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Portraits: Otto Rehhagel, Cristian Ronaldo, Dado Prso, Thierry Henry

Oliver Fritsch | Samstag, 12. Juni 2004 Kommentare deaktiviert für Portraits: Otto Rehhagel, Cristian Ronaldo, Dado Prso, Thierry Henry

„welche Mannschaft ist so ausgewogen mit Klasse besetzt wie Spanien?“ (FR) – Dado Prsos langsamer und unerwarteter Aufstieg (NZZ) – FAZ-Interview mit Thierry Henry u.v.m.

Peter Heß (FAZ 12.6.) lobt Otto Rehhagel: “Wie der Essener in drei Jahren alle Hindernisse seines Jobs bewältigte, ist mit zehn fehlerfreien Umläufen im deutschen Springderby in Hamburg Klein-Flottbeck gleichzusetzen. Rehhagels Vorgänger wurden zerrieben von übersteigerten Erwartungen des Verbandes und durch die Intrigen der mächtigen Großvereine, die die Nationalelf nutzten, um ihre Ränkespiele gegeneinander fortzuführen. Doch dann kam Otto. Wahrscheinlich konnte nur ein Außergriechischer all die Ungeheuerlichkeiten durchsetzen, die er den Hellenen zumutete. (…) Otto Rehhagel hat sich sein Griechenland so hingebogen, wie er es wollte. So wie deutsche Touristen durchsetzten, daß in den einschlägigen Urlaubsrestaurants auch Schnitzel mit Kartoffelsalat auf der Speisekarte stehen. Wie war das möglich? Drei Dinge entschieden über den Erfolg seiner griechischen Fußball-Revolution. Als allererstes Assistenztrainer Ioannis Topalidis. Ohne den an der Sportschule Köln ausgebildeten Fußball-Lehrer wäre Rehhagels Umsturzversuch in einem Kauderwelsch aus Deutsch, Englisch und Griechisch steckengeblieben. Topalidis transferiert noch heute Rehhagels Anweisungen simultan und kongenial. Sogar die Gesten des Deutschen vermag er zu kopieren. Daß Rehhagel mit Topalidis einen Partner, ja Vertrauten fand, bildet die Grundlage zu allem. Aber auch diese Basis wäre schnell zerstört worden, hätten sich nicht bald gute Ergebnisse eingestellt. Nach dem 1:5 gegen Finnland zur Premiere war der Achtungserfolg eines 2:2 gegen England schon dringend geboten. Geduld gehört nicht zu den größten griechischen Tugenden. Seitdem geriet Rehhagel nie wieder unter Druck. Spätestens seit dem 1:0 in Spanien genießt er Heldenverehrung. Zwischen Oktober 2002 und April 2004 blieb das Team in 15 Spielen ungeschlagen. Den dritten Baustein für Rehhagels Werk bildet seine Persönlichkeit. Wie bei Werder Bremen und dem 1. FC Kaiserslautern hat er es verstanden, die Spieler für sich einzunehmen. Vor allem mit seinem Gerechtigkeitssinn. Noch heute schwören fast alle Bundesligaprofis, mit denen Rehhagel zusammenarbeitete, auf seine Fairneß, auf seinen integren Charakter. Die griechischen Profis schätzen dasselbe. „Er nominiert gerecht, das war früher anders“, sagt Angelos Charisteas, der bei Werder Bremen sein Geld verdient. Rehhagel mag ein Sturkopf sein, ein Prinzipienreiter, Rehhagels Trainingsmethoden mögen eine Auffrischung vertragen: All die kleinen Mängel werden überstrahlt von der unbedingten Loyalität gegenüber seinen Spielern. „Meine Jungs“, sagt er mittlerweile auch zu seinen Griechen. Und so fühlen sie sich auch.“

Ein überragendes Talent mit einem ausgeprägten Hang zur Feier des eigenen Trickreichtums

Wolfram Eilenberger (Tsp 12.6.) findet Cristiano Ronaldo ineffizient: Europa musste zweimal mit den Ohren wackeln, als Manchester United vergangenen Sommer den Transfer eines neuen Heilsbringers vermeldete. Wie war doch gleich der Name? Ronaldo, Cristiano Ronaldo. Von einem Wunderkind wurde gesprochen, gar von dem größten Talent, das Trainer Fergusons alte Augen je gesehen haben wollen. Durchaus alles sollte der damals 18-jährige Portugiese können: beidfüßig perfekt, von sagenhaftem Trickreichtum, wuchtiger Statur und gesundem Durchschlagswillen, sowohl auf Flügeln wie im Zentrum positionierbar, dazu für englische Verhältnisse angenehmst unverdorben und sozial leicht steuerbar – der 12-Millionen-Pfund-Bube schien nicht von dieser Welt. So zog man dem goldenen Kind ein Trikot mit Beckhams alter Nummer 7 über und klopfte sich kräftig auf die Schulter. Hurra, wir haben wieder ein Genie! Es geschah, was keiner für möglich gehalten hatte. Ronaldos erste Auftritte bestätigten die Erwartungen. Neben seinen angstfreien Narreteien an der Seitenlinie beeindruckte insbesondere die physische Präsenz. Im Bewusstsein seiner Überlegenheit flog Ronaldo an seinen Gegnern vorbei und wusste in manchen Aktionen den Eindruck zu vermitteln, als sei sein Spiel von physikalischen Gesetzen befreit. Nach einer halben Saison allerdings hatte man den Mund auf Manchesters Rängen wieder zubekommen und in Ronaldo das erkannt, was er zweifellos ist: ein überragendes Talent mit einem ausgeprägten Hang zur Feier des eigenen Trickreichtums, der in seinen dunkelsten Momenten an die lächerliche Ineffizienz des Brasilianers Denilson erinnert.

Manchmal muss ich vor dem Pass trotzdem gucken

Lesen und staunen! FAZ-Interview mit Frankreichs Stürmerstar Thierry Henry (12.6.):
„Thierry Henry ist ein schönes Beispiel dafür, daß ein Stürmer nicht allein nach der Zahl seiner Tore bewertet wird. Nicht, daß es ihm daran mangelte: Elf Tore schoß er allein im vergangenen Jahr im französischen Nationaltrikot; mit dreißig Treffern in der Premier League für den englischen Meister Arsenal London gewann er in dieser Saison den „Goldenen Schuh“ des europäischen Torschützenkönigs. Doch noch mehr als mit Zahlen begeistert der 26jährige Franzose mit dem Tempo, dem Spaß und dem Stil seines Spiels. Vielen gilt Henry anstelle seines Landsmannes Zinedine Zidane, mit dem ihn Bescheidenheit, gute Manieren und eine tiefe Leidenschaft für das Spiel verbinden, als der beste Fußballer der Welt. Bixente Lizarazu, mit dem er Welt- und Europameister wurde, nennt ihn „ein wandelndes Lehrbuch in der Kunst des Angriffsspiels“. Und der englische Nationaltrainer Sven-Göran Eriksson, dessen Team diesen Sonntag auf Titelverteidiger Frankreich trifft, nennt Henry den Spieler, auf den er sich bei der EM „wie jeder Fußballfan“ am meisten freue: „Er kommt aus einer anderen Welt.“

FAZ: Monsieur Henry, ist Toreschießen eine Kunst? So wie Malen und Singen?
TH: Ich weiß nicht, ob man das vergleichen kann. Aber gewiß: Ich betrachte Fußball als eine Kunst. Ich versuche ständig, Dinge zu erfinden. Ich will nie langweilig sein.
FAZ: Man kann aber auch langweilig gewinnen.
TH: Schon, aber wenn ich selber ein Spiel anschaue, dann möchte ich schöne Dinge sehen. Ich will nicht vorsichtigen, destruktiven Fußball sehen. Ich will Fußball als Kunst erleben.
FAZ: Welche Teile dieser Kunst mußten Sie lernen?
TH: Alles. Ich mußte lernen, den Ball gut anzudrehen, ihn gut zu kontrollieren, mit meinem schwächeren Fuß zu schießen und so weiter.
FAZ: Nur Ihre Schnelligkeit haben Sie von Natur aus.
TH: Auch die muß man lernen. Je schneller du bist, desto schwieriger ist es, den Ball zu kontrollieren. Du mußt mit dem Ball schnell sein. Ihn gut annehmen, mitnehmen, nicht dreimal berühren, wenn du ihn nur einmal berühren mußt. So gewinnst du Zeit, erst so wirst
du wirklich schnell. Das mußte ich lernen.
FAZ: Auch die Schnelligkeit im Denken?
TH: Man muß als Stürmer Dinge sehen, die andere nicht sehen. Selbst wenn wir in der Verteidigung sind, denke ich immer darüber nach, wo wir angreifen können.
FAZ: Heißt das, Sie haben eine Idee von einem Angriff, bevor Ihr Team überhaupt den Ball hat?
TH: Ein einfaches Beispiel: Wenn wir auf unserer rechten Seite angegriffen werden und ich stehe auf der linken, dann werde ich allein sein, isoliert, wenn wir den Ball gewonnen haben. Also verlagere ich mich, sorge dafür, daß ich gut stehe für den Gegenangriff. Wenn der Ball dann kommt, sehe ich das ganze Spiel schon vor mir. Ich sehe die Laufwege, die Paßwege, die Ballannahme, den möglichen Abschluß, alles. Im modernen Spiel geht alles so schnell, zu schnell. Also mußt du dem Spiel im Kopf voraus sein. Du mußt Zeit gewinnen, dann gewinnst du das Spiel.
FAZ: Spielen wir die Situation durch: Ihr Mitspieler gewinnt den Ball …
TH: … und ich bewege mich möglichst schon in diesem Moment in einen freien Raum, weg vom Verteidiger …
FAZ: … und nun kommt der Ball zu Ihnen. Wie sieht in diesem Sekundenbruchteil Ihr Denkmuster aus?
TH: Ich habe in diesem Augenblick ein inneres Bild: Wo sind meine Mitspieler, wo sind die gegnerischen Verteidiger, bevor der Ball bei mir ankommt. Mein Kopf ist unten, ich schaue bei der Annahme auf den Ball, aber ich weiß, ohne schauen zu müssen, wo sie sind. Bei manchen Mitspielern bei Arsenal, wie Freddie Ljungberg oder Robert Pires, weiß ich meistens instinktiv, wie sie sich bewegen. Manchmal muß man trotzdem gucken – ich tue es schon, bevor ich den Ball habe. Das ist es, was die Zuschauer immer überrascht. Wenn wir verteidigen, sehen sie nur auf den Ball, sie sehen nicht, was ich tue. Und dann, wenn ich den Ball bekomme und ihn zum Beispiel direkt, ohne Blickkontakt, einem Mitspieler in den Lauf weiterleite, sind sie baff: Wie konntest du das wissen, du hast doch gar nicht hingeguckt? Ich habe halt schon vorher hingeguckt.
FAZ: Am Ende solcher Kombinationen sieht es dann manchmal ziemlich einfach aus, das Tor zu machen.
TH: Aber das ist gerade die Kunst: Es so einfach zu machen, so einfach aussehen zu lassen. Fast jeder hat als Kind im Park Fußball gespielt, und fast jeder glaubt, er kann den Ball passen und schießen, aber so einfach ist das nicht. Das ist ganz schön kompliziert, was wir tun, und nur wenn es gelingt, sieht es einfach aus.
FAZ: Ist in dieser französischen Fußballphilosophie, wie sie bei Arsenal unter Arsène Wenger, aber auch in der Equipe Tricolore gepflegt wird, die Paßfolge, die zum Tor führt, wichtiger als das Tor selber?
TH: Zumindest ist es nicht mein Ziel, ein spektakuläres, ein artistisches Tor zu schießen; wir veranstalten keine Extra-Show. Der Grund dafür ist: Ich habe großen Respekt vor dem Fußballspiel. Und das heißt für mich: Respekt vor dem Timing des Passes. Nehmen wir als Beispiel den Konterangriff. Dabei kommt es beim Paß manchmal auf fünf Zentimeter an, ob eine Torchance entsteht oder nicht – fünf Zentimeter zu weit in den Rücken, mein Partner muß abstoppen, der Vorteil ist weg.
FAZ: Angenommen, der Paß kommt perfekt zu Ihnen, Sie laufen allein auf den Torwart zu: Sind Sie sich in dieser Situation bewußt, mit welchem Torwart Sie es zu tun haben?
TH: Es ist mir egal, wer Torwart ist. Ich denke nicht darüber nach. Ich sage mir immer: Ich habe den Ball. Der andere sollte beunruhigt sein. Ich habe gelernt: Wenn du den Ball hast, entspanne dich. Der andere muß die Panik haben.
FAZ: Ist es mit Verteidigern dasselbe?
TH: Genauso. Es ist nicht so, daß ich mich nicht darum schere, wer gegen mich spielt. Aber es hat keinen Einfluß auf mich. Ich habe den Ball, wovor soll ich Angst haben? Als Stürmer darfst du keine Angst haben. Es gibt gute Verteidiger, gegen die ich gut spiele, es gibt schlechte, gegen die ich schlecht spiele, aber meine Einstellung ist immer dieselbe, und es ist die, die jeder gute Stürmer braucht: Bleib cool.

Welche Mannschaft ist so ausgewogen mit Klasse besetzt wie Spanien?

Was ist eigentlich mit Spanien? Warum hört und liest man so wenig? Ronald Reng (FR 12.6.) hält die Zurückhaltung der Spanier für unangebracht: „Die Reporter dürfen direkt an der Seitenlinie stehen, wie bei einem Bezirksligisten, keine Trenngitter stören. Rings herum herrscht majestätische Stille, abgeschieden in den waldigen Bergen Nordportugals liegt das Quartier im Dörfchen Falperra. Fünf Kilometer sind es zum Kloster des Guten Jesus – vom Trubel, der Überdrehtheit und Hysterie, die eine EM kennzeichnen, ist Spanien diesmal weiter denn je entfernt. Eine Mannschaft und, so scheint es, mit ihr eine ganze Fußballnation hat sich vorgenommen, sich diesmal nicht mehr aufzuregen. „Es herrscht eine generelle Resignation, was die Aussichten Spaniens betrifft“, schreibt El País, die größte Tageszeitung des Landes, „es macht keinen Sinn, uns zu den Favoriten zu zählen, wenn wir seit 40 Jahren nichts gewonnen haben“, findet Trainer Sáez. Zu oft, seit es 1964 das erste und einzige Mal Europameister wurde, hielt sich Spanien für einen logischen Siegeskandidaten. Das traumatische Aus im Viertelfinale der jüngsten WM, 2002 im Elfmeterschießen gegen Südkorea, war ein Schlag zu viel. Man traut sich einfach nicht mehr, noch einmal zu behaupten: Diesmal wird Spanien ein gutes Turnier spielen. Dabei – man flüstere es – gab es ganz rational gesehen selten eine hoffnungsvollere selecciãn. Andere Teams wie Frankreich mit Zidane und Henry oder die Niederlande mit van Nistelrooy mögen größere Stars haben, aber welche Mannschaft ist so ausgewogen mit Klasse besetzt wie Spanien? Italien und sonst niemand.“

Dario Venutti (NZZ 12.6.) schildert das Interesse an Dado Prso, Kroatien: „Zum Medientermin am Freitag ist sogar ein Al-Jazira-Fernsehjournalist angereist, der ihm vom grossen Interesse an seiner Person im arabischen Raum berichtet. Prso soll deshalb einen Gruss an die Zuhörer richten. Er spricht „Allah“ ins Mikrofon. Das grosse Interesse an Dado Prso ist neueren Datums. Sein Werdegang ist unkonventionell und liefert den Stoff, aus dem Fussballerträume sind. Prso schaffte erst vor vier Jahren den Sprung ins Team der AS Monaco, kroatischer Nationalspieler ist er auch erst seit dem Frühjahr 2003; beim 4:0-Erfolg gegen Belgien in der EM-Qualifikation erzielte er auf Anhieb einen Treffer. Während vieler Jahre wurde sein Talent gar nicht erkannt. In der Juniorenabteilung von Hajduk Split wurde Prso als zu leicht befunden, weshalb ihn der Klub in einen Provinzverein nach Istrien abschob. 1993 flüchtete er mit seinen Eltern angesichts des Krieges im ehemaligen Jugoslawien nach Frankreich, wo er in unteren Ligen nach Feierabend – Prso arbeitete als Automechaniker – Fussball spielte. Nachdem er 1999 mit 21 Toren in 53 Spielen massgeblichen Anteil am Aufstieg der AJ Ajaccio in die zweite Liga gehabt hatte, wurde er von Monaco verpflichtet. Dort konnte er sich anfänglich aber wegen der Konkurrenz von David Trézéguet und Thierry Henry nicht durchsetzen. Ausserdem warf ihn eine Unterschenkeloperation zurück: Prso musste der Knochen gebrochen werden, nachdem eine Fehlstellung festgestellt worden war. „Eigentlich musste ich von neuem zu laufen lernen“, sagt der Kroate.“

„Katastrophen-Dave“

Raphael Honigstein (FR 12.6.) über die Löwenherz-Mentalität der Engländer: In den USA ermittelt ein Wirtschaftsinstitut, mit welcher Häufigkeit in den Medien das Wort „Rezession“ auftaucht. Wird ein bestimmter Wert übertroffen, steht eine Krise ins Haus. Vielleicht könnte man den Geheimnissen des Fußballs mit Hilfe einer ähnlichen Methode ein wenig auf die Schliche kommen: Lässt sich die Spielstärke einer Mannschaft daran messen, wie wenig Trainer und Spieler von „Mannschaftsgeist“ und „toller Stimmung“ reden? Die Theorie muss erst noch wissenschaftlich bestätigt werden, im weiß-roten Zeltlager vor dem Trainingsgelände der Engländer liegt zumindest der Verdacht sehr nahe. Vor großen Turnieren war bei denen gerne viel von der lustigen Atmosphäre und Löwenherz-Mentalität die Rede, zwei Tage vor dem Auftakt gegen die Franzosen aber muss man lange nach solchen Sätzen suchen; immerhin erwähnt David Beckham in einem Nebensatz, dass es schön sei „die ganze Familie“ zusammen zu haben. Auch für Coach Sven Göran Eriksson und der Rest des Kaders ist das Ganze kein Thema. Man hat Wichtigeres zu besprechen, nämlich die eigene Qualität. „Wir haben Weltklassespieler und können die Europameisterschaft gewinnen, davon bin ich überzeugt“, sagt Beckham unaufgeregt den etwa 300 Journalisten, von denen – auch das ist neu – nicht wenige seiner Meinung sind. (…) Den viel diskutierten Diamanten – so heißt die Mittelfeldraute in England – wird man morgen allerdings vergeblich suchen. Eriksson lässt Lampard und Gerrard in der Zentrale nebeneinander glänzen, links und rechts gibt es echte Außen. Den nötigen Schliff dürfte man, was die Offensive angeht, mit Michael Owen und dem bulligen Wayne Rooney raus haben, allein in der Defensive hat Eriksson Sorgen. Den schusseligen Torwart David Seaman ist der coole Schwede zwar los geworden, doch Schlussmann David James ist jederzeit für eine kleineren Aussetzer gut – „Katastrophen-Dave“ heißt er in den Boulevardblättern.

Cristiano Ronaldo und Mittelfeldstar Deco müssen auf Einwechslung hoffen

Kommen Portugals Kicker mit der Favoritenrolle zurecht? Tilo Wagner (FR 12.6.): Zehntausende von Portugiesen haben in den vergangenen Tagen eine Nationalfahne, die die Luís-Figo-Stiftung zusammen mit einer Supermarktkette für einen Euro anbietet, erstanden und damit ihre Häuser und Autos geschmückt. Das ganze Land, so scheint es, hat sich zur EM in die Landesfarben Grün und Rot gehüllt. Dass der inbrünstige, aber selten nach außen getragene portugiesische Patriotismus gerade jetzt ausbricht, hat seine Gründe: Denn heute beginnt im Drachenstadion in Porto das Fußballfest, auf das sich das ballversessene Land seit über sechs Jahren vorbereitet hat. Auf der Nationalmannschaft um den brasilianischen Weltmeistercoach Luiz Felipe Scolari lasten dieser Tage die Hoffnungen einer Fußballnation, die außer der Juniorenweltmeisterschaft bisher nichts gewonnen hat. Die nötige Ruhe vor dem Turnierbeginn suchten die Portugiesen im hochmodernen Trainingsstützpunkt von Sporting Lissabon, der gegenüber der Hauptstadt auf der anderen Seite der Tejo-Mündung liegt. Da die öffentlichen Übungseinheiten jedoch zum wahren Volksfesten wurden, ließ Scolari die letzten Tage vor dem Spiel gegen die Elf um Otto Rehhagel hinter verschlossenen Türen trainieren. (…) Jungstar Cristiano Ronaldo, der bei Manchester United Beckhams Nachfolger werden soll, muss genauso wie Portos Mittelfeldstar Deco auf eine Einwechslung hoffen. Ein erfolgreiches Abschneiden der portugiesischen Nationalmannschaft hängt davon ab, ob die Spieler sich mit der Favoritenrolle zurechtfinden werden. Englische Buchmacher haben Portugal auf der Liste der möglichen Gewinner hinter Frankreich und Italien nach ganz oben gesetzt. Zudem spürt die „Selecção“ den immensen Druck ihrer Landsleute, die das Team am liebsten im Finale gegen Frankreich Rache nehmen sehen würden für die verlorenen EM-Halbfinalspiele 1984 und 2000. Die Volksbegeisterung könnte insbesondere für Torhüter Ricardo in einen Spießrutenlauf umschlagen, sollte der Keeper von Sporting Lissabon ähnlich unsicher halten wie in den vergangenen Monaten. Über Ricardo hängt der übermächtige Schatten von Portugals Torhüterlegende Vítor Baía, den Scolari gegen den Willen der Fachpresse und der meisten fußballinteressierten Portugiesen nicht in den Kader berufen hatte.

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