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Samba ist nicht gleich Fado
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| Mittwoch, 16. Juni 2004„Samba ist nicht gleich Fado“ (FR) – welcher Grieche interessiert sich noch für Olympia? (FAZ) – „Spaniens Trainer Iñaki Sáez ist dieser Typ Mensch, der eine Freude daran hat, andere zum Glück zu zwingen“ (FR)
Samba ist nicht gleich Fado
Tilo Wagner & Ralf Itzel (FR 16.6.) beobachten Felipe Scolaris Psycho-Tricks: „Es geht um das Wohl der Nation, und nach der Niederlage gegen Griechenland, wie Trainer Luiz Felipe Scolari sagte, noch um viel mehr, „um Leben oder Tod“ nämlich. Also greift der Gastgeber schon mal zu Methoden, die in der rauen Männerwelt des Fußballs eher ungewöhnlich sind. Ausgerechnet Scolari, für seinen autoritären Stil bekannt, hat nach dem Schock des Samstags die brasilianische Psychologin Regina Brandão um Rat gefragt. Die Seelenklempnerin hatte Scolari schon unterstützt, als dieser Brasiliens Nationalelf zum Weltmeistertitel in Japan und Südkorea führte. Schon im Vorfeld stellte die Psychologin Einzelstudien zu jedem Nationalkicker zusammen, auf die Portugals Chefcoach nun zurückgreifen kann. Solche Hilfestellung hat Scolari bitter nötig, um herauszufinden, wer dem enormen Druck vor dem Spiel gegen Russland standhalten kann. (…) Ob die brasilianische Psychologin die Portugiesen richtig einschätzt, ist so eine Frage. Der Unterschied zwischen angeschlagenen, aber nach außen offenen Brasilianern und den in sich gekehrten Seelen der Portugiesen könnte leicht zu einer Fehldiagnose führen. Schließlich ist Samba ja auch nicht gleich Fado.“
Rehhagel macht’s möglich
Wen in Griechenland interessiert die Olympiade, Torsten Haselbauer (FAZ 16.6.)? „Stelios Giannakopoulos schießt den Ball aus zwanzig Metern flach in das spanische Tor – seit Sonntag zeigt das griechische Staatsfernsehen ERT in schöner Regelmäßigkeit diese Spielszene. Fast genau vor einem Jahr, am 7. Juni 2003, begann mit diesem 1:0-Auswärtserfolg der griechischen Nationalmannschaft im EM-Qualifikationsspiel in Saragossa das griechische Fußballwunder. Es ist noch viel zu jung und seine große Bedeutung für das kleine Fußball-Land Griechenland wurde wohl auch noch nicht so erfaßt, als daß darüber in Hellas dicke Bücher geschrieben oder lange Spielfilme gedreht werden. Der griechische Fußball ist in seiner leidvollen, erfolglosen Geschichte zu arm an Mythen und Legenden, die pralle neunzig Minuten Kinoleinwand füllen könnten. Deshalb seit Tagen immer nur das eine: Stelios Giannakopoulos schießt den Ball aus zwanzig Metern flach in das spanische Tor – und weist so plakativ darauf hin, daß es an diesem Abend ein Wiedersehen gibt. Diesmal in Porto, bei der EM-Endrunde. Dort kommt es zum Treffen von zwei Auftaktgewinnern, da die Griechen in einer Art kollektivem Freudentaumel und die Spanier ihre Pflicht erfüllt und haben. Der in Hellas von kaum jemand erwartete Auftakterfolg hat das Land aus seiner frühsommerlichen Balance geworfen. Die obligatorischen Tavernenbesuche und Wochenendausflüge ans Meer richten sich plötzlich nach dem strengen EM-Spielplan, statt wie sonst üblich nach der Laune des Augenblicks. Gewinnt die Mannschaft des deutschen Trainers Otto Rehagel aufs neue, spricht 58 Tage vor der Eröffnung der Olympischen Spiele in Athen so gut wie kein Mensch mehr im ganzen Land von dem bevorstehenden nationalen, historischen Ereignis. Der alles dominierende Sinnlieferant der vergangenen sieben Jahre ist vorläufig durch den Fußball abgelöst worden – Rehhagel macht’s möglich.“
Evdoxia Tsakiridou (SZ 16.6.) ergänzt: „Heute, beim Spiel gegen Spanien, wird der Omonia-Platz von Anfang an voll sein. Tagsüber umtost vom nervösen Auto- und Zweiradverkehr, verwandelt sich der betonierte Platz nachts in einen Treffpunkt für Kleindealer und Junkies. Kein Wunder, dass sich zu Beginn des Eröffnungsspiels gegen Portugal nur wenige Hauptstädter hatten blicken lassen. Nach Spielminute sieben, als das erste griechische Tor fiel, änderte sich alles – als hätten sie sich plötzlich erinnert, dass sie noch Freikarten für eine Theateraufführung haben, kamen zaghaft die ersten Bürger an die verwaiste Großleinwand. Aus dem Getröpfel wurde allmählich ein steter Menschenstrom, der sich sternförmig aus den benachbarten Straßen in diesen Kessel aus Hotelhochhäusern und Bürobauten ergoss. Spätestens beim 2:0 brachen die Dämme, und die ungläubig staunenden Athener überließen sich ihrem Freudentaumel. Das 2:1 der griechischen Mannschaft über Portugal hat den im internationalen Fußball nicht gerade Erfolg verwöhnten Griechen ihren Stolz und ihre Ehre wiedergegeben. Es hagelte Lob und Glückwünsche, selbst Ministerpräsident Karamanlis verkündete: „Mit diesem historischen Sieg hat unsere Mannschaft die Anerkennung der europäischen Sportwelt gewonnen und jeden Griechen gerührt!“ Auch Athens Oberbürgermeisterin Dora Bakoyanni outete sich als Fußballfan. Zwar gab sie zu, nicht besonders viel vom Fußball zu verstehen, schloss sich aber den Lobeshymnen an: „Das war wirklich erstaunlich. Glückwunsch an die Jungs und den Trainer. Ein großer Sieg.“ Der Mann aber, der dies möglich gemacht hat, wurde über Nacht zum Volkshelden. Es war nicht nur die Freude über den Sieg, die Griechen lieben es, wenn jemand Emotionen zeigt, und Otto Rehhagel hat sie auch in dieser Hinsicht nicht enttäuscht. Wie er das weiße Handtuch umklammert hielt und dann voller Wut auf den Boden schleuderte. Alles festgehalten vom staatlichen Fernsehsender ET 1, dessen Reporter den Zuschauern ekstatisch versicherte: „Sehen Sie sich diesen Mann an, wie er mitgeht. Das kann kein Deutscher sein, das ist ein Grieche!““
Iñaki Sáez ist dieser Typ Mensch, der eine Freude daran hat, andere zum Glück zu zwingen
Ronald Reng (FR 16.6.) ist beeindruckt von Spaniens Nationaltrainer: „Iñaki Sáez hat sein erstes Turnier als Nationaltrainer gerade erst begonnen, aber schon Großartiges geleistet: Die Rückeroberung der Flügel. Was Sáez in Spaniens erstem Spiel präsentierte, gehört bislang zu den schönsten Eindrücken der EM: Zwei echte Flügelstürmer, Vicente Rodríguez auf links und Joseba Etxeberria rechtsaußen, die auf die Verteidiger zujagten, die nach innen zogen, beim nächsten Mal wieder zur Grundlinie und flankten, die immer wieder drauf los gingen, jeder auf seine Art – Rodríguez, 22, vom spanischen Meister FC Valencia mit seinen kurzen Drehungen und Täuschungen; Etxeberria, 26, von Athletic Bilbao geradlinig mit Höllentempo und guter Ballkontrolle. Es war so schön, es war so effektiv – es ist unglaublich, dass dies eine fast schon vergessene Kunst war. (…) Über die Flügel würde Spanien auch ohne Etxeberria stürmen. Joaquín Sánchez käme dann ins Spiel, 22 und rohe Energie. In diesem Moment vergnügt er sich am Basketballkorb, die Spieler warten. „Frag‘ ihn doch mal, warum er immer als erster beim Training ist“, sagt Sáez, zeigt mit einem Kopfnicken auf den Außen von Betis Sevilla, lacht komplizenhaft und stellt ihm dann die Frage selbst. „Weil ich keine Lottotickets mehr kaufen will“, antwortet Joaquín. Bitte? Später stellt sich heraus, dass der Trainer die Spieler bei kleinen Verstößen wie Zuspätkommen als Strafe zum Kauf von Lotteriescheinen verdonnert. Iñaki Sáez ist dieser Typ Mensch: Der eine Freude daran hat, andere zum Glück zu zwingen.“
Mit je neun EM-Teilnehmern führen Bayern München, Barcelona und Juventus Turin die Liste an
Wo ist die Mehrheit der EM-Kicker angestellt? Felix Reidhaar (NZZ 16.6.) zählt nach: „Wie die Fachzeitschrift „France Football“ regelmässig darstellt, gibt es auch nützliche oder aussagekräftige statistische Fakten, die beispielsweise die Hierarchie im kontinentalen Fussball veranschaulichen. Von den 368 Spielern auf den Kaderlisten der 16 Endrundenteilnehmer sind so deutlich mehr als die Hälfte (191) in den führenden europäischen Ländern bzw. Ligen in England (Premier League und First Division), Deutschland (1. und 2. Bundesliga), Italien (Serie A und B) und Spanien (Primera und Segunda Division) engagiert – die meisten, fast ein Sechstel, in England (58). Russland, Frankreich und Portugal folgen schon mit deutlichem Abstand. Schaut man weiter auf die entsprechenden Klubnamen, die vor allem die arrivierten Spieler stellen, kommt die Rangfolge noch deutlicher zur Geltung. Mit je neun EM- Teilnehmern führen Bayern München, Barcelona und Juventus Turin diese Liste an. Arsenal, Chelsea, Liverpool, Manchester United, Inter, Milan und Benfica Lissabon sehen je acht Kadermitglieder in den verschiedensten Nationalteams im Einsatz. Real Madrid bringt es mit sechs weiteren Vereinen auf sechs EM-Spieler.“