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Die Augen so klar, die Nase so römisch

Oliver Fritsch | Dienstag, 15. Juni 2004 Kommentare deaktiviert für Die Augen so klar, die Nase so römisch

in der Mixed-Zone trifft man authentische Fußballer (FAZ) – Portugal diskutiert die Auftaktpleite (NZZ) u.v.m.

Die Augen so klar, die Nase so römisch

Aus der Mixed Zone meldet sich Peter Heß (FAZ 16.6.): „Vereinen, die eine Diva suchen und über das nötige Kleingeld verfügen, sei unbedingt Francesco Totti empfohlen. So elegant wie er bewegen sich sonst nur Models. Und diese natürliche Schönheit! Die Augen so klar, die Nase so römisch. Der Spielmacher der Italiener schlendert gelangweilt, die Mähne naß nach hinten gekämmt. Bettelnden Anfragen, er möge doch stehenbleiben, begegnet er mit einem Schulterzucken. Im Weitergehen wirft er dann gönnerhaft einige Wortbrocken hin – und plötzlich hört er sich gerne reden. Totti verharrt, bildet so zwei Journalistenrudel und verschwindet nach fünf Minuten lässig im Mannschaftsbus. Ein Auftritt, reif für eine Oscar-Verleihung. Herr Hoeneß, Totti wäre gerade recht für Ihren FC Hollywood. Auch Fabio Cannavaro ist jede Million wert, die man für ihn ausgeben muß. Der italienische Innenverteidiger verkörpert ein Selbstbewußtsein, das jeden anspringt, der ihm begegnet. Er hat das Gesicht eines Engels, den Haarschnitt der Marines und auch die Muskeln der amerikanischen Elitesoldaten. Werden in Italien nur Männer als Fußballprofis zugelassen, die die Gesichtskontrolle eines Schönheitsmagazins passieren könnten? Nur Torwart Buffon fällt aus dem Bild. Der Hüne mit den gröberen Gesichtszügen verbrüdert sich mit jedem Journalisten, den er irgendwann einmal kennengelernt hat. Erst das energische Hupen des wartenden Busfahrers löst die Umarmung mit einem Fragesteller. Wer einen Kumpel im Team benötigt, bitte bei Buffon melden. Zur Stärkung des Mannschaftsgeistes sind ansonsten Dänen und Schweizer dienlich. Die Dänen leben ihre Freundlichkeit in einer offenen Art aus, die Schweizer sind ein wenig introvertierter. Aber keiner straft Reporter mit Mißachtung. Die Absage erfolgt höflich, wenn der Vielgefragte keinen Mitteilungsdrang mehr verspürt. Torwart Stiel gefällt sich abwechselnd als Clown und Philosoph und ist damit schon so etwas wie der Exzentriker der Schweizer Nationalelf. So nett und normal sich alle geben: Die Erotik im Fußball bleibt an der Grenze zu Italien stecken. Nie käme es den Azzurri in den Sinn, so über den Laufsteg zu schlurfen.“

Peter B. Birrer (NZZ 15.6.) fügt hinzu: „Was ganz und gar nicht zum sonst auch an der Seitenlinie durchgestylten Turnier passt, ist die Spielkleidung des schwedischen Trainerduos. Lars Lagerbäck und Tommy Söderberg sind ohnehin schon Aussenseiter in der Branche, weil sie sich als gleichberechtigtes Gespann sehen und dies auch so kommunizieren. Während andere Coaches wie Sven-Göran Eriksson oder Jacques Santini auch in der portugiesischen Hitze in eleganten Anzügen (immer mit Veston) zu den Spielen erscheinen, nehmen es Lagerbäck/Söderberg nicht so genau. Sie tragen Turnschuhe, gelbblaue Socken, dunkle Shorts, ein blaues Shirt und geben sich betont sportlich. Sie verdienen ja auch nicht mehrere Millionen im Jahr wie andere Trainer.“

Stolz allein

Portugal diskutiert die Auftaktpleite, Georg Bucher (NZZ 16.6.) schreibt mit: „Der 1:2-Fauxpas gegen die Hellenen wurde nicht nur als sportliche Schmach gewertet. In TV-Programmen und Zeitungsspalten kamen erstaunlich viele Humanwissenschafter, Philosophen und Historiker zu Wort, Spezialisten für Grundfragen: Wer sind wir? Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Oder treibt uns das Schicksal irgendwohin? Da war er wieder, der Fado. Ist unser Pessimismus genetisch bedingt?, fragte die stets wohlgelaunte Moderatorin einer Nachrichtensendung. Nach den Entdeckungen der Seefahrer im 15. und 16. Jahrhundert seien die Portugiesen zurückgewichen und hätten sich passiv im Schatten der Weltbühne eingerichtet, meinte ein Soziologe. „Stolz allein“ hiess die Maxime des Diktators Salazar mit ambivalenten Wirkungen in der Praxis. Portugal kehrte Europa den Rücken, blieb rückständig und von den kontinentalen Erschütterungen im letzten Jahrhundert weitgehend verschont. Doch auch Schriftsteller und Filmemacher, einen Nobelpreisträger in Medizin und Erfinder ersten Ranges brachte der Garten am Atlantik hervor, Persönlichkeiten, die den Hang zum Wankelmut kontrastieren. Von acht auf achtzig und umgekehrt, sagt ein Sprichwort, das die Befindlichkeiten vor und nach dem EM-Auftakt wieder bestätigten. Dessen ungeachtet ist der Glaube intakt, dass Figo & Co. im Match gegen Russland ein magisches Feuer entfachen und die Menschen weiterträumen lassen.“

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