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Deutsche Elf

8-1-1-Formation

Oliver Fritsch | Freitag, 11. Juni 2004 Kommentare deaktiviert für 8-1-1-Formation

„irgendwie durchschlagen“ (FAZ) – wie schwach ist die Abwehr? u.a.

Irgendwie durchschlagen

Wie erfolgreich wird die deutsche Elf sein? Peter Heß (FAZ 11.6.) ist skeptisch: “Sind „wir“ nicht eine Turniermannschaft? Wir waren es bei der WM 2002 in Südkorea und Japan. Damals wirkte die Erfahrung des befreienden 4:1 in der Relegation gegen die Ukraine nach, das den Deutschen die Blamage des erstmaligen Scheiterns in einer WM-Qualifikation ersparte. Diese durchstandene Extremsituation förderte ein Zusammengehörigkeitsgefühl und einen gemeinsamen Willen, der bis ins Finale von Yokohama reichte. Die Lage vor der EM in Portugal ist gänzlich anders. Die wenigen Stars sind vornehmlich mit sich selbst und ihrer Zukunft beschäftigt. Und Völler hat schon durchblicken lassen, er werde im Falle eines frühen Ausscheidens aufhören. Irgendwie sind so kurz vor dem Start die falschen Themen auf dem Markt, um an ein erfolgreiches Abschneiden zu glauben. Doch an einen europäischen Triumphzug denkt im Moment ohnehin niemand im deutschen Aufgebot. Daß man sich irgendwie durchschlagen könne, stellt schon den Gipfel des Optimismus dar. Vom Durchschlagen bis ins Endspiel indes spricht so gut wie niemand.“

Spötter empfehlen eine 8-1-1-Formation

Wer wird in der Abwehr spielen, Philipp Selldorf (SZ 11.6.)? „Auch Rudi Völler kann sich der Debatte nicht entziehen, die über den Zustand und die Möglichkeiten der deutschen Verteidigung entbrannt ist, zumal in Anbetracht der Premierenbegegnung mit dem holländischen Team, das mit sieben furchterregenden Angreifern bewaffnet ist. Der Teamchef selbst hat die Diskussion eröffnet, als er die Überlegung offenbarte, die Deckung nicht mehr als Quartett sondern als Trio zu formieren und dadurch das Mittelfeld auf den Außenpositionen zu verstärken. Ein bisschen verwunderlich ist das schon, nachdem Advocaat angekündigt hat, er werde mit seinen Oranjes zum traditionellen holländischen 4-3-3 zurückkehren, was im Prinzip den Gegner zur Bildung einer Viererkette auffordert. Völlers Gedankenspiel könnte allerdings auch bedeuten, dass er seine Verteidigung zur Festung verstärkt, weil er mit einem 0:0 glücklich und zufrieden wäre – die von ihm beschworene taktische Flexibilität würde also bedeuten, dass das erweiterte Mittelfeld vor allem den Auftrag zur verdeckten Gefahrenabwehr erhält. Im Zentrum stünde dann Jens Nowotny wie ein Libero und vorne sollten Konter überraschenden Erfolg bringen. Nowotny würde mitmachen, er würde schlechthin alles mitmachen: Das System sei ihm „relativ egal“, erzählte er, „wir müssen bloß eins haben, und das müssen dann alle durchziehen.“ Spötter empfehlen übrigens eine 8-1-1-Formation.“

Ziege hofft, zur richtigen Zeit den Höhepunkt zu erreichen

Victor Vago (The Times 7.6.) schreibt über Christian Ziege und das deutsche Team: „Es scheint komisch, dass Ziege darüber spricht, dass sein Team lange im Turnier bleiben könnte, wenn man die mittelmäßigen Ergebnisse aus der Vorbereitung betrachtet, aber das ist ja normal für Deutschland – eine schwache Vorbereitung und dann ein starkes Turnier, genau wie bei der letzten WM. (…) Ziege hat mit 72 Länderspielen die meisten in der deutschen Mannschaft, trotzdem bedeutet diese EM etwas besonderes für ihn. „Ich habe vier Turniere gespielt, dieses ist mein fünftes,“ sagt er. „Aufgrund der Verletzungen, die ich überstehen musste, um mich bis hier durchzuschlagen, ist dieses Turnier etwas Besonderes. Ich hatte nur eine winzige Hoffnung, nominiert zu werden. Der Konkurrenzkampf in unserem Team ist groß, wir haben viele gute Spieler, und unser Coach Rudi Völler hat eine tolle Atmosphäre geschaffen.“ Aufgrund seines Engagements für die Mannschaft wollte Völler, trotz starker Kritik, Ziege unbedingt in der Mannschaft haben. Mit seinen ermutigenden Worten und seinem kumpelhaften Charakter, ist er fast schon eine Vaterfigur.“

Roland Zorn (FAZ 11.6.) blickt kopfschüttelnd zurück: „Als der damals 73 Jahre alte Präsident einen 61 Jahre alten Trainer aus dem Ruhestand von den Kanaren heimgeholt und dieser den 37 Jahre alten Kapitän von gestern reaktiviert hatte, war das deutsche Fußballdesaster programmiert. Das Unglück vollzog sich im Jahr 2000 bei der Europameisterschaft in Belgien und den Niederlanden – es begann aber schon 1998 zu keimen. Damals hatte Egidius Braun, seinerzeit der erste Mann im DFB, den verhängnisvollen Einfall, Erich Ribbeck zum Teamchef zu machen. Da auch der „Sir“ dem Motto „Laßt alte Männer um mich sein!“ huldigte, suchte er sein spätes Glück im Bund mit Lothar Matthäus, den Ribbecks Vorgänger Berti Vogts schon ins Abseits gestellt zu haben schien. Das Herrendoppel Ribbeck/Matthäus brachte es bei der EM zusammen auf 101 Jahre, und genauso uralt sah auch die Mannschaft des dreimaligen Welt- und Europameisters bei diesem Turnier aus. Die Deutschen blamierten sich wie noch nie bei einem internationalen Fußball-Großereignis und schlichen sich schon nach der Vorrunde sieg- und trostlos nach einem dürftigen 1:1 gegen Rumänien, einer vermeidbaren 0:1-Niederlage gegen England und einem lachhaften 0:3 gegen Portugals zweite Mannschaft durch den Nebenausgang der EM zurück nach Hause, wo Spott, Häme und vernichtende Kritik auf den rundum verhinderten Titelverteidiger prasselten. Erich Ribbeck bekam davon nicht mehr allzuviel mit – der Mann, der weder ein konkurrenzfähiges Team gebildet hatte noch ein richtiger Chef war, trat umstandslos mit der Schlußbemerkung, „für das katastrophale Abschneiden übernehme ich die volle Verantwortung“, zurück und widmete sich danach wie schon vor seiner fehlgeschlagenen Mission dem Golfen unter der Sonne des Südens. Teneriffa hatte seinen rüstigen Rentner wieder, während in Deutschland der kurz danach als Kokser enttarnte Christoph Daum zum Bundestrainer in spe und Rudi Völler zum Interimscoach ernannt wurden. Nothelfer Völler, der nie davon geträumt hatte, auch als Teamchef zu reüssieren, sollte sich als Glücksfall erweisen; der spätberufene Ribbeck, der schon immer mal Bundestrainer oder Teamchef werden wollte, entpuppte sich als fatale Fehlbesetzung. Unter dem Wuppertaler kam der deutsche Fußball nicht einen Zentimeter voran, im Gegenteil: Sein Aushängeschild, die Nationalmannschaft, begann zu verwittern.“

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