Ballschrank
Ikone Calmunds Abschied
| Mittwoch, 9. Juni 2004 Kommentare deaktiviert für Ikone Calmunds Abschied
„Reiner Calmund reißt bei Bayer ein dickes Loch“ (FTD) / „Abschied einer Ikone“ (FAZ) – Italien U21-Europameister
Ohne Stress kann er gesünder leben
Friedhard Teuffel (Tsp 9.6.) zollt Reiner Calmund Respekt: „Er hat mit 55 Jahren losgelassen von der Macht, er hat sich abgenabelt von seinem Kind Bayer Leverkusen. Er hat nun Rücksicht auf sich selber genommen. Es ist schließlich noch gar nicht lange her, da berichteten die Boulevardzeitungen besorgt über Calmunds Gesundheitszustand. Sie veröffentlichten ärztliche Gutachten und bildeten einen Defibrillator ab, der dem stark übergewichtigen Manager bei einer möglichen Herzattacke das Leben retten sollte. Calmund nennt sich „Stress-Fresser“. Ohne Stress kann er gesünder leben. Und wenn Bayer Leverkusen doch irgendwann einmal Deutscher Meister werden sollte, gehört der Titel trotzdem auch ein Stück Reiner Calmund.“
Schreckliche Angst vor dem Tod
Roland Zorn (FAZ 9.6.) klopft Calmund auf die Schulter: „Eine rheinische Type wie es sie im deutschen Profifußball, der mehr und mehr von Businessfachleuten geführt wird, so schnell nicht mehr geben wird. Der gewiefte Calmund war mit Leib und Seele Fußballmanager und blieb dabei immer ein Mann der Basis. Showallüren waren „Calli“ dabei ebenso wenig fremd wie folkloristische Auftritte, etwa in vereinsinternen Karnevalssitzungen. Als Freund der Spieler bewies der umtriebige Frechener in den verschwenderischen Jahren rund um die Jahrhundertwende eine Großzügigkeit, die ihn nicht nur beim Publikum sondern auch bei den Hauptdarstellern seines Gewerbes überaus beliebt machte. „Ich habe Hochachtung vor ihm und weiß, wie schwer es ihm fällt, Bayer Leverkusen zu verlassen“, sagte Holzhäuser am Dienstag über den „Dicken“, mit dem er zwar in der Sache öfters über Kreuz lag, menschlich aber im großen und ganzen harmonierte. as Holzhäuser, der selbst weiß, was Krankheit bedeutet, „zu denken gibt“, ist, daß Calmund für seine Passion Fußball „seine Gesundheit geopfert hat“. Der 1,73 Meter große XXL-Manager war Bayer, und Bayer war Calmund. Dafür zahlte der „absolute Streßfresser“ hohe Preise: Zwei Ehen scheiterten, bis er in der dritten Ehe sein Glück fand, die Ärzte nahmen sich seiner intensiver als erhofft an. Einmal gestand Calmund, daß er „schreckliche Angst vor dem Tod“ habe.“
Wie geht es weiter in Leverkusen, Erik Eggers & Friedhard Teuffel (Tsp 9.6.)? „Wenn Calmund geht und Holzhäuser zurückbleibt, findet auch ein Mentalitätswandel bei Bayer Leverkusen statt: Der leutselige Plauderer Calmund hatte das Erscheinungsbild des Klubs stark geprägt, jetzt übernimmt Wolfgang Holzhäuser, der ein bisschen wie ein Fußball-Technokrat wirkt. Calmund kann jedenfalls auf eine Erfolgsgeschichte zurückblicken. Er war es, der den Verein von der Oberliga in die Bundesliga führte, „aus einem Kaninchenstall“, wie er stolz bemerkt. In erster Linie mit ihm, nicht mit Spielern oder Trainern, wurden der Uefa-Pokal-Sieg 1988, der DFB-Pokalsieg 1993 und die vier zweiten Plätze in der Meisterschaft in Verbindung gebracht. Er stellte eine Mannschaft zusammen, die 2002 in der Champions League den faszinierendsten Fußball Europas spielte und erst im Finale an Real Madrid scheiterte. Nach jener Saison stand Calmund auf dem Rasen und heulte. In diesem Stil verlief auch sein Abschied gestern. Als ihn jemand nach seinem Befinden fragt, schluckt er und flüstert etwas von einem „emotionalem Erdrutsch“. Dann rollen ihm die ersten Tränen aus den Augen. Ganz von seinem Lebenswerk wird Calmund aber nicht lassen. Er wird dem Klub als Berater zur Verfügung stehen, wenn die nächsten Vertragspoker kommen, etwa mit dem Bochumer Paul Freier. „Wenn Du mich brauchst in dem einen oder anderen Transfergespräch“, lacht Calmund und klopft Holzhäuser auf die Schulter, „dann komme ich, egal von woher.““
U21 – NZZ-Bericht Italien-Serbien/Montenegro (3:0)
