Qualitäten entdecken. „Und dann schauen Sie“, ruft Jacquet begeistert, „ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie er sich manchmal zum Verschwinden bringt? Wie er den anderen immer wieder signalisiert, dass er nicht unersetzlich ist? Das ist es! Er führt das Spiel, indem er ihm dient.“ Vielleicht gibt es doch nicht zwei Zidanes. Nicht Zidane, den Großen auf dem Feld, und Yazid, den Kleinen außerhalb. Vielleicht macht auch auf dem Feld Yazid das eigentliche Geheimnis aus. Weil sich Zidane nicht aufdrängt als Führer, sondern immer nur anbietet als die beste Option. Weil er nicht Feldherr ist, sondern lediglich schnellste Schaltstelle. Vielleicht liegt in der Bescheidenheit, auch auf dem Platz, sein eigentliches Genie. Zinedine Yazid Zidane – ein kompletter Mensch und Spieler. Nie dribbelt er überheblich, um Zirkuskünste sinnlos zu zelebrieren. All seine Kunst untersteht dem Zweck des Spiels, dem einzigen Ziel des Fußballs, immer zieht Zidane zum Tor. Immer findet er neue Wege dorthin. Seine Aktionen lassen ganze Stadien stillstehen. Wenn er dem Spiel eben wieder eine ungeahnte Facette gibt, kann es geschehen, dass für Sekundenbruchteile aller Lärm erstirbt. In Madrid, Santiago Bernabéu, verschlägt es oft 75 000 Menschen hörbar den Atem, wenn Zinedine Zidane den Ball bewegt, darin liegt eine Feierlichkeit, die frösteln macht. In Frankreich wird es bald wieder Millionen so ergehen. Wenn die Blauen zur Europameisterschaft in Portugal auflaufen und sich die Nation zu Hause um den Fernseher schart. Das Land wird stillstehen, immer wieder. Für Bruchteile schöner Sekunden.“
Ich bewundere Franz Beckenbauer seit der WM 1966, jetzt sitze ich mit ihm beim Essen
Christoph Biermann (Zeit 3.6.) stellt uns Lettland vor, Deutschlands Gegner: „Janis Mežeckis dachte, er würde nie mehr zurückkehren, als er Lettland 1991 verließ. Der ehemalige Fußballprofi und Trainer verschiedener lettischer Klubs war fertig mit seinem Land, das in Agonie lag und ihm keine Perspektive mehr zu bieten schien. Als ein alter Freund ihn einlud, nach Belgien zu kommen und in seinem Textilhandel mitzuarbeiten, packte der damals 38 Jährige seine Sachen und brach auf. „Die Zeit dort hat mich völlig verändert, ich habe ein anderes Leben gelernt“, sagt er. Seine Erfahrungen mit dem Westen brachte er mit nach Riga zurück, als ihm 1993 überraschend angeboten wurde, Generalsekretär des lettischen Fußballverbandes zu werden. „Damals hatten wir kein Faxgerät, keine internationale Telefonverbindung und keinen Computer.“ Er kümmerte sich darum. Damals brachten die Nationalspieler zum Training ihre eigenen Sportsachen mit, er besorgte einen Ausrüster. Damit die Kinder auch im Winter Fußball spielen konnten, beschaffte er Kunstrasen aus Deutschland, der dort schon zehn Jahre benutzt worden war. „Einer der Ersten kam vom FC Bayern München“, sagt Mežeckis. Er liebt es, vom Nullpunkt der lettischen Fußballgeschichte zu erzählen. Seine Zuhörer sollen ein Gefühl dafür bekommen, wie weit der Weg zur Europameisterschaft in Portugal wirklich gewesen ist. Inzwischen sitzt Mežeckis in diversen Kommissionen der internationalen Fußballverbände und ist dort kein Exot mehr. „Ich bewundere Franz Beckenbauer seit der WM 1966, jetzt sitze ich mit ihm beim Essen, und er fragt mich über unsere Nationalmannschaft aus.“ Der große Marco van Basten hat ihm anerkennend auf die Schulter geklopft. „Es ist ein Wunder“, sagt Mežeckis. Im Besprechungsraum des lettischen Fußballverbandes in Riga sitzt er unter dem Souvenir, das an den Tag erinnert, als das Wunder geschah. Auf dem Wappen, einem Geschenk der türkischen Gastgeber zum Spiel gegen Lettland, ist das Datum vermerkt. Am 19. November 2003 holte die lettische Mannschaft in Istanbul einen 0:2-Rückstand auf und qualifizierte sich mit einem Unentschieden beim Dritten der letzten Weltmeisterschaft für den europäischen Fußballsommer in Portugal. Es war die Sensation des Jahres, und Tausende fuhren nachts zum Flughafen hinaus, um die Sieger zu empfangen. Am 19. Juni wird die Mannschaft von Rudi Völler gegen dieses lettische Team spielen, den größten Außenseiter des Turniers. In der Rangliste der Fifa steht das Land immer noch auf Platz 52, hinter dem Irak, Venezuela, Simbabwe und Jamaika. Vor der Qualifikation waren sogar Jordanien und Neuseeland noch besser platziert. Und gerade einmal drei Jahre ist es her, dass die lettische Nationalmannschaft gegen San Marino über ein torloses Remis nicht hinauskam. Danach wurde Aleksandrs Starkovs ihr Trainer. „Wir sind eine Familie“, sagt der Coach. Eigentlich sollte man nicht zu viel darauf geben, wenn Fußballmannschaften als Familien beschrieben werden. Zumeist wollen Trainer damit nicht mehr sagen, als dass die Spieler fest zusammenhalten. Doch die Welt des lettischen Fußballs ist tatsächlich so klein, dass man sie auch als Großfamilie beschreiben kann. Nur acht Klubs spielen den Landesmeister aus, gerade 120 Spieler verdienen hier ihren Lebensunterhalt. 3.000 Euro gelten schon als guter Verdienst. Wenn zu einem Punktspiel 2.000 Zuschauer kommen, ist das ein Spitzenbesuch, normalerweise kommen nur ein paar hundert. Fast alle Nationalspieler sind oder waren beim FC Skonto Riga unter Vertrag, der auch von Nationaltrainer Starkovs trainiert wird und seit der Unabhängigkeit 1991 alle Meistertitel gewonnen hat. Auf den ersten Blick könnte man ihn für einen Patriarchen alter Schule halten. Am Seitenrand schaut der 48-Jährige mitunter so regungslos zu wie einst Valeri Lobanovski, der große Trainer-Stoiker aus Kiew. Außerdem sagt Starkovs, dass er seinen russischen Kollegen Oleg Romantzew und den Italiener Fabio Capello bewundert, die beide als hart und unnahbar gelten. Doch man merkt ihm schnell an, dass demonstrative Härte nur eine seiner Facetten ist. (…) Maris Verpakovskis, 24, ist ein leichtfüßiger Stürmer mit jungenhaftem Charme und der strahlenden Aura eines Sonntagskinds. Sein Spiel gibt dem lettischen Team Glanz und eine heitere Note. Sechs Treffer hat er in den letzten sechs Qualifikationsspielen erzielt. In Istanbul schoss er die beiden Tore, die das Wunder wahr werden ließen. Er ist der Star des lettischen Fußballs. Die Liaison mit der Tochter des Bürgermeisters seiner Heimatstadt Liejepa ist die lettische Version der Beckham-Ehe.“